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Petra Plaum

Plädoyer für viele Kinder


Die Nachrichten verkünden es, die Politiker beklagen es, und meine Freundinnen finden´s prima, sind sie doch nicht mehr allein: Die Deutsche weigert sich, zu gebären. 30 - 40 Prozent der Akademikerinnen, meinen verschiedenen Studien, lassen das Fortpflanzen inzwischen ganz sein. Rechnet man die hinzu, die was Gescheites gelernt haben und das Studieren bleiben ließen, bringt es die deutsche Frau auf magere eineindrittel Kinder im Leben.
Tja. Ich kann mich da entspannt zurücklehnen, habe ich doch meine demographische Pflicht mehr als erfüllt. Drei süße Mädels nenne ich mein eigen, gezeugt aus Liebe, geboren mit dem mir verbliebenen Hauch von Idealismus und großgezogen mit – ja, auch Flüchen und Jammerattacken, bin ja auch nur menschlich, doch dazu mit Freude und Hingabe. Die Kinder sind zwei, eins und eins und gottlob gesund und wir ernähren sie vom Geld, das mein Mann verdient (muss heutzutage schon erwähnt werden – heißt es doch sonst immer, Großfamilien leisten sich nur die Sozialhilfeempfänger, von wegen: größere Wohnung gratis, Windeln frei und so weiter). Tag für Tag packe ich meine lärmende Brut in einen einsfünfzig langen Drillingswagen und schiebe sie durchs Dorf, teils ächzend unter der Last, teils ganz verliebt in den eigenen Nachwuchs, je nach Stimmung desselben.
Wildfremde Leute kommentieren meinen Kindersegen gerne mit den Worten: "Um Gottes Willen, wenn mir sowas passieren würde, täte ich mich aufhängen!" Dem halte ich entgegen: Leidensgenossinnen, erspart Euren Lieben die Sauerei mit der Leiche, nehmt es mit Humor! Und sammelt in den (wenigen) stillen Momenten Argumente dafür, warum (mindestens) drei Kinder eigentlich ein Segen sind.

Hier sind meine zehn Lieblingsgründe:

1. Dreifach-Mamas brauchen nicht perfekt auszusehen
Der Hintern passt kaum mehr durch die Tür und wird auch noch durch grellfarbene Leggings hervorgehoben, das Gesicht schreit nach Farbe und der Wildwuchs auf dem Kopf nach einem Frisör? Kam mir früher eine junge Frau so entgegen, schossen mir die fiesesten Lästereien durch den Kopf: Kaum verheiratet, schon lässt sie sich gehen. Erst ab, sagen wir, drei Kindern ließ ich so ein Äußeres gelten.
Heute weiß ich: ein einziges Schreikind, und Schminken und Hairstyling werden zur Zeitverschwendung (lieber noch ein halbes Stündchen ins Bett...), Sport und leichte Küche zur Folter (jede Mama braucht Nervennahrung) und als Kleidung wählt frau halt die, die gerade nicht verfleckt oder bügelbedürftig ist (notfalls eben die 15-jährigen Leggings). Ganz ohne mieses Gewissen. Bei dem Stress, den drei oder mehr Kinder bedeuten, MUSS eine Mutter quasi schlecht aussehen, das erwartet die Gesellschaft richtiggehend.
Für etwas Anerkennung brauchen wir Großfamilienglucken also nicht mehr wie zu Teenagerzeiten das große Programm mit Sport, Vollbad, Solarium und so weiter. Bei mir reicht es jetzt, etwas Rouge auf die fahlen Wangen aufzutragen, die Haare ausnahmsweise in Form zu föhnen und die Kleidung so zu wählen, dass es aussieht, als hätte ich schon wieder eine Taille. Schon bin ich mir der Komplimente aller Nachbarn bewusst: "Gut siehst du aus – für DREI KINDER!"

2. Dreifach-Mamas lernen, lernen, lernen
Kinder großziehen ist wie ein Studium. Mit jedem Kind und jedem Jahr hauptberuflicher Erziehungstätigkeit lernt die Mutter etwas dazu – hier ein paar medizinische Grundkenntnisse, da einen Brocken Pädagogik, dazu Psychologie, Hauswirtschaft, Ökonomie, Ökologie...Jede Hausfrau könnte noch einiges ergänzen. Wie eine Studentin, so ist auch die junge Hausfrau spätestens ab Kind Nummer zwei chronisch pleite. Wie die Studentin, isst auch sie unregelmäßig und meist Minderwertiges – Brotrinden, Apfelschalen, kaltgewordenes Gemüse, was die Kleinen halt selbst nicht futtern wollen. Und die Schlafenszeiten Studierender decken sich so ziemlich mit denen junger Eltern: zu kurz, viel zu kurz. . .
Aber was tun wir nicht alle für etwas Bildung! Wer mit offenen Augen durch die Zeit mit den Kleinen geht, sammelt einen veritablen Wissensschatz in verschiedensten Fachgebieten und lässt sich hinterher von keinem Prof. Dr. mehr ein X für ein U vormachen!

