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Christian Nürnberger

Die Strahlefrau und ihr Schattenmann


Es wird Zeit, dass ich meinen Leserinnen erkläre, wie es sich eigentlich mit Katja und mir verhält. Einige wissen es vielleicht schon, denn ich habe die Geschichte schon häufiger erzählt. Ich muss sie an dieser Stelle jetzt erzählen, weil es ja darum geht, zu erklären, wie sich das Private mit dem Weltgeschichtlichen verschränkt, und das wird an dieser Geschichte exemplarisch erkennbar.
Ich widme diese Geschichte den sich aufopfernden Müttern und den egoistischen Powerfrauen, die sich seit einiger Zeit bekriegen, wobei die Opfermütter gerne auf nicht ganz astreine Weise von ihren Gatten unterstützt werden, aber nicht, wie es ehrlich wäre, mit dem schlichten Argument, dass sie selbst als Männer am meisten vom Opfer ihrer Frauen profitieren, sondern mit dem schwergewichtigen staatstragenden Argument, dass die egoistischen Powerfrauen an der Misere des Standorts Deutschland schuld sind.
Weil sie sich auf Teufel komm raus selbst verwirklichen und unbedingt einen Beruf ausüben möchten, statt, wie es ihres Amtes wäre, Kinder in die Welt zu setzen und großzuziehen, nehmen sie den Männern die Arbeit weg und produzieren so die gegenwärtige Arbeitslosigkeit, behaupten die Opfermütter und noch lautstärker deren Gatten, denen es schon lange auf die Nerven geht, sich im Kampf um die nächste Beförderung auch gegen weibliche Konkurrenten durchsetzen zu müssen. Und weil diese ewig nervenden Emanzen keine Kinder mehr kriegen, produzieren sie die künftige Arbeitslosigkeit, gefährden die Renten und überhaupt die ganze Zukunft unseres Standorts.
Diejenigen Frauen, die zwar Kinder kriegen, aber im Beruf bleiben möchten und darum nach staatlicher Kinderbetreuung und Ganztagsschulen rufen, sind auch keine Lösung, denn das kostet alles ungeheuer viel Geld, und außerdem führen Ganztagsschulen nur dazu, dass der Staat den Eltern die Kinder wegnimmt und so die Hoheit über die Kinderbetten an sich reißt. Etliche Standortkommandanten versuchen daher, diesem ganzen Emanzenspuk ein Ende zu bereiten und sämtliche Egoistinnen mit der Keule des demografischen Faktors wieder in die Küche und die Kinderproduktion abzukommandieren.
Wertvolle Dienste für dieses Projekt leisten die zu Hause waltenden Mütter, die sich geschickt als Opfer der sich selbst verwirklichenden Egoistinnen präsentieren und behaupten, von diesen wechselweise als beautyfarmbevölkernde, tennis- und golfspielende Luxusweibchen niedergemacht zu werden oder als unbedarfte, etwas rückständige, geistig zurückgebliebene, unselbständige Hausmuttchen in der Kittelschürze, die ab ungefähr dem 40. Lebensjahr täglich damit rechnen müssen, von jenem Gatten, dem man sich geopfert hat, entsorgt und durch ein jüngeres Modell ersetzt zu werden.
Ja doch, es ist ein richtiger Kulturkampf, der da tobt, und ich bin, ohne dass ich es wollte, mitten hineingeraten, genau zwischen die Fronten. Daher kann ich beide sehr gut verstehen, möchte ihnen aber gerade deshalb energisch zurufen: Nun macht mal halblang. Kommt mal wieder herunter. Lockert euch mal durch, und bitte, ihr verrennt euch da in etwas, aus dem ihr später nicht mehr herauskommt.
Wie das im Kampfgetümmel so ist, man stößt auf taube Ohren und kriegt von beiden Parteien eins übergebraten. So opfere auch ich mich auf. Ich habe mein Leben dem Frieden zwischen den Geschlechtern geweiht, und das ist, wie Sie gleich erfahren werden, wahrlich kein Zuckerschlecken.
