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Dorothee Sachinian

TRILOGIE... vom Tee, der sich selber kocht


Eines schönen Tages wurde der Pater Familias wieder einmal schmählich von allen seinen Lieben allein gelassen.
Es dürstete ihn.
Im Allgemeinen fand er sonst alles so vor, wie er es sich wünschte. Wirklich selten einmal war er vollkommen unzufrieden.
Hausgeister, die ihm überwiegend wohl gesonnen waren, lasen ihm seine Wünsche von den Lippen ab. – Wobei es den Unterschied zwischen einem großen, guten Hausgeist und den weniger zuverlässigen, kleineren Hausgeistern gab. Man(n) musste Rücksichten auf ihre Tagesform nehmen.
Der Pater Familias ging in ein kleines luftiges Kämmerchen, in welchem die Speisen zubereitet und die Vorräte aufbewahrt wurden.
Er fand die große Kanne, aus welcher er immer seinen Tee zu trinken pflegte.
Es war nicht leicht, sich hier zurecht zu finden, doch das würde er schon schaffen.
In einem kleinen blauen Schränkchen fand er mehrere Schächtelchen, die er öffnete, um an ihrem Inhalt zu riechen.
Es duftete herrlich nach frischer Pfefferminze, beruhigender Kamille und wohltuendem Fenchel.
So mischte sich der Pater Familias ein bisschen von allem in seine Kanne.
Das würde ihm gut tun!
Das Gefäß, welches zum Kochen des Wassers vorgesehen war, schien ihm bekannt und so füllte er es flink und in freudiger Erwartung mit Wasser.
Ein winziges Hebelchen musste betätigt werden und so würde das Wasser innerhalb kurzer Zeit kochen. Der Durstlöscher würde dampfend und heiß auf dem Tisch stehen und mit seinem Aroma den ganzen Raum erfüllen.
Doch bis es soweit war, würde der Mann sich die Zeit anders vertreiben. Es würde etwas dauern, bis das Wasser kochte und diese könnte er sinnvoll mit anderen Tätigkeiten ausfüllen.
So setzte er sich in seinem Lieblingszimmer auf seinen Lieblingsplatz und schrieb lange Korrespondenzen mit Freunden in aller Welt.
Die Zeit wurde darüber vollkommen vergessen.
Das Teewasser hatte fröhlich blubbernd gekocht und erkaltete schon wieder, ohne seiner eigentlichen Bestimmung zugeführt worden zu sein.
Da plötzlich erschien der große, gute Hausgeist.
Er dachte sich, dass es doch zu bedauern sei, wenn dieses Wasser umsonst gekocht hätte – und vor allem war der arme Mann immer noch ohne sein Lieblingsgetränk.
Er musste dursten!
So entschloss sich der große, gute Hausgeist dazu, das Wasser ein zweites Mal aufzukochen.
Bald sprudelte es über die getrockneten Kräuter und ergab mit diesen zusammen einen wohlriechenden Sud.
Um diesen möglichst lange heiß zu erhalten, verschloss der Hausgeist die Kanne bald und beauftragte einen der kleineren Hausgeister, dieses Gebräu in das Lieblingszimmer des Pater Familias zu bringen.
So erinnerte dieser sich an sein Vorhaben Tee zu kochen, welches er nicht zu Ende geführt hatte.
Er bedankte sich freundlich bei dem kleinen Hausgeist und ließ sich noch einen irdenen Becher bringen.
Er füllte das Gefäß mit dem Getränk und stutzte dann jedoch:
"Hatte ich den Tee gemacht?", fragte er.
Der kleine Hausgeist verneinte und merkte an, dass zwar alles zur Zubereitung des Tees bereit gestanden habe, doch die Arbeit war inmitten liegen gelassen worden.
In so einem Falle mache der Tee sich selbst.
So oft der Durstende auch Tee zubereitete und seine Arbeit in der Mitte verließ, so oft fand er seinen fertigen Tee vor.
Es musste richtig sein, was der kleine Hausgeist ihm berichtet hatte:
Der Tee kocht sich selber!