3. Dreifach-Mamas werden schlagfertig
Eine junge Frau mit drei kleinen Kindern fällt auf. Die Leute stieren, starren, gaffen, tuscheln und schnauben, im besten Falle heißt es: "Wie süß, drei Kleine auf einmal!", im schlimmsten: "Um Gottes Willen, wie schrecklich!" Bei letzteren hilft nur Schlagfertigkeit. Ich reagiere gern mit "Einmal Glotzen 50 Cent", mein Göttergatte favorisiert den Spruch: "Das sind nur die Jüngsten, die drei Älteren sind zuhause geblieben. Und ja, wir leben von der Stütze. Dafür haben wir uns doch gut gehalten, oder?"

4. Dreifach-Mamas haben immer EIN niedliches Kind
Baby Amelie allein brachte uns oft zum Verzweifeln: Die Kleine schrie, wenn sie schlafen sollte, spuckte herum, wenn sie essen sollte und motzte, wenn sie stillsitzen sollte. Wie sehr genossen wir da jedes Lächeln, jedes fröhliche Gurren, jede von Amelies Schlafstunden! Diese schönen Momente gibt es nun dreifach.
EIN Kind kann immer zum Lichtblick werden: kreischt Amelie, weil es statt Saft nur Tee ins Fläschchen gibt, bringt mich ein Blick auf die grinsende, strampelnde Pauline in ihrem Laufstall wieder zur Ruhe. Brüllt Johanna abends vor dem Einschlafen, entzückt mich Amelie mit einem Schmuseanfall und dem zärtlich hingehauchten "Liebe, hübsche Mama!". Und manchmal gibt es auch das: drei reizende kleine Mädchen kuscheln sich auf meinem Bett aneinander und strahlen um die Wette. Sind wach, friedlich und einfach gut drauf. So etwas Entzückendes kriegen wirklich nur Dreifach-Mamas zu Gesicht!

5. Dreifach-Mamas lernen die einfachen Dinge wieder zu schätzen
Ein Steak genießen, Bissen für Bissen, am besten auch noch warm, und das ohne Gebrüll im Ohr! Auf dem Abort ein großes Geschäft verrichten ohne Begleitung eines anhänglichen Kleinkindes, das mit der Klobürste nach der Rolle hangelt! Sechs Stunden Schlaf AM STÜCK! Von einem TV-Sketch die Pointe mitbekommen! -- Die kleinen Freuden, die pre-Baby ganz selbstverständlich waren, sind nun Luxus und hochbegehrt. Wer mir eine Freude machen will, der lasse die Blümchen daheim (die bei mir eh vertrocknet wären) und nehme mir einen der 20 Windelwechsel des Tages ab. Juhu, fünf Minuten länger gute Luft für mich!

6. Dreifach-Mamas brauchen keinen perfekten Haushalt anzustreben
Vorne ordne ich Geschirr in den Küchenschrank ein und hinten räumt Johanna die Tupperschublade aus. Unterm Fenster wische ich Saftflecken vom Boden und hinter meinem Rücken malt Amelie rote Buntstiftkringel aufs Laminat. Kaum habe ich einen Spülgang hinter mir und möchte abtrocknen, schreit Pauline, weil ihre Windel überläuft – nach dem Wickeln ist das Geschirr trocken und mit Kalkflecken übersät. Kinder sind die natürlichen Feinde eines ordentlichen Haushalts. Und ich bin kein Opferlamm: Liegen um kurz vor elf nachts endlich alle in der Koje, werde ich bestimmt keinen Großputz starten, sondern lege mein müdes Haupt ebenfalls aufs Kissen. Wer weiß, wann die Nacht wieder endet?
Seien wir ehrlich: bei mir sah’s vor den Kindern auch nie blitzeblank aus. Doch da galt ich als schlampig, heute bin ich – nun, anderweitig zu beschäftigt. Und so gönne ich mir ohne schlechtes Gewissen eine Haushaltshilfe für das Großreinemachen, die das nicht nur doppelt so schnell, sondern auch doppelt so gut hinbekommt wie meine Wenigkeit. Wer mich nun als faul abstempelt, dem leihe ich gern für einen Tag all meine Töchter!

7. Dreifach-Mamas kommen die banaleren Sorgen von Singles und Einkindmüttern schnell abhanden
"Soll ich das Kind nun beim Babyschwimmen anmelden oder eher im PEKiP? Mit anderthalb in die Musikschule oder lieber zunächst mal ins Turnen? Darf die Kleine mit einem Jahr noch Fläschchen nuckeln, und wie glückt die Sauberkeitserziehung mit anderthalb?" Solche Fragen stellte ich mir genau 15 Monate lang – zwischen der Geburt der ersten und denen der anderen beiden Töchter. Dann erledigte sich alles wundersamerweise von allein.
Die ganzen netten Frühforderungskurse kann frau sich ab dem 2. Kind locker sparen, es sei denn, Oma kommt mit – und die wohnt bei uns zu weit weg. Fläschchen darf Amelie noch mit 2 Jahren nuckeln, natürlich nur mit klarem Wasser nach dem Zähneputzen, aber alle Abgewöhnungsrituale würden mich zurzeit zuviel Energie kosten. Und eineinhalb Stunden neben dem Topf sitzen, bis Mini – "feinen Stinki gemacht, prima!" – endlich etwas Runterspülbares absondert, kann ich auch nicht – was täten inzwischen die Fast-Kleinkinder? Richtig, Unsinn machen. Im Sommer mit Nackepo wird sich das mit dem Wickeln hoffentlich von selbst erledigen, und ansonsten vertraue ich darauf, dass zwei Babyschwestern unterhaltsamer sind als jeder Kleinkindkurs.
Ganz von vorgestern sind Sorgen wie: In welchen Kinofilm muss ich jetzt gehen? Antwort: in keinen. In zwei Jahren kommt jeder umsonst im Fernsehen, ohne dass dafür ein Babysitter her muss!