Es begann bereits beim Balzritual der Brautwerbung. Ich hatte mich damals gerade intensiv mit den Verbrechen des Patriarchats auseinandergesetzt, war daher in entsprechender Büßerlaune und trug meiner Angebeteten an, stellvertretend für mein Geschlecht Sühne zu leisten.
Als konkrete Maßnahme schlug ich ihr vor, ihr bei der Heirat ihren Namen zu lassen und selbst einen Doppelnamen anzunehmen. Das gefiel meiner Angebeteten wohl. Katja – wie Sie inzwischen erfahren haben, zur Sorte „egoistische Powerfrau“ gehörend – Katja bestand zwar noch darauf, dass ich auch all die anderen zu einem ordentlichen Balzritual gehörenden Teile gewissenhaft ausführte und mich an die vorgeschriebene Reihenfolge hielt, aber im Grunde hatte ich sie mit meiner Schuldeinsichtsfähigkeit und Bußfertigkeit schon im Sack.
Einen weiteren Meilenstein auf dem Weg des Friedens zwischen den Geschlechtern setzte ich dann, als sich uns die Frage „Kind oder Karriere“ stellte und ich Katja großzügig den Vortritt ließ. Seitdem macht Katja eine kometenhafte Karriere, mit Folgen, die ich bei meinem aus heutiger Sicht etwas voreiligen Rücktritt wohl nicht ganz überblickt hatte.
Sie ist ja inzwischen als Vize-Chefin der weltweit größten Unternehmensberatung und Präsidentin des Bundesverbands der Deutschen Industriestandortkommandanten eine öffentliche Person, gern gesehener Gast bei Sabine Christiansen, Maybrit Illner und den eher bunteren Talkshows, und so konnte es nicht ausbleiben, dass sie in die eine oder andere Talkshow als Mitbringsel mich mitschleppen und der neugierigen Öffentlichkeit den Mann an ihrer Seite präsentieren musste.
Nun sind Talkshowmoderatoren auch nur Menschen, weshalb auch der beste Moderator seine Grenzen hat. An diese Grenzen geraten die Moderatoren bevorzugt im Angesicht meiner Person, was man daran erkennt, dass Ihnen eigentlich nur eine einzige Frage zu mir einfällt, und die lautet: Wie kommen Sie damit zurecht, Harry, im Schatten Ihrer erfolgreichen, prominenten Frau zu stehen?“
Die Frage kann der Schattenmann natürlich gut verstehen, denn für einen TV-Moderator, der sein Lebensziel – die regelmäßige Präsenz auf dem Bildschirm – glücklich erreicht hat, muss es eine Horrorvorstellung sein, seinen Ehepartner statt sich selbst in der Glotze sehen zu müssen.
Ich als gelernter ModeratorInnenversteher habe mir auf diese Standardfrage die Standard-Antwort ausgedacht: Wieso Schatten? So, wie die Sonne den Mond anstrahlt, und dieser mit seinem Abglanz die Welt und die auf ihr wandelnden Liebespaare erleuchtet, so strahlt meine Frau mich an, und so erleuchte ich mit meinem Abglanz die Welt und die in ihr talkenden Fernsehmoderatoren.
Diese Lüge hat sich bewährt.
Eine andere erfolgreiche Lüge, die ich über diverse Talkshows, Interviews und Publikationen weiträumig gestreut habe, lautet, dass ich Katja aus lauter Liebe zu ihr, aus einem leidenschaftlichen Gefühl für Gerechtigkeit heraus und im Bewusstsein der Schuld, die sich mein Geschlecht durch die jahrtausendelange Schreckensherrschaft des Patriarchats aufgeladen hat, ermöglicht habe, sich in ihrem Beruf zu verwirklichen, während ich mich als Hausmann, Vater und dillettierender Schriftsteller aufzuopfern bereit erklärte.
