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Texte : Ursula Tallafuß: So wirst du nie berühmt
Veröffentlicht von MarieTheres am 08.02.2006 13:50 (658 x gelesen)

„Weißt du, wer der berühmteste Mann auf der Welt ist?“ fragte er.
„Jesus“? fragt Lina. „Nein, Adolf Hitler“ meint er und weiter: „Der hat es geschafft. Gut der Mann.“

Sie kratzt verlegen an dem Wachsfleck auf dem Küchentisch herum und bemüht sich dabei möglichst abgehoben auszusehen. So als ginge sie das alles gar nichts an.
Er redet derweil über Narivk, Murmansk und Stalingrad, als wäre er dabei gewesen.
Wie ein alter Mann redet er. Allerdings hat sie einen alten Mann noch nie in dieser Weise über das Thema reden hören und eigentlich, wenn sie sich recht erinnert, hat sie im Grunde noch nie die Meinung eines alten Manns darüber gehört.
Alex, der Redner, sucht im Kühlschrank nach ein paar Milchschnitten und kommt kauend auf die Gegenwart zu sprechen:
„...Na weil`s war ist. Ich hab ja nichts gegen die, aber die scheiß
Bosnierschlampe...“, sagt er und beißt in die zweite Milchschnitte, und während er das tut, stößt Lina sich etwas von dem Wachs unter das Nagelbett des Zeigefingers.
Weil es so weh tut, steckt sie den Finger in den Mund und saugt ganz heftig daran, als würde das etwas helfen.
Jedes Wort, das sie dagegen sagen könnte, hat sie schon zig mal an ihm verbraucht.
Er entflammt jedesmal richtig gehend an ihrem Widerstand und nicht einmal seine Frau, mit dem Versuch, ihn an seine schlafenden Kinder zu erinnern, kann seine Gegenrede dann noch stoppen.
Also sagt Lina nichts.
Für eine Weile ist es still, bis Alex sagt:
„Du schreibst doch Lina, schreibst du auch mal was über mich?“
„Was soll ich denn über dich schreiben?“ fragt Lina verwundert.
„Schreib ich bin dein Bruder.“
Sie überlegt kurz, dann fragt sie: „ Soll ich über damals berichten, als du den Rumänen im Zug getroffen hast?
Und wie du ihn aus Mitleid einfach mit nachhause genommen hast?“
Alex zuckt mit den Schultern und stopft die letzte Milchschnitte in sich
hinein.
„So wirst du nie berühmt“, sagt er.
Dann geht er ins Bett.
Lina steckt ihren Finger wieder in den Mund. Dann geht sie auch.

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User Diskussion
Gast
Geschrieben am: 09.02.2006 11:19  Aktualisiert: 10.02.2006 12:51
 Anmerkung der Autorin
Ich habe diesen Text im Sommer geschrieben. Warum? Weil es mir das erste Mal gelungen ist, mich nicht über meinen Bruder aufzuregen; was ihn mehr aufgeregt hat (im Nachhinein) als alles andere.
Wenn man so will: 1-0 für mich
Danke fürs anklicken und reinstellen!

Ursi



 

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