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Josephine Kroetz

Von der Sau zur Bergziege

"Na, Du alte Schlafmütze, gehst Du mit mir und den Hunden ein bisschen spazieren?“ fragt die sehr geehrte Frau Mutter um 10 Uhr in der Früh, ohne auch nur ein wenig Rücksicht darauf zu nehmen, dass ein ganz normaler Mensch (damit meine ich mich) um diese Uhrzeit noch keinen Bock hat überhaupt das Gehirn anzustrengen, um über diese betäubende und geradezu entmutigende Frage nachzudenken.
Also, Punkt Numero 1 (Numero = Lateinisch): IGNORIEREN.
Allerdings ist das schwerer als erwartet, denn denken Menschen von Natur aus, dass man sie nicht gehört hat, wenn man sie ignoriert... was die Wiederholung der Frage erfordert. Oder sie kommen zu dem schrecklichen Schluss, dass man sie nicht hören will, und müssen natürlich den Grund erfahren, durch eine Frage die meistens mit „Warum...?“ beginnt.
„Willst du spazieren gehen?“
Dies ist also die Wiederholung der Frage, die in Aller-Herr-Gotts-Frühe die beruhigende Vorstellung von einem entspannten Frühstück im Bett wie eine Explosion (schon wieder Lateinisch) zerstört, ohne Vorwarnung wohl gemerkt, und mich mit einem wehmütigen letzten Blick auf mein Kissen die entsetzliche Antwort geben lässt:
„Ja, Mama, ich geh mit.“ (Bin ich nicht mutig?!) .

Nun, jetzt überlegt mal. Wisst Ihr, worauf man sich da einlässt, wenn man total verschlafen im Auto sitzt auf dem Weg in eine einsame Schlucht und ein anderer neben dir die Chance nutzt und dich gleich mal (in der Früh) zu Tode zu quasseln, als wolle er die ganze Kraft aussaugen, so dass man wo möglich dann beim Bergsteigen einen Schwächeanfall bekommt und den kürzesten Weg per Luftpost wieder nach unten nimmt?
Doch das Gute an der Sache war, dass diese Person neben mir ja doch, per Zufall, meine leibliche Mutter war, die mich ja schon kennt und weiß, dass ich sehr viel Energie brauche. Also bin ich mit meiner Mami zum nächst besten Café. Und unterwegs drehten sich mindestens 5 Personen um und sagten zueinander: „Da schau mal wie nett, die beiden Geschwister.“

Nach getaner „Arbeit“ ging also der kleine Spaziergang los. Ich dachte mir noch: „Ne viertel Stunde rauf und ne viertel Stunde wieder runter.“ Ha, wie heißts doch so schön: Pustekuchen.
Da hatte ich nun den Salat, mein liebes Mama-Herzi wollte unbedingt einen neuen Weg einschlagen, den sie noch nie zu Ende gegangen war. Am Anfang fand ich die Idee ja noch ganz gut. Wie auch nicht, nach diesem Frühstück?
Doch hätte ich gewusst was da auf mich zukam, und es war nicht unbedingt was Gutes, hätte ich auf dem schnellsten Weg wieder umgedreht und hätte womöglich einen Krankenwagen angerufen, wenn mir meine heiß geliebte Mama nicht gefolgt wäre.
Aber was rede ich da, es geschah, wie das Wort „hätte“ deutlich macht, und ich werde es euch genau schildern.

Stellt euch vor: Ihr geht eine steile Schlucht empor und es gibt nur einen Weg, der logischerweise aufwärts führt, bzw. abwärts. Wir schlugen also diesen Eselspfad ein, der grad mal nen halben Meter breit war, und ließen uns anfangs von unseren Hunden ziehen. Nach einer halben Stunde merkte ich dann, dass der Berg doch überhaupt keine Anstalten machte aufzuhören, und meine Mutter sich mittlerweile nicht mal mehr runterschauen traute, woraus ich schloss, dass es theoretisch genauso weit wäre, meine Mama wieder runter zu bekommen, als bis nach oben zu gehen und dort etwas zu essen.

Tja, da hatte ich nun eindeutig falsch gedacht. Nach und nach ging uns die Puste aus, und wir rasteten das erste Mal. Im Stillen wünschte ich mir ein Klo herbei, und ich hatte das Gefühl dass meiner Mama das auch nicht ganz unrecht wäre. Doch trotzdem ließen wir uns nicht unterkriegen, und unser Stolz ließ es nicht zu, umzukehren.

Um die Sache etwas lustiger zu gestalten, sagte ich meiner Gefährtin, dass ich mir von nun an vorstellen würde, dass jeder Kaktus an dem ich vorbeikam (und ich sage euch, in der Gegend gab’s nicht wenige) ein netter junger Mann wäre. Doch diese Idee vergaß ich sehr schnell, Dank des geschockten Gesichts meiner Mum, als plötzlich ein Truthahn,der eigentlich ein Fasan war (Mama sagt Truthahn klingt nach Gefriertruhe) aus dem Gebüsch geschossen kam, und sie sich dadurch überwinden musste in die Tiefen zu schauen.
Auf dem weiterem Weg waren wir dann besonders vorsichtig, damit wir nicht mit den Indianern zusammenstießen, da meine Mutter steif und fest behauptete das irgendjemand das Vieh aufgescheut hatte (mit der Idee, dass vielleicht die Hunde die Ruhestörer gewesen waren gab sie sich nicht zufrieden). Mein Lachen unterbrach die Stille, dies kostete mich meine letzte Spucke, worauf ich Muttern fragte, ob sie mal so gnädig sein könne, mir in den Mund zu spucken. Sie schaute mich aber nur vorwurfsvoll an, was so viel bedeuten sollte, wie: “Liebling, mir wird schon schlecht wenn ich bloß runterschaue. Also hör auf mit dem Schmarrn, sonst kotze ich dir noch ins Gesicht!“ Wir brauchten also eine zweit Pause.