Weil aber allmählich die Gefahr wächst, dass mir diese Schrift etwas zu hagiographisch gerät, aber vor allem, weil meine Leserinnen es nicht verdient haben, mit platten, nur für die Talkshows zurechtmodellierten Sprüchen abgespeist zu werden, will ich jetzt an dieser Stelle erzählen, wie es wirklich war.
Ich war Textchef in einem Wirtschafts- und Technologiemagazin, und war es gerne, bis ich zwei neue, etwas jüngere, ständig mit den Hufen scharrende Chefredakteure vor die Nase gesetzt bekam. Wie das bei solchen Leuten so ist, konnten sie keinen Text passieren lassen, ohne ihre eigene Duftmarke drüberzusetzen, und so blitzte eines Tages die Erkenntnis in mir auf: Du kannst auf der Karriereleiter so hoch steigen wie du willst, du wirst immer einen über dir haben, der dümmer ist als du, aber meint, dir vorschreiben zu müssen, was du zu tun hast.
Die Erkenntnis stürzte mich in eine tiefe Krise, aber Krisen sind ja dazu da, sie zu meistern und geläutert und gestärkt aus ihnen hervorzugehen. Bei mir mündete die Krise in die fruchtbringende Frage: Ist es nicht viel sinnvoller, ein Kind in die Welt zu setzen, als für den Rest des Lebens in überflüssigen Magazinen überflüssige Texte zu redigieren und sich dabei mit eingebildeten Vorgesetzten herumzustreiten, die keine Ahnung haben?
Zum ersten Mal nistete sich eine bis dahin nicht gekannte Vorstellung in meinem Kopf ein: Aussteigen. Vater werden.
Die Vater Morgana verdichtete sich, als meine Chefs eine Überschrift von mir durch ihre eigene ersetzten, die da lautete: „Wie das Ozonloch seine Wunden leckt.“
Da sprach ich zu meiner Frau: „Wann, wenn nicht jetzt?“
Sie stellte die Frage aller Fragen: „Wer soll sich kümmern?“
Und ich sprach: „Wer, wenn nicht ich?“
Ein Jahr später hielt ich glücklich meine Mini-Tochter auf dem Arm und plante die Zukunft und sechs weitere Töchter.
Kleine Kinder schlafen viel, und während sie schlafen, kann ein Mann wie ich viele Bücher schreiben, dachte ich. Denn ich wollte zu Hause bleiben und nicht den Stress der doppelt belasteten Frauen auf mich nehmen, auch nicht die permanenten Gewissensbisse jener immer zahlreicher werdenden Männer, die ihre Energie 50:50 auf ihren Job und die Familie zu verteilen versuchen, woraus fast immer ein 100:100-Verhältnis erwächst.
Den ganzen Tag feilen sie an ihren Excel-Tabellen und Powerpoint-Präsentationen, dann hetzen sie mit schlechtem Gewissen etwas früher als die kinderlosen oder hausfraubeweibten Kollegen nach Hause, lassen sich schlechten Gewissens von ihrer angesäuerten, nervlich zerrütteten und auf eigene berufliche Ambitionen verzichtenden Ehefrau das Baby in die Hand drücken, spulen das übliche Abendprogramm ab und sinken ermattet ins Bett. Am nächsten Tag dasselbe Theater von vorn.
Das wollte ich mir ersparen. Ich kündigte meine gut bezahlte Festanstellung und gab ab sofort als Berufsbezeichnung „Hausmann und Vater und selbständiger Unternehmer“ an, überlegte kurz, ob ich mir neue Visitenkarten besorgen soll, aber ließ es dann bleiben.
