….dann ging er.
Ramses hat mich verlassen!
Ich hatte einen Kater.
Ein Kater hatte mich.
Wenn mein Leben ein Ziel hatte, ein Zentrum, einen Fixpunkt - dann war er das.
Alles drehte sich um ihn!
Seit fast viereinhalb Jahren plagte mich das tägliche Gewissen, vor allem, wenn ich nicht zur rechten Zeit nach Hause kam.
Dass die rechte Zeit die war, an der er miauend vor der Tür stand und sein täglich Futter forderte, ist wohl klar. Anfangs dachte ich noch, er hätte mich vermißt, wenn er diese klagenden Töne an mich richtete.
Doch diesen Gedanken legte ich schnell wieder ab.
Mir war meine wahre (Un)Bedeutung immer klar. Ich nahm das demütig an und richtete mich danach.
Ich tat für ihn was ich konnte, mehr noch, und dennoch konnte ich seinen Wünschen nicht immer gerecht werden .
Er bekam das beste Fressen das ein felines Lebewesen sich überhaupt vorstellen kann.
Er bedachte mich mit einem fast verächtlichen Blick aus seinen unergründlichen grauen Augen, wenn ich ihm mit säuselnder Stimme die neueste Menü-Errungenschaft vorlas, die ich besorgt hatte.
Wehe, ich traf seinen Geschmack nicht - dann bestrafte er mich mit Ignoranz und herablassender Verachtung. Im schlimmsten Fall verließ er mich für drei Tage ohne eine Spur zu hinterlassen - außer dem vollen Napf an seinem angestammten Platz, bis er irgendwann zurückkam, sich in seine Ecke verzog, und es huldvoll zuließ, dass ich ihn überfreudig begrüßte.
Er hat seine eigene Decke, aus Kaschmir. Nein, lange hält die nicht. Er hat diese Milchtritt-Angewohnheit.
Ich muß es gestehen, ich hasse die. Doch nehme ich liebendgerne die Kratzer in Kauf, die er an meinen Armen und Beinen zurückläßt. Ich fühle mich dann geehrt durch seine Aufmerksamkeit.
Das Geld für neue Kaschmirdecken beschaffe ich mir mit Nebenjobs. So eine Decke ist schon eine teure Angelegenheit. Aber er mag nur die!
Ramses, so nannte er sich. Nein, nicht dass er mir in einer zutraulichen Minute seinen Namen in mein Ohr geschnurrt hätte - es ist bloß der einzige Name auf den er geruht zu reagieren, wenn ich ihn denn rufen darf.
Und nun warte ich schon seit sieben Tagen auf seine Rückkehr.
Es war nicht das Essen, denn der Napf ist leer. Es war nicht die Milch, es war die aus dem Feinkostladen.
Es sind auch nicht die eventuell falschen Leckerli, denn ich kaufe sie immer an der richtigen Stelle. Er unterscheidet sehr genau zwischen Billigware und Edelkost.
Mein Bett war längst seins; kein menschlich-männliches Wesen wagt sich mehr hinein.
Ich habe immer neue Gardinen, damit er sie zerreißen kann.
Das Sofa ist Tabuzone für mich und Gäste habe ich sowieso keine mehr.
Ich glaube, es liegt am Rechner. Denn in letzter Zeit, und erst recht seit ich bei diesem Forum angemeldet bin, saß er schmollend vor dem Schirm und fuhr regelmäßig mit seinem Schnäuzchen über dessen helle Fläche.
Als er jedoch mit den Krallen drüber fahren wollte, mußte ich ihn notgedrungen stören. Das konnte ich doch nicht zulassen, es hätte den Schirm seine Existenz gekostet und mich einen neuen Bildschirm.
Dann setzte sich Ramses demonstrativ auf die Tastatur.
Und nun muß ich es zugeben: ich habe ihn herunter geschmissen.
Und das nicht nur einmal.
Ich denke, das hat er mir nicht verziehen.
Beim letzten Mal, vor sieben Tagen, ich war ja noch nicht lange angemeldet, da geschah es dann: ich hatte mich in Rage geschrieben mit einem Artikel für das Forum und den verwirrten Ramses einfach verscheucht und ignoriert.
Nicht nur, dass er mir das scheinbar nicht verzieh, ich selbst verzeihe es mir auch nicht.