Wir gingen weiter, in der Hoffnung bald Wasser zu finden, mit steigender Zuversicht, da der Gipfel des Berges immer näher rückte. Unterwegs kamen wir noch an unendlich vielen Kakteen vorbei, an schwarzen Käfern und an Klobürsten, äh Entschuldigung, ich meine an riesigen Blüten eines Kaktus, die aber wahnsinnige Ähnlichkeit mit einer Klobürste haben...

Als wir schon kurz vor dem Sturz in die Tiefe standen, weil wir immer noch nicht oben angekommen waren, näherte sich endlich der erste und einzige Mensch, den wir auf unserem ganzen Weg treffen sollten:
Es fing mit dem Klingeln kleiner Glöckchen an, die dazu führten, dass man glatt dachte: “Oha, da sind wir ja jetzt echt weit gegangen, dass wir auf ner Österreichischen Alm raus gekommen sind." Dieser Gedanke hatte auch so seine Auswirkungen: während ich wie ein junges Reh herumhupfte, und immer wieder das Wort Milch wiederholte, fing doch die Sau neben mir glatt an das Lied aus der Milka-Werbung zu singen.
Ihr könnt euch also unsere Verwirrung vorstellen als wir einen Hirten und seine Ziegen sahen! Wir ließen uns aber nichts anmerken und wollten nur rasch wissen wie lange es noch bis zum nächsten Ort war: „Ja, so ne dreiviertel Stunde.“

Hilfe lieber Gott, wie konntest du uns das nur antun? Nach langem Nachdenken kam meine Frau Mutter dann zu dem sehr hilfreichen Entschluss: „Entweder müssen wir rauf oder wieder runter.“ Dadurch war das Problem natürlich dann gelöst. Wir setzten uns, und hielten Kriegsrat während Mama eine Zigarette rauchte.

Nach langem Denken gingen wir weiter aufwärts und kamen an ein paar verfallenen Häusern vorbei, die dann den Namen „Fines Finca“ verpasst bekamen. Dort könnte man sagen, haben wir die letzten Worte miteinander geredet, denn uns blieb die Spucke weg, und ich hatte mittlerweile das Herz im Hals und schluckte immer wieder mal, in der Hoffnung, dass es mir unterwegs nicht aus dem Mund rausplumpste. Der Weg wurde immer steiler, man sah nur noch Bäume, was Mama natürlich als Vorteil sah, und wir machten an jeder Kurve halt.

Schlussendlich kamen wir am Kamm des Berges an und sahen zu unser Linken Los Silos, wo unser Auto stand, das man aber von dort oben nicht mehr sah, und zu unser Rechten El Palmar, wo wir theoretisch hinwollten. Das Problem war nur das beide Dörfer gute 1500 Meter unter uns lagen, und man einen Hubschuber gebraucht hätten, den wir auf die Schnelle natürlich nicht dabei hatten.

Da warn wir also, da wo die Farbe der Erde langsam rot wurde. Wie hatten nur einen kleinen Trost: Nach dem Hirten mussten wir nur noch eine Viertel Stunde gehen um in das Dorf zu kommen. Allerdings stellet sich heraus, dass wir nach exakt einer viertel Stunde nicht in El Palmar waren, sondern an einem Schild, wo draufstand das es nach El Palmar noch eine Stunde zu Fuß war( mit Auto stand nicht drauf, da der Weg nur einen halben Meter Breit war).

Also gingen wir weiter. Schlussendlich musste ich meinen Hund ziehen, während Mamas Hund dachte, desto fester er zieht, desto eher sind wir da. Und Muttern, die hinter mir ging, behauptete steif und fest, dass ich wie eine Schwuchtel aussah. Unter normalen Umständen hätte mich das geärgert, aber wir waren ja Meilen entfernt von der Zivilisation...

Nach unzähligen Kurven und Steinen war dann doch das erste Auto in Sicht. Zu dieser freudigen Überraschung äußerte sich mein Magen spontan und kündigte an, dass er sofort was zu Essen bräuchte, sonst würde er es mich spüren lassen.
So kehrten wir also in eine Hendl-Bude ein, wo Mama über ihre Beine klagte, die sie spürte wie noch nie. Ich äußerte mich nicht dazu, denn meine Beine spürte ich mittlerweile gar nicht mehr... abgestorben.

Nachdem wir ordentlich gegessen hatten, und sich der Kellner darüber gewundert hatte, dass keinen Knochen vom Hendl übrig geblieben waren und sich Weiß-Gott was gedacht hat, ging’s weiter, diesmal aber auf einer Straße, und bergab.

Scheintot kamen wir in Buenavista an, wo Mama den Bus nahm, und ich mit den Hunden wartete bis Mama mich mit dem Auto abholte (Hunde dürfen in Spanien nicht im Bus fahren).

Wir schafften es dann auch noch, uns nicht mehr zu finden in dem kleinen Ort, und freuten uns wie Schneekönige, als wir uns dann per Zufall wieder über den Weg liefen!

Jetzt bin ich daheim, und werde die nächsten 3 Jahre nicht mal mehr einen kleinen Spaziergang mit den Hunden machen, aber bestimmt mal wieder eine Wanderung mit meiner großen Schwester M.Th..