Als Erstes, dachte ich, werde ich ein Buch über mein Leben als Hausmann und Vater schreiben. Seht her, werde ich Alice Schwarzer und den anderen Frauen zurufen: Hier bin ich, der neue Mann, ein Held unserer Zeit! Während meine Frau in der globalen Wirtschaft Karriere macht, schmeiße ich den Haushalt und ziehe ein paar Kinder groß. Mir nach, werde ich meinen Geschlechtsgenossen zurufen, wir sind die wahren Revolutionäre. Die Supermänner! Man wird uns bewundern, man wird uns verehren, die Leute werden uns in den Bundestag wählen und als Kanzlerkandidaten vorschlagen. Die ganze Gesellschaft wird sich von Grund auf verändern, und wir, wir werden nicht nur dabei, sondern die eigentlichen Akteure gewesen sein.
Der Mann von der Sparkasse sah das alles ein bisschen enger, sah nur, dass auf meinem Konto seit Monaten nichts mehr einging und fragte mich deshalb, ob ich arbeitslos sei. „Aber überhaupt nicht“, sagte ich, „ich habe mich nur selbständig gemacht“. Im Jahr 2000 hätte mich der Banker vermutlich mit einer Million Mark Venture Capital überschüttet und gefragt, wann ich mein Start-up-Unternehmen an die Börse bringe. Damals aber, 1990, war mein Banker noch altmodisch, und darum kürzte er mir erst einmal die Kreditlinie.
Egal, denn nun war klar: Ich muss jetzt sofort einen Bestseller schreiben. Noch unklar war, wann ich das tun sollte. Mein Kind schlief wenig, schrie viel und unangenehm laut. Musste gewickelt, gebadet, an die frische Luft gebracht und zum Stillen zweimal pro Tag in das 35. Stockwerk eines Frankfurter Hochhauses gebracht werden. Schlief es doch einmal, schlief auch ich, jedoch immer nur so lange, bis jemand an der Haustür klingelte, der Hund bellte, das Telefon düddelte und das Baby schreiend aufwachte. Das war gut, denn ich hatte ja noch den Haushalt zu erledigen. Einkaufen, putzen, kochen, waschen, bügeln – alles wichtige neue Erfahrungen im Leben eines neuen Mannes. Aber wann sollte ich je darüber schreiben?
Einmal war meine Frau als Ehrengast zu einer Preisverleihung ins Münchner Prinzregentheater eingeladen. Problem: Ab 18 Uhr sitzt sie da drin, vor Mitternacht kommt sie nicht mehr heraus, aber irgendwann dazwischen muss das Kind gestillt werden. Ich schiebe also das Kind mit dem Buggy in Richtung Prinzregentenplatz und treffe auf einen Polizeikordon. „Ja, wo woll’n denn Sie hin“, fragt mich ein Polizist.
„Da rein will ich“, antworte ich.
„Na, da kemmans net rei“, sagt er, „da brauchen’s schon a Einladung“.
„Hab’ ich nicht“, sage ich, „ich muss aber trotzdem rein, sonst verhungert mein Kind. Da drin sitzt ihre Mutter und wartet, dass ich ihr das Kind zum Stillen bringe“.„Ja so a ausgschamte Ausred’ hob i mei Lebtag no ned g’hört“, sagt der Mann in Uniform, „schaun’s dass weiterkemma“.
Wie durchdringt man unbemerkt feindliche Stellungen? Hab’ ich doch gelernt auf dem Offizierslehrgang bei der Bundeswehr. Ich beurteile die Lage, schiebe weiter und erkenne eine Lücke im Sicherheitsring der Polizei. Durch diese Lücke schlüpfe ich und komme bis vor den Eingang des Theaters. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich etwas in der Schule der Nation Gelerntes wirklich brauchen können.
Wo ich jetzt stehe, prallen zwei Welten aufeinander: Ich in Jeans und offenem Hemd mit Kind im Buggy auf der einen Seite, mir direkt gegenüber die schwarzen Karossen, denen der Ministerpräsident, Veronika Ferres, Iris Berben und viele weitere Abendroben entsteigen. Die Fotografen, promigeil und darum blind für mich, stürzen sich auf die Abendroben.