So! Meinen Großeinkauf für diese Woche habe ich erledigt. Hoffentlich habe ich nicht allzu Vieles vergessen.
Die Läden sind vor den Feiertagen so voll, dass ich sicher bin, einige wichtige Posten der Einkaufsliste, die ich im Kopf habe, doch noch nicht abgehakt zu haben.
Egal jetzt! Ab nach Hause.
Kleinigkeiten kann ich ja immer noch mit dem Fahrrad erledigen.
Die Straßen sind schon am frühen Morgen vollgestopft und der kurze Weg aus den geschäftigen Läden nach Hause scheint schier unendlich zu sein.
Zu Hause angekommen, fahre ich unser Familienauto direkt vor die Haustür, damit ich die große Zahl von Stofftaschen in welche ich fast alles gestopft habe, nicht so weit schleppen muss. – Größere Vorratskisten sollen gleich in den Keller.
Ich stoße die Wohnungstür auf und stelle schnell meinen Fuß `rein, damit sie mir nicht gleich wieder zuschlägt.
Gleichzeitig recke ich mich nach mehreren der Taschen, welche ich in einem Riesenhaufen auf der Fußmatte verteilt habe.
Nebenbei kann ich unser Kätzchen gerade noch daran hindern, aus der Haustür zu springen.
Ich bin im Flur angekommen, die Taschen sollen nun auf der Arbeitsplatte in der Küche ausgepackt werden.
Da ich dort nur sehr wenig Platz habe, trage ich immer nur höchstens zwei von den Beuteln in die Küche, denn allein die Höhe der Arbeitsplatte wird mir wenigstens diese Arbeit erleichtern. – Mein Rücken!
Nee! Ne!?
Da steht sie wieder! Die 2l- Isolierkanne meines Mannes.
Der innere Deckel mit dem Zuleitungsrohr liegt, weil schon benutzt, nass daneben.
Die Teebeutel vom letzten Durchgang liegen ein paar Zentimeter weiter in ihrem Pfützchen, weil im Gefäß für den Biomüll kein Platz mehr ist – das quillt über.
Davor steht der Wasserkocher, wie fast immer nur noch lauwarm, weil zwar alles vorbereitet wurde, aber der Tee niemals aufgegossen wurde.
Das Kabel des Wasserkochers versperrt mir auch noch den Rest der Arbeitsplatte – auf dem Ceran-Kochfeld will ich die Taschen nicht abstellen und kann es auch gar nicht, denn da liegen ungefähr drei geöffnete Kräutertee-Päckchen.
Um den Kocher herum schwimmt ein See, da er zu voll war, als das Wasser das erste Mal kochte und alles über die Ufer ging.
Ich stöhne auf, stelle meine Taschen ab.
Während das Wasser ein zweites Mal aufkocht, beseitige ich den Biomüll, wische Pfützen auf und bringe den fertigen Tee zu meinem Schätzchen.
Wie immer hat er sich bei Diskussionen mit Freunden in aller Welt im Internet verheddert.
Ich übe Nachsicht, denn e i n e Person mehr in meiner winzigen Küche und sie platzt auseinander!
Kurz davor bin ich ja schon allein!
Inzwischen ist Niko aus der Schule zurückgekehrt, wegen Freistunde.
Wieder fällt Unterricht aus! Ich frag` schon gar nicht mehr nach.
Gleich bringt er die von mir vergessene Tasse zu seinem Vater und wird gefragt:
"Hatte ich den Tee gemacht?"
"Nee, der Tee kocht sich selber."
Die ironische Antwort belehrte ihn eines Besseren.
Gerade war ich in der Schule angekommen, da wurde ich von Vince ausgebremst:
"Geschi fällt schon wieder aus!"
Sch...! Erstens mag ich Geschichte gern und zweitens liegt nach dieser Stunde, welche jetzt also ausfällt, noch eine Freistunde.
"Ich geh` wieder nach Hause!", teile ich ihm mit. "Hier `rumhängen macht keinen Sinn."
Ich komme gerade zu Hause an, als Mama auch mit ihrem Einkauf eingetrudelt ist und einräumt. Papa verlangt sofort nach einer Tasse für seinen Tee.
Als ich ihm die bringe, fragt er zerstreut, wie er immer ist:
"Hatte ich den Tee gemacht?"
Klar hatte er ihn nicht fertig gemacht und da hab` ich dann nur gesagt:
"Nee, der Tee kocht sich selber."

Auf den Standpunkt kommt es an.
Aber wisst Ihr was: Ich denke, er glaubt es immer noch:
Der Tee kocht sich selber.
Ehrlich!!