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Das Sein bestimmt das Bewusstsein
Es lebe die Hausfrauenrevolution!

Ein Gespräch mit Marie Theres Kroetz-Relin von Anja Dilk


In Deutschland leben 15 Millionen Nur-Hausfrauen. Mit und ohne Kinder. Mit und ohne Abhängigkeit von ihren Männern. Der Staat belohnt sie nach einem arbeitsreichen Leben mit 261 Euro Rente, bei zwei Kindern. Noch mieser werden allein erziehende Frauen behandelt. Sie landen vielerorts in der Sozialhilfe. Die Kroetz-Relin, Tochter von Maria Schell und Ehefrau von Franz Xaver Kroetz, ruft jetzt zum Widerstand auf. Ihr selbst gestecktes Ziel: Als Che Guevara der Hausfrauen durch den Dschungel des Alltags ziehen, mit Kopftuch und Stern im Militäranzug und Schrubber im Gürtel, als Waffe den scharfen Verstand und einen Putzlappen.

Marie Kroetz-Relin hat eine erfolgreiche Schauspielerkarriere hinter sich. Die Tochter von Maria Schell drehte mit 17 in England ihren ersten Spielfilm Secret Places und bekam dafür den Darstellerpreis in Taormina. Sie stand mit Klaus Maria Brandauer und Max von Sydow vor der Kamera, trat in Derrick auf und bekam 1987 für ihre Rolle in dem Fernsehspiel Das unverhoffte Glück die Goldene Kamera als beste Nachwuchsschauspielerin. Im gleichen Jahr lernte sie den Dramatiker, Regisseur und Schauspieler Franz Xaver Kroetz kennen, heiratete, bekam drei Kinder und hängte ihren Schauspielerjob an den Nagel.

Frau Kroetz-Relin, derzeit wird viel über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie debattiert. Die Rufe nach Maßnahmen, die Frauen eine Karriere trotz Kindern ermöglichen sollen, werden immer lauter. Sie dagegen haben sich für das Hausfrauendasein entschieden. Dabei waren Sie eine äußerst erfolgreiche Schauspielerin. 1987 haben Sie die Goldene Kamera bekommen. Was hat Sie an Heim und Herd gezogen?

Ich habe zwischen 22 und 28 Jahren drei Kinder bekommen und das ist mit der Schauspielerei nun mal nicht vereinbar. Da ist die Branche gnadenlos. Mir blieb auch kaum noch Zeit. Mit drei Kindern ist man rund um die Uhr beschäftigt, zumal ich jedes eineinhalb Jahre lang gestillt habe. Das macht viereinhalb Jahre als Milchlieferantin. Es war eine freiwillige Entscheidung. Ich bin gerne Mutter, das ist eine erfahrungsreiche, einzigartige Zeit. Da haben wir Frauen einen biologischen Vorsprung, den ein Mann nie nachvollziehen kann.

War Ihre Umwelt nicht entsetzt, als Sie sich völlig aus Ihrem Beruf zurückgezogen haben?

Ach was, überhaupt nicht. Bei TV und Film bist du automatisch draußen, wenn du Kinder bekommst. Auch wenn man bekannt ist. Da hat keiner mal gesagt: Mein Gott, du bist so eine große Schauspielerin, du darfst uns nicht verloren gehen. Egal, ich mache ohnehin tausendmal lieber, was ich jetzt tue. Natürlich hat sich mein Freundeskreis verändert. Durch die Kinder habe ich mehr Kontakt zu Freunden, die auch Kinder haben. Wenn mich heute jemand fragt, wann wollen Sie wieder arbeiten, dann schmeiße ich ihm die Putzlappen hinterher. Ich arbeite. Und mehr als je im Filmgeschäft. Doch wenn ich als Schauspielerin das Klo putze, bekomme ich die Goldene Kamera, mache ich es zu Hause, ist es nichts wert.

Ein Plädoyer, Hausfrauenarbeit als Beruf zu definieren?

Ja, natürlich. Hausfrauen trauen sich nicht, Hausfrau als Beruf anzugeben. Das ist doch ein Unding. Es gibt 15 Millionen Nur-Hausfrauen in Deutschland - mit und ohne Kinder - die keinen Teilzeitjob neben ihrer Hausfrauentätigkeit haben.

Wer keine Kinder hat und trotzdem Hausfrau ist - ist das für Sie auch ein Fulltimejob?

Für mich ist Hausfrau sein immer mit Kindern verbunden. Ohne könnte ich es mir nicht vorstellen. Ich denke, man müsste neben der Hausfrauenarbeit noch etwas anderes machen können, wenn man keinen Nachwuchs hat. Einen Teilzeitjob etwa. Aber auch Frauen, die sich ganz der Hausarbeit widmen, sollen sich nicht verstecken müssen. Sie haben ihre Berechtigung. Für mich geht es einfach um die Anerkennung dieser Arbeit.