8. Dreifach-Mamas geben locker jedes alte Hobby auf...
...und finden uralte Lieblingsbeschäftigungen wieder. Statt tanzen zu gehen, drehe ich mit Baby auf dem Arm im Wohnzimmer Pirouetten. Statt Gesangsunterricht zu nehmen, damit jeder Ton sitzt, singe ich für meine Kleinen schräg alte Kinderlieder und erfinde die Liedzeilen, die ich vergessen habe, einfach neu. Und ade, ihr geliebten Fernreisen – eine Fahrt mit Dreien in die Nachbarstadt ist Abenteuer genug. Dass ich jetzt mein Uralthobby Schreiben wieder entdeckt habe, ist auch Verdienst meiner Kleinen: Schreiben ist so ziemlich das Einzige, was ein Mensch überall zu jeder Tages- und Nachtzeit ausüben kann und was weder lärmt noch giftige Gase absondert noch Geld kostet. Schön auch: was ich heute schreibe, findet sich morgen auf meiner Festplatte noch wieder. Was ich jedoch gleich in eine Schublade räume, mag sich in zehn Minuten, Amelie sei Dank, schon wieder ganz wo anders befinden...

9. Dreifach-Mamas müssen nie wieder arbeiten gehen...
...erwartet zumindest die Gesellschaft. Hausarbeit an und für sich ist zwar nicht als Arbeit anerkannt, aber drei Kinder, so sah es sogar meine Ex-Chefin (ein Kind plus Hausmann) "sind dann doch ein richtiger Beruf". Drei Kinder großziehen garantiert für die Abwesenheit von Langeweile – über Jahrzehnte hinweg. Doch Fakt ist: viele Dreifachmamas, die ich kenne, arbeiten eben doch wieder. Gründen eine Ich-AG, verkaufen von zuhause aus Kühlschränke in die Antarktis, geben Zeitmanagementkurse und so weiter, und so weiter. Denn wer drei kleine Menschen durch die ersten Jahre begleitet, hat gute Nerven, Kreativität und Vielseitigkeit bewiesen und freut sich, wenn er zur Abwechslung mal Geld und Anerkennung dafür einheimst. Besonders beliebt bei Großfamilienmamas: der Auswärtsjob mit Sekretär(in). "Wie gemütlich und ruhig ist es doch im Büro", freut sich die eine und "herrlich, jemand anders kocht MIR Kaffee" die nächste. Blöd nur, dass die Jobs, die wir Mehrere-Jahre-nur-zuhause-Schaffenden ergattern, meist weniger einbringen als die Ferieneinsätze der achtzehnjährigen Schülerin, die mal eben nebenher ein paar Euro braucht. Eine Hausfrau muss ja froh sein, wenn sie überhaupt einen mit der Familie kompatiblen Beruf findet, richtig? Aber keine Panik. Denn es gibt Menschen,die daran arbeiten, dass das mit der Zeit anders wird und fairer zugeht. Viele davon sind übrigens Drei- und Mehrfachmamas. . .

10. Dreifach-Mamas widersetzen sich dem Konsumzwang
Jawohl! Wir brauchen keine Fernreisen und unsere Kinder keine Nokia-Video-Game-Musikselberschneid-und-was-weiß-ich-noch-Handies: Wir können uns sowas nämlich nicht leisten. Mal ehrlich: Riesenwohnung oder -haus, Müllgebühren für fünf, ein Schluckspecht von Familienauto und kistenweise Gesundfutter für alle gehen ans Portemonnaie. Also üben wir Verzicht. Leben im Sinne der katholischen Kirche: fruchtbar, aber bescheiden. Wie sagte meine Mama doch so schön vor 20 Jahren, wenn die anderen Kinder über meine C&A-Kleidung lästerten? "Auf den Inhalt kommt es an, nicht auf die Verpackung." Statt Markenklamotten hatte ich damals: zwei Geschwister. Statt Reichtum habe ich heute: zwei Geschwister, inzwischen ein Patenkind und drei eigene Kinder. Und die Gewissheit: sollten mal alle Stricke reißen in meinem Leben, meine Familie fängt mich auf. Und mein Humor. Und die Tatsache, dass ich ohne Fernreisen und Superhandy überleben kann.