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Heike Vowinkel in der Welt am Sonntag vom 16.02.03

Jung, dynamisch, Hausfrau


Wenn die Hausfrau zur Revolutionärin wird, trägt sie keine Schürze,
schwingt keinen Besen und ballt die Putzlappen nicht in der Faust. Sie
trägt schwarze Stiletto-Stiefel, Jeans, ein graues Jackett und die
blonden Haare hoch aufgesteckt. Sie macht eine verdammt gute Figur
neben den halbwüchsigen Töchtern und redet pausenlos von ihren Ideen.
Wenn die Hausfrau zur Revolutionärin wird, dann schlägt sie den
Göttergatten nicht mit dem Nudelholz (auch wenn ihr manchmal danach
wäre), verbannt die drei Kinder nicht in den Keller und vergiftet auch
nicht das Essen. Sie setzt sich vor den Laptop Marke Macintosh - "den
versteh‘ sogar ich“ - und eröffnet eine Homepage.
Man(n) könnte sagen, Revolutionäre sind auch nicht mehr das, was sie
mal waren, Hausfrauen sowie so nicht. Auf diese Frau trifft beides zu:
Marie-Theres Relin, 36, gelernte Schauspielerin, Tochter von Maria
Schell und Veit Relin, Frau von Franz Xaver Kroetz, hauptberuflich
Hausfrau (letzteres beschreibt sie besser, als zuvor genannte
Attribute), will eine Revolution starten. Nicht nur zum Spaß - "wenn
der Franz das auch gern so abtut“ - sondern ganz im Ernst und im
Internet. www.hausfrauenrevolution.com heißt Marie-Theres Relins
jüngstes Baby, fünf Monate alt, mit vor allem einen Zweck: "Das
Bewusstsein der Hausfrauen stärken.“
Das klingt zunächst gar nicht modern, erst recht nicht angesagt. Und
man fragt sich, hat diese Frau das nötig? Wenn sie mit den blonden
Töchtern, Magdalena, 11, und Josephine, 14, über den gepflasterten
Platz von Garachico im Norden von Teneriffa marschiert, sieht sie eher
wie die ältere Schwester, denn die Mutter der beiden aus. Prompt rollt
ein BMW heran, bremst, der Fahrer in hellem Anzug lässt die
Fensterscheibe runter gleiten und haucht ein sonores "Hola!“ in ihre
Richtung. "Der macht mich an!“ zischt sie den Töchtern
zu. "Unverschämt, ich bin verheiratete Mutter von drei Kindern!“ Sie
lacht, genießt - und braucht doch die Revolution. Denn sie ist
Hausfrau.
"Ich wollte immer junge Mutter sein“, sagt sie und ist es seit fast 15
Jahren. 1987 hatte sie den Kroetz kennen gelernt auf einer Diskussion
zum Thema "Ist die Liebe noch zu retten“. Sie, die junge Schauspielerin
in den Fußstapfen großer Familientradition, die gerade die "Goldene
Kamera“ als beste Nachwuchsdarstellerin bekommen hatte. Er, der große
Kroetz, Dramatiker und Schauspieler mit bayerischem Macho-Image. Er
schnorrte sie um eine Zigarette an, sie blieb unbeeindruckt. Der Zufall
brachte sie wenig später wieder zusammen und es funkte. Nach zwei
Wochen zog sie bei ihm ein - sie war 20, er 40 Jahre alt.
Schwanger wurde sie, "weil zu blöd zum Verhüten, hat mir auch niemand
richtig erklärt.“ Es könnte vorwurfsvoll klingen in Richtung
Karrieremutter, wenn sie nicht gleich hinterher schöbe, dass sie
ein "Glücksfall“ war, diese ungeplante Schwangerschaft. "Nicht nur
wegen Josephine, auch wegen der Beziehung - die sonst wohl nicht mehr
bestünde.“ Von da an änderte sich ihr Leben, sie "schlitterte ins
Hausfrauendasein“. Vorgelebt hatte es ihr die Mutter wahrlich
nicht. "Sie war `ne spitzen Mutter - wenn sie da war, nur leider war
sie nicht so häufig da“, sagt sie mit dieser kehligen Stimme, die so
sehr an die Schell erinnert. Vorgelebt hatte es ihr schon eher die
Großmutter, die sie liebevoll "Omutti“ nannte und von der sie "alles
gelernt hat, was man im Leben einer Dichtersgattin eben so braucht.“
Sie bereut nichts, nicht die Aufgabe ihres freien, selbständigen
Lebens, das sie seit dem 16. Lebensjahr führte, als sie ohne
Schulabschluss allein nach Paris ging, um Schauspielerin zu werden und
nicht die abgebrochene Karriere. Sie tauschte es gegen Wäscheberge und
ein Vagabundenleben, wenn sie Kroetz zu Inszenierungen und auf Reisen
nach Lateinamerika und Asien begleitete. Nach dem dritten Kind,
Ferdinand, war damit Schluss. "Die Kinder brauchten Stetigkeit.“ Als
die Jüngsten Asthma bekamen, reisten sie des Klimas wegen nach
Teneriffa und blieben - seit 1996 jeweils die Hälfte des Jahres. Die
andere verbringen sie im Chiemgau auf ihrem alten Bauernhof.
