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Tina Wiegand

Als ich im November 1959 das Licht der Welt erblickte, hatte ich keinen blassen Schimmer, was es bedeutet, unter dem Sternzeichen des Skorpion geboren zu werden. Von Anfang an blauäugig, versuchte ich mit dem Kopf durch die Wand ins Freie zu gelangen, allerdings mit der Nabelschnur um den Hals. Mit anderen Worten – ich war schon blau, bevor es überhaupt richtig losging.
Unter den Begriff „Survivaltraining“ fiel dann auch meine erste Stimmausbildung, die mir meine Eltern ermöglichten, weil sie nicht wussten, dass es einem Säugling bei -20°C in einem Wäschekorb zu kalt ist. Die kräftige Stimme wurde später durch eine Nordrhein-westfälische Revolverschnauze ergänzt, von der man sagt, dass man sie nach meinem Ableben getrennt erschlagen muss, weil sich der Sarg sonst nicht schließen lässt. Diese, in Verbindung mit einem kräftigen Schuss Galgenhumor, (meist an der verkehrten Stelle, denn ich wurde nach einer Weile auch noch blond), waren die Werkzeuge, die die Blauäugigkeit dahingehend unterstützend sollten, dass in meinem Leben 1. alles unter erschwerten Bedingungen und 2. unter Ausloten der Tiefe eines jedes erdenklichen Fettnapfes in cm stattfinden sollten.

Mit 8 Jahren wurde ich von Remscheid nach Bayern exportiert, wo ich innerhalb kürzester Zeit meine Sprachfähigkeiten unter Beweis stellte und routinemäßig in den tiefsten bayerischen Dialekt verfiel. Man bescheinigte mir linguistisches Talent – ich behaupte: es war reiner Überlebenstrieb.

Meine Leidenschaften waren das Schreiben und die Musik und so hätte ich gerne den Weg einer Journalistin beschritten, oder ein musisches Gymnasium besucht. Mein Vater war allerdings der Meinung, dass die Welt ohne die soziale Unterstützung der Weiblichkeit (sprich meiner!) dem Untergang anheim fallen würde, und so machte ich auf sein Bestreben hin, das Knödelabitur in einem sozialwissenschaftlichen Gymnasium, in dem mein drittes Talent, nämlich mein Helfersyndrom zunächst zu voller Blüte fand. Mein Vater, dem zuliebe ich den ganzen Mumpitz auf mich genommen hatte, verabschiedete sich ein Jahr vor dem Abi ins Jenseits und nahm alles mit, was in meinem Leben bis dahin als Perspektive gegolten hatte. Die Familie fiel auseinander und so verzichtete ich auf ein Studium und begann eine Lehre als Reiseverkehrskauffrau. Den Beruf, den ich auf Anraten eines hoch kompetenten Beratungsbeamten des Arbeitsamtes wählte, kam vor allem meiner Neigung zugute, mich weit unter Preis zu verkaufen und mich ausbeuten zu lassen. Da meine Mutter krank wurde und das Geld nicht reichte, begann ich in einer Band am Wochenende Tanzmusik zu machen. Hin und wieder durfte ich meine eigenen Lieder spielen, aber die Männer sorgten auch hier dafür, dass ich nicht allzu groß raus kam.

Mit 22 Jahren wanderte ich nach L.A. aus, um dort den Versuch einer Ehe mit einem jungen Filmproduzenten zu wagen. Ich arbeitete dort freiberuflich als Übersetzerin, im Reisebüro, als Produktionsassistentin und was sich sonst so finden ließ. Nach 4 Jahren wanderte ich wieder zurück, weil Hollywood sich mit meinem Helfersyndrom nicht vereinbaren ließ.

Anstatt ein lukratives Angebot einer Computerfirma anzunehmen, stieg ich (immer noch kritiklos den Aussagen meines Vater glaubend) in die damals abwärts-trendige Firma meines Bruders ein, um als Kontakterin in der Werbebranche einige heiße Kartoffeln aus dem Feuer zu holen. Nach weitern 2 Jahren landete ich bei der Plattenfirma Ariola im Vertrieb. Dort hätte ich möglicherweise sogar gute Chancen für ein Fortkommen gehabt, aber sicherheitshalber wurde ich lieber schwanger, denn ich hatte inzwischen ein weiteres mal geheiratet. So fand mein berufliches, sowie mein Musikerdasein, zunächst ein jähes Ende und ich überlegte mir, was ich aus meiner Babypause machen konnte.