Das nutze ich, um mich an dem Blitzlichtgewitter vorbei durch die Tür zu zwängen. Ich bin drin. Niemand achtet auf mich. Niemand wundert sich über den Mann mit dem Buggy, nur einer vom Sicherheitsdienst beäugt mich misstrauisch. Vorne sehe ich Otfried Fischer herumlaufen, den Bullen von Tölz. Noch bevor der Sicherheitsmensch mir unangenehme Fragen stellen kann, frage ich ihn, wo es hier zur Maske geht, ich hätte gleich einen Auftritt in einem Sketch mit Otfried Fischer. Der Mann von der Sicherheit setzt zu einer langatmigen Erklärung an, in die hinein ich sage: „Ah, da vorn läuft der Fischer ja, ich häng’ mich am besten gleich dran an ihn.“
Ich schiebe mich an Fischer ran, begrüße ihn, zum Glück kennen wir uns schon länger, der Mann von der Sicherheit sieht, dass wir uns kennen, und ich kann endlich unbehelligt mein Kind vor dem Verhungern retten. Während des Stillens kam dann noch ein älterer Diplomat von der russischen Botschaft versehentlich in das Kämmerchen, in das sich Katja mit dem Kind zurückgezogen hatte, erblickte eine stillende Frau in der Abendrobe, erbleichte, errötete, erbleichte, es war ein hübsches Farbenspiel, und ergriff, als er wieder zu sich kam, die Flucht.
Von solchen Geschichten hätte ich noch mehr erzählen können, aber erst jetzt, 12 Jahre später, komme ich dazu, sie aufzuschreiben, denn wer von den körperlichen Bedürfnissen eines Kleinkinds durch die Welt gehetzt wird, kommt zu nichts anderem mehr.
Nach einjährigem Martyrium als neuer Held unserer Zeit war ich sichtlich gealtert und des Heldentums ein bisschen müde. Alice Schwarzers Emma wählte mich nicht zum Mann des Jahres. Die Medien ignorierten meine revolutionäre Tat, Franz Josef Wagners Bunte machte unsereinen als Softi, Schlaffi und Hänger nieder, feierte die Powerfrauen, und der Literaturbetrieb fand Popliteraten interessanter, die von morgens bis abends nichts anderes zu tun haben, als darüber nachzudenken, auf welche Party sie gehen und was sie dafür anziehen.
Ich mied Parties eher, nicht nur aus Müdigkeit und Zeitmangel, sondern auch, weil ich die Partyfrage fürchtete: „Und was machst du denn so?“
Antwortete ich wahrheitsgemäß, teilte sich die Menschheit in vier Lager: Die üblichen Männer, allesamt ausgestattet mit Job und Sekretärin und Dienstwagen, guckten etwas ratlos und verwundert und fügten noch ein wenig allgemeines Gerede an, um sich dann möglichst schnell zu verabschieden und wichtigere Gesprächspartner zu suchen.
Die Sensibleren brachen in Rufe des Erstaunens aus und versicherten mich ihrer Bewunderung und sagten, dass sie meinen Mut ganz toll fänden. Unausgesprochen sagten sie damit aber, dass sie diesen Mut für Blödheit halten. Unausgesprochen sagten sie, dass sie für sich selbst die Option Hausmann und Vater kategorisch ausschließen.
Unausgesprochen sagten sie: Ich hab’ doch nicht zwölf Semester studiert, um anschließend zu Hause das Clo zu putzen. Und unausgesprochen sagten sie damit auch noch: Wir wollen zwar auch mal Kinder haben, aber dann werden wir dafür sorgen, das unsere Ehefrauen zu Hause bleiben oder auf einen Halbtagsjob umsatteln. Unsere Ehefrauen haben zwar auch eine teure Ausbildung, aber denen ist diese Arbeit, da sie ja Frauen sind, naturgemäß eher zuzumuten.