Die Worte sprudeln aus Marie-Theres Relin heraus wie Seltersperlen,
erfrischend unkontrolliert. "Du musst lauter sprechen!“ schreit sie auf
dem Boden hockend die Bühne hinauf, wo ein Junge im blauen Kapuzenshirt
den Conferencier mimt. Probe für das Musical "Grease“ nachmittags in
der Schule von Garachico. Auch so ein Projekt von ihr. 40 Schüler hat
sie zusammengetrommelt und probt nun zweimal die Woche. "Und im
nächsten Jahr will ich ein Event-Cafe mit kleinem Theater eröffnen. Der
Bürgermeister hat schon zugestimmt“ Ihre blauen Augen strahlen, die
Arme fuchteln durch die Luft. Gebannt verfolgt sie, wie Josephine
vortanzt, die langen Beine durch die Luft wirbeln, dann springt sie auf
und tanzt mit.
Am Morgen hat sie - wie jeden Tag - in ihrem kleinen, weiß-rot
getünchtem Häuschen am Ende der Straße ("nix mit Finca oder so, wie
manche denken“) Frühstück gemacht, die Kinder zur Schule gebracht,
eingekauft, gewaschen, gebügelt, gekocht – und ihren Mann unbehelligt
gelassen, damit er schreiben kann. "Ich mache all das gerne - obwohl es
nervt, dass kaum sauber, jemand mit dreckigen Pfoten das Waschbecken
benutzt“, sagt sie und schwärmt dann noch von ihrem italienischen
Schweinebraten.
Klingt doch alles wunderbar. Warum also eine Revolution? "Weil es nicht
nur wunderbar ist“, sagt sie. Das letzte Jahr zum Beispiel. Ihr Mann,
der Kroetz, war viel unterwegs, hatte gedreht, inszeniert und sie
zuhause mit den Kindern gesessen, "alleinerziehende Mutter mit Mann
sozusagen“, einsame Abende verlebt und sich gesagt: Wenn ich nichts
mache, werde ich noch verrückt. Sie wurde krank. Eine
Schilddrüsenüberfunktion musste behandelt werden. "Ein Notsignal, das
mein Mann und die Kinder verstanden“. Sie wollte eine Welt für sich und
kaufte sich ein Laptop. "Trotz schlechtem Gewissen, weil ich ihn für
keine Arbeit brauche wie mein Mann und so ein Ding ja teuer ist.“ Kurz
darauf entstand die Homepage und die Revolution begann.
Bis zu 2000 Besucher täglich hat ihre Seite inzwischen, auf der sich
neben Rezepten, praktischen Tipps und Kurzgeschichten auch ein Forum
findet, in dem zeitweise heftig gestritten wird - über
Chancengleichheit von Männern und Frauen, Abtreibung oder Sex. "Sie
sollen sich den Frust von der Seele schreiben, sich nicht mehr einsam
fühlen, unsexy und minderwertig, weil sie ja "nur" zuhause arbeiten“,
sagt Marie-Theres Relin und träumt vom Hausfrauen-Gehalt und einer
speziellen Sozialversicherung. "Im letzten Jahr kam mir der Gedanke,
wie bin ich eigentlich abgesichert? Was würde ich tun, wenn der Franz
sich in jemand anderes verliebt?“
Dabei ist sie ja noch "privilegiert“, wie sie sagt. Im Herbst stand sie
das erste Mal seit zwölf Jahren wieder vor der Kamera für den kürzlich
ausgestrahlten Mallorca-Krimi Denninger. "Ein herrliches Gefühl,
eigenes Geld verdienen, wichtig sein, umsorgt werden.“ Plötzlich
interessieren sich die Medien wieder für sie, nicht mehr nur für die
Tochter der Schell oder die Frau vom Kroetz. Auch in Garachico, diesem
verschlafenen 6000-Seelen-Nest, sprach sich das herum. "Hey Marie, ich
will auch ein Foto“, ruft Pepe, der örtliche Fotograf ihr auf der Plaza
hinterher. "Bislang dachten die alle, Journalisten kommen wegen meines
Mannes.“ Sie strahlt und posiert für Pepe.
Stolz erzählt sie dann, wie ihr Mann während der Dreharbeiten zwei
Wochen die Familie versorgte und das richtig gut klappte. Überhaupt
lässt sie auf den Kroetz nichts kommen, ein guter Vater sei er, gar
nicht Macho und im Haushalt helfe er inzwischen auch und fügt dann doch
noch lachend hinzu, dass er manchmal in seinen Texten mehr Verständnis
für die Leiden der (Haus-)Frauen habe, als im wirklichen Leben.
Wie sie lebt, widerstrebt vielen jungen Frauen, das weiß sie. "Die
wollen erst Beruf, Karriere und dann irgendwann Familie. Aber dahin
werden sie von dieser kinderfeindlichen Gesellschaft gedrängt. Ist man
erst mal raus aus dem Job, kommt kaum eine wieder rein“, sagt sie. Dass
es Frauen gibt, die - wie auch manche Männer - keine Kinder wollen,
oder ihren Lebensinhalt im Beruf oder Hobby sehen, ist für sie schwer
vorstellbar. Und doch will sie diese nicht gegen Hausfrauen
ausspielen, "nur die Wahl sollten Frauen haben und sich nicht schämen
müssen, wenn sie sich entscheiden, die Familie zu managen.“
Am Abend im Restaurant kommt ihr plötzlich die revolutionäre Idee: "An
Muttertag sollten alle Frauen streiken. Aber nicht nur einen Tag,
sondern eine Woche. Kein Essen kochen, nicht putzen und auch die Nicht-
Hausfrauen bleiben der Arbeit fern. Das wär‘ doch was!“ Sie lächelt und
ihre Augen leuchten, als liefe dahinter gerade ein Film vom Stillstand
des Landes und ihrer Familie ab.