Ich hatte mich weitgehend davon überzeugen lassen, dass diese Welt dringend behandlungsbedürftig ist (von mir selbst mal ganz abgesehen) und begann meine Ausbildung als Psychotherapeutin. In den fünf Jahren bis zur Prüfung brachte ich neben Dennis, meinem ersten Babymeier, noch Louis, den zweiten auf die Welt, ging mit den beiden durch eine Scheidung, begleitete meine Oma durch die Demenz, meinen Opa durch sein Rollstuhlleben und einen Darmverschluss, und meine Mutter durch den Lungenkrebs in den Tod. So erwarb ich meine praktischen Fähigkeiten in Sachen Sterbebegleitung.

1998 zogen wir, sprich Robert Seiter, mein heutiger Lebensgefährte, Komponist und Musiker seines Zeichens, die beiden Kinder und ich, in ein kleines Dorf in Bayern und eröffneten die „Soulfit Factory“. Hinter dem klingende Namen verbirgt sich eine Doppelhaushälfte, in deren Keller sich ein Studio befindet und in dessen Obergeschoss ich meine Klienten behandle. In der Mitte der Semmel leben wir.

So hat sich in den letzten 6 Jahren die Sache dahin gehend entwickelt, dass ich immer wieder mal Artikel schreibe, Lieder komponiere oder Texte zu Roberts Liedern mache, mein Helfersyndrom, in therapeutisches Wissen transformiert, in meiner Hypnosepraxis anwende, und oben drein noch Mutter bin, die sich mit Hausaufgaben und sonstigen Wachstumsproblemen rum schlägt. Da gibt es “die Fitzilatchers“, ein Gospelchor bestehend aus Laien, da gibt es die Selbsterfahrungsgruppen namens „Tiger“, es gibt die Einzelklienten und die Auftritte mit dem Duo „Soulfit“ mit Gospel in der Kirche und 80iger Jahre Party am Abend, unsere eigenen Kompositionen und die Trancereisen, etc., etc., - das Ganze gewürzt mit chronischer Müdigkeit. Ich wollte alles – und jetzt hab ich den Salat! Und wenn ich reich wäre und das alles nicht mehr für Geld machen müsste, dann würde ich absolut nichts ändern – außer, vielleicht mal in Urlaub fahren.

Mein Ziel? Ja, ich habe ein Ziel und zwar ein ehrgeiziges. Ich bin davon überzeugt, dass wir alle Potentiale haben, die diese Welt wieder zu einem lebensfreundlichen Ort werden lassen können. Doch diese Potentiale sind verschüttet und es bedarf einer Art Trüffelschwein, um die wertvollen Schätze wieder zu heben. Ich eigne mich hervorragend als Trüffelschwein, weil ich mich sowieso immer schmutzig mache. Und so bin ich im Lauf der Zeit zu einer der Pionierinnen der geistigen Sphären avanciert und arbeite mithilfe der Musik, der Geschichten, der Hypnose und der Provokation an der geistigen Entwicklung, respektive geistigen Befreiung, unserer Gesellschaft. Das einzige, was ich dabei nie verstehen werde ist, wieso mir trotzdem immer die Fingernägel abbrechen!

In Marie-Theres habe ich eine Seelenschwester getroffen und ich hoffe, dass uns immer wieder die kreativen Fetzen um die Ohren fliegen, um die notwendigen Rückstoßenergien für den Launch der HFR zu erzeugen. Skorpione sind kantig, haben Haare auf den Zähnen, zertrümmern Geschirr, machen ununterbrochen mit irgendwelchem unheimlich-undurchsichtigen, magischen Gedönsrat rum und eigentlich sind sie nicht stubenrein. Aber uneigentlich eignen sie sich, dank ihrem harten Betonschädel, hervorragend als Eisbrecher und Rammböcke – von der Hartnäckigkeit mal ganz abgesehen.

Vielleicht habe ich am Anfang meines Lebens so frieren müssen, damit ich eines Tages auch wirklich gehört werde?


Eure Tina

P.S. Das Foto müsst ihr Euch doppelt so breit vorstellen, seit ich das Rauchen aufgehört habe. Es existieren keine neuen Fotos, weil es keine Kamera gibt, deren Objektiv breit genug für mich ist;-))

Einige von Tina Wiegands Beiträgen auf der HFR:

Madeleine Bossard,
die Königin des Chansons


SAM

Take it easy! Aber nicht immer!

Über die Normalität der Verachtung

Fußballfieber- Die Gewalt ist da draußen

Verbale Gewalt

Geheiligte Emanzipation

www.soulfit.de