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Christel
Hausfrau oder nicht Hausfrau, wer nicht aufpasst,
bettet sich in beschissene Tage!


Ich habe ein vieljähriges Hausfrauenleben hinter mir und bin, Kinderlos und ohne Mann, wieder voll im Berufsleben. Niemand kritisiert meine vegetarische Kost, kein Fernseher, kein Mitrauchen und freie Freizeiteinteilung. Es könnte mir nicht besser gehen oder?

Eine gut gemeinte Geburtstagskarte meiner Cousine sollte sich als sehr aussagekräftig erweisen. Es zeigt eine Reihe von sechs Ferkel, die sich über einen Rand drängen und von denen man gerade noch die breiten Ärsche erblickt. Das Kommentar dazu war sehr nett und umschweifend, aber es ging offensichtlich ums Fressen und ich konnte mir meine eigene Interpretation nicht verwehren: „Hier sind sechs kleine Beispiele, wie andere vielleicht deinen Hintern sehen- breit, flach und unförmig!“ Am selben Abend habe ich meine Joggingrunde wieder aufgenommen, aber nach einigen Schwitzrunden gleich wieder verworfen und mir eine andere Übersetzung dieser Darstellung überlegt: „It’s time to show off your ass!“ Das heißt mit anderen Worten – SHOPPING! Nach einer Enkaufsmanie von einer Bluse, zwei Paar Schuhen und drei Garnituren Spitzenunterwäsche lag diese verdammte Karte noch immer auf meinem Nachttisch und ich konnte es mir nicht verwehren, sie abends immer wieder zu betrachten. Es viel mir schließlich ein Titel für dieses Bild ein, mit dem ich mich zufrieden stellen konnte: Move your ass, the brain will follow! Das sollte mein Vorsatz werden!
Es verging also mein Geburtstag und gleich darauf Neu Jahr.

Ein weiterer Brief meiner Cousine drängte auf Antwort, was ich denn so aufregendes in diesen Tagen erlebt habe.
Tja, an meinem Geburtstag kam um 7 Uhr morgens, schon völlig gestresst, eine Freundin vorbei, die, auf dem Weg zum Flughafen, für vier Wochen in den Urlaub fuhr und mir ihre beiden Wasserschildkröten zur Obhut übergab. Ich brauchte fast eine Stunde allein bis ich das Aquarium, mit einem Gurkenglas, ganz aufgefüllt und alle Pflanzen und Steine ordentlich platziert hatte. Ich war noch tief bedacht, wie ich es den Kleinen noch gemütlich machen konnte, als mir plötzlich ganz heiß wurde und mein Oberkörper furchtbar zu jucken anfing. Ich zog hastig mein T-Shirt aus der Hose und musste feststellen, dass ich eine kräftige Allergie gegen meine unschuldigen Gäste bekommen hatte und von Stirn bis Zeh mit roten, heißen Flecken bedeckt war. Der Zeitdruck lag mir aber schon im Gemüht und so sprang ich, mich nun an allen Körperpartien kratzend, in die Dusche, eilte, mich ständig verrenkend, auf dem Weg ins Büro noch schnell in eine Apotheke und musste mit rotem Kopf, mich auf meinem Stuhl heimlich welzend, durch den Arbeitstag quälen.
Nach Betriebsschluss wollte ich unbedingt Lebensmittel besorgen und mich mit einem exklusiven Essen verwöhnen, aber es kam anders. Chef und Angestellte hatten einen Tisch voller friss-und-stirb-Hüft&Herzsünden vorbereitet und es gab dieser Qual kein Entkommen.
Es wurde immer später und ich aß Kuchen und Kekse und trank die gleichen Mengen Sekt wie mein nächster Mitarbeiter (als wäre es Orangensaft), nicht so sehr weil mich, wie bei ihm, die Gier danach packte, sondern ich konnte den ganzen Abend nur daran denken, wie leer doch mein Kühlschrank war und dass ich bis auf eine Ingwerwurzel, ein Stück ausgetrockneter Parmesankäse und ein Glas eingelegtem Knoblauch, zuhause, an meinem Geburtstag, nichts mehr zu essen haben würde und ich selbst die letzte Flasche Wasser am Morgen bereits geleert hatte.
Dazu verspürte jeder noch den Drang, seine Urlaubsgeschichtchen loszuwerden und ich musste, artig und pflichtbewusst, bis zum Schluss bleiben. Es ging mir nicht aus dem Sinn, dass alle diese lieben Mitmenschen meinen Geburtstag verwendeten, um sich näher kennen zu lernen.
Das erste Mal in meinem Leben etwas beschwibst, aber im vollen Bewusstsein, denn ich ärgere mich immer noch über den verpatzten Tag, den Magen, der mir im Knie zu hängen schien und den Juckreiz, der aber fast schon ganz abgeklungen war, wackelte ich nach Hause, fütterte meine zwei Ziehkindern und panierte mich direkt auf die Matratze. Es blieb nur noch an etwas schöneres zu gedenken, wie den bevorstehenden Jahreswechsel zum Beispiel.

Eine Freundin kam für zwei Tage auf Besuch. Sie wollte dem ganzen Trubel der verwandtschaftlichen Silvesterfeier entfliehen und das angekündigte Spektakel eines prächtigen Feuerwerks von meiner Terrasse aus bestaunen.
Wir hatten also unter freiem Himmel unsere Plätze gemütlich vorbereitet, Wolle und Nadeln in Wartung genommen und der Mitternacht entgegengestrickt. Trotz der Handbewegung, waren Finger und Zehen sehr schnell steif und gefühllos und dazu kam, dass das Feuerwerk nicht den Anschein machte, pünktlich zu erstrahlen. Voller Spannung nahmen wir die gefüllten Gläser in die Hände und warteten auf die explodierende Lichterpracht. Um kurz vor eins hätten wir uns sogar über ein Glühwürmchen gefreut, aber wir saßen wie gezeichnet, mit erhobenen Champagnerflöten, festgefroren, in die Finsternis starrend, auf dieser kleinen Terrasse und wussten nicht genau, was mehr schmerzte, - die Enttäuschung oder das Bewegen der Gliedmaßen um ins Warme zu kommen.

So, meine liebe Cousine, die du an deinen Geburtstag von deiner Familie verwöhnt wurdest und einen wunderschönes, idyllisches Neu Jahr, mit Mann, Kindern und Freunden gefeiert hast. Ich glaube, du weißt mehr von meinen letzten Tagen, als du eigentlich wolltest, aber hab nochmals vielen Dank für deine Geburtstagskarte.