Und dann gab es noch jene ältere Dame, die selber einen Sohn in meinem Alter hat und das Ansinnen ihrer akademisch gebildeten Schwiegertochter, ihr Sohn möge es mir gleichtun, abwehrte mit dem Argument ab: „Na, fürs Windelnwechseln hat mein Bub doch nicht studiert.“ Und dann schob sie noch nach: „Ein Mann, der sich von seiner Frau ernähren lässt, ist kein richtiger Mann.“
Da waren mir die jüngeren Frauen dann doch lieber, die sich ehrlich begeistert zeigten, so sehr, dass sie später in Kleingruppen meiner Frau von dem „süßen Mann“ vorschwärmten, den sie sich da an Land gezogen hatte - während ich mich fühlte wie ein Streber, dem seine Tanten zufrieden übers Haar streichen.
Nach dieser Erfahrung beendete ich mein freiwilliges soziales Jahr, wir engagierten Putzfrau, Babysitter, eine Tagesmutter, das ganze Personal, das man halt so braucht, wenn zwei egoistische Leute „alles“ wollen: Kinder und einen Job. Ich arbeitete wieder als Journalist, von zu Hause aus. Aber so wie vorher wurde es nie wieder, zumal wir unser Kind nicht alleine aufwachsen lassen wollten und drei Jahre später das zweite kam.
Inzwischen weiß ich: Die Arbeit hört nie auf. Auch mit Putzfrau, Babysittern und Au-pair-Mädchen besteht der Alltag des zu Hause arbeitenden Mannes aus so viel Organisation und Improvisation, dass er kaum dazu kommt, seinen eigentlichen Job zu machen. Das Leben ist ausgefüllt mit Arztbesuchen, Zahnspangenkorrekturen, Elternabenden, Pausenbroten, Hausaufgaben, Schulkonzerten, Kindergeburtstagen und Nachhilfestunden. Das sensible und kostbare Personal muss gut behandelt, beschenkt, effizient geführt und häufig neu organisiert werden, da es spontan zu anderen Plänen neigt und nicht selten über Nacht abhanden kommt.
Installateure, die nicht kommen wollen, verlangen ein hohes Maß an Zuwendung. Die Klavierlehrerin schätzt es, von mir mit Kaffee und Kuchen bewirtet und ein bißchen unterhalten zu werden, und schließlich ist da noch die voll berufstätige Ehefrau, die abends nach Hause kommt und nicht nur ein köstliches Mahl auf dem gedeckten Tisch erwartet, sondern auch eine aufgeräumte Wohnung, sauber gewaschene Kinder und einen entspannten Ehemann, welcher die vom Job gestresste Ehefrau charmant lächelnd mit einem Aperitif empfängt und in die Arme nimmt.
Seit ich all diese Anforderungen kenne, welche jahrhundertelang allein den Frauen oblagen, bin ich ein Feminist, verstehe das Gejammere der Frauen über ihre Doppelbelastung und beneide die Männer, die morgens die Tür hinter ihrem häuslichen Chaos schließen und unter Hinterlassung eines verschmierten Frühstückstisches in ihre sauberen, aufgeräumten Büros enteilen, wo schon die Sekretärin mit dem frisch gebrühten Kaffee wartet. Ich ertappe mich dabei, wie ich abends meiner heimkehrenden Gattin ein schlechtes Gewissen mache, indem ich sie mit schlechter Laune empfange und mit Berichten überfalle, die schildern, was wieder alles schief gelaufen ist während des Tages und warum ich kaum zu meinem eigentlichen Job des Schreibens gekommen bin.