Er hat mich nur noch traurig angeblickt, drehte sich um und verschwand auf leisen Pfoten.
Dann ging er, wortlos.
Ich dachte, er machte bloß seine üblichen Wege durch die Straßen, seine Weiber besuchen, seine Nachtrunde drehen, Kontrollgang machen und dann zurück zu mir.
Er kam nicht mehr wieder.
Heute Nachmittag, als ich die Straßen nach ihm absuchte und Hunderte Kopien mit seinem Foto und seiner Beschreibung an jeden Baum und jeden Lichtmasten pinnte, sah ich hinter einer zerrupften Gardine, graue Katzenaugen leuchten - direkt in meine Augen.
Dieser Blick - unverkennbar Ramses, das fühlte ich sofort!
Ich klingelte, niemand öffnete. Mein Klopfen an das Fenster rief nur die Nachbarin nach draußen. Sie konnte mir nicht sagen, ob die von nebenan die Katze schon länger haben. Aber unheimlich sei ihr das Viech schon, meinte sie zum Schluß.
Bevor ich weiterging, spürte ich ein Kribbeln in meinem Genick.
Ramses!
Nur er allein, nur sein mir so vertrauter durchdringender Blick, löste solche Schauder bei mir aus.
Ich blickte zurück - er wandte seinen Kopf ab und verschwand in der Dunkelheit des Raums hinter ihm.
Ich dachte, mein Herz müßte zerreißen.
Verdammt!!!
Soll er bleiben wo er ist, jawohl!!
Ich hole mir morgen einen Hund aus dem Tierheim.
Nicht zu groß, nicht zu wild, egal….
Hauptsache keine grauen Augen.
Und auf “Ramses” darf er auch nicht hören!
Und vorher kaufe ich schon bei Aldi Hundefutter…..
© Ghita Cleri
User | Diskussion |
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MonikaGe | Geschrieben am: 24.05.2009 10:03 Aktualisiert: 24.05.2009 14:14 |
![]() ![]() User seit: 23.09.2008 aus: Beiträge: 74 |
![]() Tiefgründig geschrieben, liebe Ghita.
Da ich selbst Katzenpersonal bin, habe ich diese Geschichte natürlich mit großen Augen gelesen. Ja, so sind sie eben! Ich weiß nicht mehr, wer das sagte, also nur sinngemäß: „Katzen sind im Grunde ganz gewöhnliche Kleinkriminelle. Sie sind Schnorrer, Betrüger … sie kennen dich besser als dein Psychiater und wissen außerdem ganz genau, wie sie bei dir das Fass zum überlaufen bringen“. Richtig? Aber sie haben auch heilende Kräfte. Wenn ich Bauchweh habe, und mein Salinchen legt sich auf den Bauch (ahnt sie das?), dann verscheucht ihre Wärme und das Schnurren jedes Bauchweh. Als ich vor Jahren mal ganz doll krank war, haben sich meine Katzen links und rechts neben mich gelegt. Sie haben nicht mal gedrängelt, als ihre Essenszeiten anstanden, sondern blieben einfach ganz dicht bei mir. Ein halbes Weltwunder!, dachte ich und war wirklich gerührt. Und ja! So ein Katzenkuss ist auch was Liebes und so Süßes. Bei dem Hund: pass auf, dass Du Dir einen holst, der katzenverträglich ist; Ramses kann irgendwann wieder auftauchen... ![]() Herzlich kätzische Grüße! Monika |
Subura | Geschrieben am: 24.05.2009 00:08 Aktualisiert: 24.05.2009 14:14 |
![]() ![]() User seit: 27.02.2007 aus: Niederrhein Beiträge: 7887 |
![]() Finde das mit der Demut einen sehr ineressanten Aspekt.
Ist es vielleicht tatsächlich das, was Katzen- von Hundehaltern unterscheidet? Die einen müssen eine gewisse Demut an den Tag legen, um mit dem Tier leben zu dürfen ![]() Wobei mal dahingestellt sein mag, inwieweit beides hüben wie drüben immer so gelingt ... ![]() Sehr schöner Text, Ghita ... und das Aldifutter ist übrigens prima, brauchst halt nur das passende Tier dazu. ![]() |