„Hasi“, tönt es neben mir, „warte doch mal“. Uff, Glück gehabt, ich bin gar nicht gemeint. Der krawattierte Mann, der da so eilig an mir vorbei läuft, hat nach ein paar Schritten Hasi erreicht und legt offensichtlich erleichtert seinen Arm um ihre Schultern. „Wo bleibst du denn, Prinzi?“ Wo wohl, er hätte fast seine Nase durchs Schaufenster eines Modelleisenbahn-Geschäfts gedrückt.

Während sich die vielen Menschen vor, hinter, rechts und links von mir in alle nur möglichen Richtungen bewegen und ich noch ein gutes Stück Weg geradeaus gehen muss, bis ich an der U-Bahn-Station bin, biegen Hasi und Krawatte, äh, Prinzi, in die nächste Boutique. Kaum passiere ich selbige, nicht ohne unmerklich aus den Augenwinkeln ins Schaufenster zu schielen, poltert aus der Bäckerei, dem nächsten Geschäft, ein betuchtes Paar. „Hier Muttern, halt mal kurz die Semmeln“, sagt er. „Ach Vadder, du siehst doch, dass ich die Händ’ voll hab“, sagt Muttern entzürnt, was ihn duckend macht. Die beiden habens geschafft, denke ich mir.

Fünfzig Meter weiter passiere ich einen kleinen Brunnen. Einer jener Wasserspritzer, in die Fußgängerzonenpassanten entweder Kleingeld werfen oder im Sommer verschwitzte Füße stecken. „Süße, komm zu mir“, ruft ein Anhänger der Hipp-Hopp-Fraktion unter seinem groß beschirmten Käppi. Ich registriere die pubertierende Blondine im kurzen Rock, so beschämt kurz, dass er auch als Gürtel hätte Karriere machen können, die auf der anderen Brunnenseite steht und den Hintern in den Himmel streckt, während sie auf dem Grund des Brunnens offensichtlich einen Schatz entdeckt hat. „Gleich, Schnurzel“, ruft sie verliebt, „da is was.“
Meine Fresse. War ich auch so, als ich jung war?

An der nächsten Eisdiele mache ich Halt. Es ist Sommer und meine PMS schreit nach kalter Süßigkeit. Was all die anderen treibt, ist mir unklar.
„Liebling, schau mal, die haben auch After Eight.“ Die Frau vor mir ist derart aus der Fassung gelaufen, dass mir leider der Blick auf das Highlight nicht gelingt. „Dann für mich fünf davon und drei Apfel, Röllchen.“
Ha, Röllchen. Litfaßsäule trifft’s wohl ehr, liegt mir auf der Zunge, doch ich kann mich im letzten Moment noch bremsen.
Während die Schlange vor mir schrumpft, wächst hinter mir ihr Schwanz. Püppi kauft für Bärli einen Schokoneger, selbst nimmt sie Milchmix-Erdbeer. Fluffi kauft zwei Bällchen Vanille, an denen sie Schmuso mal lecken lässt. Vermutlich darf er sonst nirgends mehr … Dann bin ich dran, nehme Schoko, Erdbeere und Vanille mit auf den Weg.

„Baby“, schreit jemand hinter mir so verzweifelt, dass ich panisch herumzucke und nach einem Kinderwagen in Gefahr Ausschau halte. Doch Baby ist schon groß und schreit nicht minder laut: „Schnuffelbär“, und dann prallen zwei Mittzwanziger mit Wucht zusammen, ohne umzukippen. Ein wenig erleichtert gehe ich weiter uns stehe bald vor der U-Bahn-Station, die gerade einen Schwall Menschen ausgekotzt hat. Passiere Bubu, Urmel, Mausezahn, Muschilein, Pupsibär, Chèri, Froschli, Wölkchen, Mobbel und Engelchen, dann bin ich endlich unten und da kommt auch schon die 10. Eine solide Linie, aber hier lerne ich auf dem Heimweg schnell noch Muggel, Poschi und Tweedy kennen.

Endlich zuhause angekommen. So ein Einkaufbummel kann ganz schön anstrengend sein, denke ich, und während ich mir die Schuhe ausziehe, kommt mein Ehegatte lächelnd auf mich zu und drückt mir einen Kuss auf den Mund: „Na, Darling, wie war’s?“
„Schön, aber anstrengend, mein Schatz.“


Publiziert am 17.03.07:
Frankfurter Magazin

© Sabine Dreyer