Das alles ist natürlich nur auszuhalten, wenn man sich von Zeit zu Zeit die Größe der weltgeschichtlichen Mission bewusst macht, der man dient. Man kann diese Leistung nur bringen, wenn man weiß, dass es um des Projekt der Moderne geht, um die Aufklärung, die Emanzipation, um die nie versiegende Mühe, die Welt im Grundsätzlichen zu verbessern und künftigen Generationen junger Männer als leuchtendes Vorbild zu dienen.
Ich zeige Größe durch tätige Reue für 10.000 Jahre Patriarchat und die von den Frauen in diesen Jahrtausenden erlittene Unbill – Selbstentmachtung durch Selbsterkenntnis. Wir Männer, die wir jetzt leben, sind die letzten Kaiser. Aber diese, ich muss es leider sagen, zeigen einen beklagenswerten Mangel an Einsicht. Kleinkariert, hartleibig und verbissen stemmen sie sich gegen den endgültigen Zusammenbruch ihrer Herrschaft und finden es auch heute noch völlig normal, dass nur Frauen gefragt werden: „Wie vereinbaren Sie Familie und Beruf?“ Diese Frage wurde mir noch nie vorgelegt, aber seit 13 Jahren alle vier Wochen meiner Frau.
„Wie kommen Sie damit zurecht, im Schatten Ihrer erfolgreichen Gattin zu stehen?“ – so etwas werde nur ich gefragt. Und der Mann von Amelie Fried. Und der Mann von Maybrit Illner. Und der Mann von Petra Gerster. Wir vier haben schon erwogen, eine Schattenmann-Boygroup zu gründen und uns dazu ein paar Schattenfrauen einzuladen, aber komisch, die gibt’s nicht. Kanzler-, Minister- und Berühmtheiten-Gattinnen werden nie gefragt, wie sie sich so fühlen, und, noch komischer, sie selber fühlen sich auch nicht als Schattengewächse, sondern sonnen sich selbstbewusst im Glanz ihrer Männer. Während ich mir am Tisch des Bundespräsidenten vorkomme wie ein Hochstapler, der sich reingeschlichen hat, thronen die Promi-Gattinnen so selbstverständlich auf ihren Stühlen, als hätten ihre Männer es ihnen zu verdanken, dass die da sitzen dürfen. Naja, im Grunde ist es ja auch so.
Trotzdem, diese Weiber, die sich im Patriarchat kommod eingerichtet haben und unsereinem in den Rücken fallen, wenn wir im Namen des Fortschritts, der Emanzipation und des herrschaftsfreien Diskurses eine neue Epoche des Friedens zwischen Mann und Frau einläuten möchten, machen mich noch wahnsinnig, und geradezu hysterisch reagiere ich, wenn ich sehe, dass sie immer noch oder schon wieder auf so testosterongesteuerte Alphamännchen wie Jürgen Schrempp abfahren.
Schrempp, so las ich in einem Buch über den Chrysler-Deal, habe die Amerikaner durch seine überbordend männliche Vitalität beeindruckt und sie gerade deshalb über den Tisch gezogen. Einmal, nach einem recht alkoholreichen Geschäfts-Abendessen in Sevilla, etwa um zwei Uhr morgens, hatte Schrempp plötzlich dieses gefürchtete Glitzern in den Augen, packte seine Assistentin, warf sie sich über die Schulter, griff sich eine Flasche Champagner, rief seinen hellauf begeisterten Geschäftsfreunden über die noch freie Schulter ein markiges „Bis später, Jungs!" zu und war verschwunden.

Ich gebe zu, ich beneide sie ein wenig, diese Sieger und Hochleister, wie Gertrud Höhler sie zu nennen pflegt. So ein Hochleister steht bekanntlich morgens schon energiegeladen zwischen fünf und sechs auf, joggt, setzt sich dann noch energiegeladener in den Dienstwagen, braust zum Managen ins Büro, und noch bevor er am Schreibtisch sitzt, hat er schon drei bis vier weitreichende Entscheidungen gefällt, welche die Zukunft seines Unternehmens für die nächsten hundert Jahre sichern.