Wie ist denn Ihr Alltag als Hausfrau so?

Machen Sie Witze?

Ist es anders als erwartet?

Ganz und gar nicht. Ich wusste schließlich schon, wie der Haushalt läuft, aus meiner eigenen Familie. Meine Großmutter war eine Dichtergattin wie ich. Da habe ich viel mitbekommen. Als Hausfrau muss man einfach unheimlich viele Bereiche abdecken. Von Büroarbeiten bis Besorgungen. Allerdings: Der Hausfrauenalltag kann sehr unterschiedlich sein. Er hängt auch von den Lebensumständen der Einzelnen ab. Es gibt wahnsinnig viele allein erziehende Mütter, die jeden Cent umdrehen müssen. In Bremen etwa wird 2005 jedes dritte Kind von Sozialhilfe leben. Das ist ein ganz anderer Hausfrauenalltag als der von bürgerlichen Mittelschichtfrauen. Ich will erreichen, dass wir diese Realität endlich wahrnehmen. Und ich will Frauen bewegen, sich untereinander zu helfen. Wenn eine gut betuchte Hausfrau sieht, dass ihre Nachbarin mit Kind viel schlechter dran ist, warum sollte sie diese nicht ein wenig unterstützen? Solche HFR-Patenschaften fördern wir gezielt.

HFR-Patenschaften?

Hausfrauenrevolutions-Patenschaften. Die Hausfrau aus besseren Verhältnissen hat ein Patenkind von einer Frau aus ärmeren Lebensumständen, das sie öfters einlädt, ihm bei den Hausaufgaben hilft und so weiter. Aber es gibt auch andere Formen der Kooperation. Fünf Frauen putzen ein Haus in einer Stunde durch. Warum also tun wir uns nicht zusammen, wenn es nötig ist?

Damit sich im Dasein der Hausfrauen etwas ändert, haben Sie Ihre Genossinnen zur Revolution aufgerufen. Was hat Sie dazu getrieben? Hatten Sie die Nase voll von Ihrem Job?

Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich an einen Punkt gekommen war, an dem ich viel geleistet habe, aber die eigene Kreativität auf der Strecke geblieben war. Gleichzeitig fehlte die gesellschaftliche Anerkennung. Das war wie ein Schnellkochtopf, der kein Ventil hat. Ich wollte gesehen werden, ich wollte etwas tun, etwas verändern. Ich konnte mein Ich nicht ausleben, weder in Musik, Tanz, Malerei, noch indem ich anderen Menschen helfe. Ich fühlte mich in diese dämliche Hausfrauenrolle gepresst, eine Rolle, die ich so nicht spielen wollte: depressiv, schweigend, lustlos, dumm und unattraktiv - eben ein Hausmütterchen. Ich wollte wieder meine Weiblichkeit tragen, unbefangen und offen, herzlich, lustig und sexy sein. Ich wollte raus dem Knast im Hirn und meine Sprachlosigkeit durchbrechen.
Mir wurde klar, dass wir Frauen selbst etwas unternehmen müssen, um das Bild von der Hausfrau in unserer Gesellschaft endlich zu ändern. Wir müssen auffallen mit unserer eigenen Kreativität. Stattdessen kapitulieren wir vor unserem Spiegelbild, vereinsamen am Herd und halten die Schnauze. Nicht einmal das Wort Hausfrau trauen wir uns auszusprechen. Im Oktober 2001, in einem Gespräch mit meinem Mann, kam mir die Idee: Ich starte eine Hausfrauenrevolution. Ich ziehe als Che Guevara der Hausfrauen durch den Dschungel des Alltags, mit Kopftuch und Stern im Militäranzug und Schrubber im Gürtel, als Waffe meinen scharfen Verstand und einen Putzlappen, um kämpferisch das verstaubte Bild der Hausfrau aufzupolieren. Und irgendwann gäbe es eine Homepage www.hausfrauenrevolution.com. Als ich längere Zeit krank war, kaufte ich mir ein Laptop und lernte die Computerexpertin Anja Quattlender kennen. Sie wurde meine Partnerin und beste Freundin. Mit ihr wurde die Website Wirklichkeit.

Titel Ihres Buches, in dem Sie diese Entstehungsgeschichte beschreiben, ist If pigs could fly. Wie sind Sie denn darauf gekommen?

Schweine und Hausfrauen haben viel gemeinsam: Beide werden unterschätzt, sind intelligent, sehr reinlich und müssen trotzdem in einem Saustall leben. Beide geraten in Gefangenschaft unter Stress, sind ein Synonym für das Glück, aber auch für viel Negatives. Das Schwein ist ein Muttertier, Symbol für Fruchtbarkeit und so weiter. Es gibt einfach zu viele Parallelen, als dass man sie übersehen könnte. Deshalb wurde das Schwein zum Logo der Hausfrauenrevolution. If pigs could fly bedeutet nichts anderes als das Unmögliche möglich machen. Genau das wollen wir mit unserer Hausfrauenrevolution.

