Heute lasse ich meine roten Blumenclips auf der Ablage liegen. Heute nähe ich meinen Knopf nicht an.
Heute schließe ich die Tür hinter mir und lasse mich treiben.
Meine Füße geben den Ton an. Meine Füße meine ich, nicht die Füße auf denen meine Küche steht, obwohl die ihren auch hübsch sind, hübsch verchromt.

Fast wäre ich ein Küchenpsycho geworden. Fast hätte ich mir meine eigenen Füße verchromt und sie dann festgeschraubt um ja nicht zu kippen, um nicht dorthin gehen zu brauchen, wo die glänzende Schicht vielleicht ein paar Spritzer Dreck oder ein paar Schrammen abbekommen können.
Fast hätte ich mein Herz der Arbeitsplatte meiner Küche angeglichen. Kühler, glatter Granit, der sich beim ersten Drüberstreichen zwar wunderbar glatt und geschmeidig anfühlt, aber ab dem zweiten Streicheln dann die Überraschung: Es gibt nichts, was dieses Herz noch bereit ist aufzunehmen. Keine Liebkosungen, keine Schnitte, keine Verbrennungen, auch nicht Säure. Ein stylisches Herz mit reibungsloser Funktionsgarantie auf Lebensdauer. Aber eben aus Stein.
Fast hätten meine Hände meinen Spülschwämmen zu gleichen begonnen. Um dann alles, was sie in die Finger bekommen, blankzuscheuern bis alle Ecken und Kanten verschwunden sind und das Gegenüber keinen andere Funktion mehr hat, als dass man sich selbst darin spiegeln kann.
Ja und fast hätte sich mein Kopf in den Dunstabzug umfunktioniert. Ein Kopf, der nichts Eigens produziert, sondern umwandelt was da ist, damit andere um ihn herum bestenfalls etwas leichter atmen können.
Fast.
Fast wäre ich als Küchenpsycho geendet. Knapp daneben ist aber auch vorbei.
Jetzt beginnt der zweite Jackenknopf zu wackeln. Ich reiße ihn ab. Ich bin nicht perfekt. Dafür aber lebendig und ein lebendiges Herz ist der beste Kompass den man haben kann. „Bieg rechts ab“, flüstert es; meine Füße haben es gehört. Ich biege rechts ab. Hinter der Weggabelung liegt die Welt. Die Welt wie ich sie sehe.
Ich schnuppere an Menschen, rieche an Worten und höre Augen zu. Ich sammle.
Dann gehe ich wieder nach Hause, zu meiner Küche. Ich frage sie gar nicht lange, ob sie meine Geschichten hören will, ich erzähle sie einfach.
Ab morgen.
Ich find`s ganz logisch, dass sie sich freuen wird.
Küchenpsychologisch.


© Ursula Tallafuß lebt in Graz und bloggt bei WOMAN.AT