Ich Tiefleister stand zwar ebenfalls zwischen fünf und sechs auf, als die Kinder noch klein waren, aber nur, weil sie ihren Kakao verlangten. Damit trage auch ich zur Zukunftssicherung des Wirtschaftsstandorts D bei, aber irgendwie zählt das nicht so richtig. Statt Großes zu tun, Firmenimperien zu schmieden, Weltmärkte zu erobern, Frauen über die Schulter zu werfen und nach Champagnerflaschen zu greifen, ist mir bestimmt, mein Leben mit den Kindern bei Arztbesuchen und Zahnspangenkorrekturen zu verzetteln.
Ja, doch, ich beneide sie, die Alphamännchen, die haben für all diese würdelosen Beschäftigungen genügend Angestellte und ihre Lebensabschnittsgefährtinnen, und können sich daher ganz auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren: Großes zu leisten, wie ein richtiger Mann.
Manchmal haben wir solche Manager bei uns zu Gast. Dann kommt es gelegentlich vor, dass der Gatte verhalten hadert, er würde auch gerne öfter so eine Einladung geben, aber seine Frau „packt das nicht“. Worauf diese ihm laut schweigend mit funkelnden Blicken zu verstehen gibt: Ich habe auch meinen Job, und wenn du endlich bereit wärst, mal zum Einkaufen in die Metro zu fahren und wenn du in der Lage wärst, ein Stück Fleisch ordentlich zu garen und ein vernünftiges Ratatouille termingerecht auf den Tisch zu bringen, dann hätten wir auch Gäste. Die Angetraute denkt eben im Traum nicht mehr daran, ihrem Kerl den Rücken freizuhalten, damit er an seiner Karriere stricken kann.

Nicht einmal Cherie Blair sieht das ein. Die hat nach der Geburt ihres vierten Kindes ihrem Tony gesagt, er solle gefälligst Erziehungsurlaub nehmen und ihr beim Windeln helfen. Blair verstand einerseits, dass von Gesetzen, die er selber gemacht hat, auch er Gebrauch machen dürfte und in diesem Fall auch sollte, schon um der Wählerinnen willen. Andererseits dachte er an seinen kinderlosen Rivalen William Hague von den Tories, der viel Zeit hat und nur darauf wartet, ihm das Gesetzemachen abzunehmen. Blairs früherer Kollege Bill Clinton meinte dazu, dass Erziehungsurlaub vielleicht gar nicht nötig sei, schließlich wohne Blair sozusagen „über dem Geschäft“ und könne jederzeit von seinem Schreibtisch aufspringen, wenn das Kind ein Stockwerk höher brüllt.

Wir wissen nicht, wie es Blair nun macht, wenn sein Kind schreit, während er am Telefon gerade mit Mr. Bush die desolate Lage im Irak bespricht. Wir wissen nur: So wie Blair geht es vielen Männern. Die Cheries werden immer mehr.

Und gelegentlich, auf jenen Events mit hohem Alphamännchen- und Cloppenrath-Aufkommen, schleicht so einer um meine Frau und mich herum, beobachtet mich aus den Augenwinkeln, während ich aus den Augenwinkeln die Gedanken hinter seiner Stirn lese: Wie kommt so ein Mann zu so einer Frau? Geld hat er nicht, Macht hat er nicht, ein Beau ist er nicht, ein Genie ist er nicht, berühmt ist er nicht, aber er sitzt da mit der unerschütterlichen Ruhe des Felsens von Gibraltar. Was ist sein Geheimnis?
Dann denk’ ich mir: Verrat’ ich nicht. So soll es sein. So soll es bleiben.



Mit freundlicher Genehmigung von Christian Nürnberger.
Der Text wurde veröffentlicht in „Frauen – Warum wir sie trotzdem lieben“, Rowohlt Berlin, 2004