Und dabei geht es Ihnen darum, die Hausfrau neu zu definieren ...

... ja, indem wir das blöde Bild von Hausfrauen in der Werbung revidieren. Da taucht die Hausfrau doch nur als Idiotin auf. Sie stöhnt über den falschen Kaffee, sie freut sich, wenn die Milchschnitte auf der Milch schwimmt und ist verzückt, wenn Meister Proper die Ärmel hochkrempelt. Auf der anderen Seite laufen die schicken Karrierefrauen mit ihren Du-darfst-Köfferchen über den Bildschirm. Auf der Frankfurter Buchmesse habe ich beobachtet, wie eine Mutter ihrer fünfjährigen Tochter mein Buch in den Rucksack stecken wollte. Die Tochter wehrte sich empört und sagte, die Hausfrauen sind doch die Hässlichen mit den Lockenwicklern und Schürzen, mit denen will ich nichts zu tun haben. Das ist schlimm. Wenn wir solche Bilder in der Gesellschaft zulassen, geht der Respekt in der Familie verloren. Dem müssen wir einen Riegel vorschieben und zeigen: Hausfrauen sind genauso kreativ und schön und wertvoll wie andere Frauen.
Auf unserer Website geben wir diesen Frauen ein Forum. Hier können sie über ihr Leben schreiben, über das, was sie umtreibt, was sie denken und fühlen. Hier können sie auf sich aufmerksam machen und aus ihrer Isolation kommen. Denn immer noch sind Hausfrauen in unserer Gesellschaft nicht existent. Es ist doch Wahnsinn, wenn eine Mutter, die zwei Kinder großgezogen hat, nur 261 Euro Rente bekommt. Die Hausfrauen müssen freilich auch dazulernen. Sie müssen anfangen, Verantwortung zu übernehmen und sich nicht darauf verlassen, dass ihr Mann schon das Geld nach Hause bringen wird. Indem sie eine Versicherung anlegen oder beispielsweise mit Anfang 40 in einen zweiten Beruf einsteigen.

Wie war die Resonanz, als die Seite vor zwei Jahren an den Start ging?

Am ersten Tag hatten wir 2.700 Besucher, inzwischen haben wir 2,5 Millionen Klicks. Das ist zu einer richtigen Bewegung angeschwollen. Mehr als 200 Autorinnen und Autoren publizieren auf unserer Seite, 1.000 feste Mitglieder sind in unserem Forum gemeldet. Es gibt Texte zu Themen von Mobbing bis Medizin und allerhand Service. Außerdem treffen wir uns regelmäßig. Das letzte Mal haben wir uns auf 1.700 Metern zum Jodelkurs getroffen. Schließlich müssen wir Hausfrauen das Rufen üben und dürfen uns nicht im Schimpfen und Jammern verlieren.

Wollen Sie mit der Hausfrauenrevolution den Karrierefrauen den Kampf ansagen?

Ganz und gar nicht. Im Gegenteil. Natürlich ist es längst überfällig, dass in unserer Gesellschaft die Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, dass Frauen Beruf und Familie besser vereinbaren können, wenn sie es wollen. Wir brauchen dringend bessere Betreuungsangebote und mehr Ganztagsschulen. Aber wer andere Wege gehen möchte, muss genauso akzeptiert werden. Wir müssen wegkommen von unserem Schubladendenken. Wir müssen aufhören, uns Urteile wie Verhüterli überzustülpen. Dieses Konkurrenzdenken ist Blödsinn. Wir brauchen neuen Respekt voreinander.
Berufstätige Frauen dürfen nicht auf Hausfrauen herunterschielen und murmeln: Ich mache meine Salatsoße schließlich noch nach dem Job. Umgekehrt dürfen Hausfrauen nicht sagen: Du hast es gut, du kannst arbeiten gehen. Dieser Respekt gilt auch zwischen den Geschlechtern. Es ist schlimm, wenn Hausmänner nicht mehr als Männer gelten. Nein, ich will nicht neue Kampflinien schaffen, sondern die Realität auf den Plan rufen, das genaue Hinschauen. Nur dann wird sich etwas verändern.


Anja Dilk ist Redakteurin bei changeX.


Marie Theres Kroetz-Relin (Hg.):
If pigs could fly.
Die Hausfrauenrevolution,
Piper Verlag, München 2004,
271 Seiten, 14.90 Euro,
ISBN 3-8225-0657-5
www.piper.de


Foto: © Wolfgang Hoehn / Freising

© changeX [19.10.2004] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

Mit freundlicher Genehmigung von www.changeX.de


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