Okay Scheißkerl, dann nicht. Ich hau jetzt ab. Wenn du Glück hast, für immer. Sport, wenn die Glotze läuft und sich was bewegt, erstarren sie zu Salzsäulen. Diesmal Olympiade.
Ich geh jedenfalls.
Monja und ich ziehen um die Häuser. Uns verbinden Männer, die uns vergessen haben. Rufe noch ein kurzes Tschüss ins Wohnzimmer. Kein Blick, nur ein gelangweiltes „Viel Spaß“. Ha, wie aufmerksam von dir. Du würdest nicht mal merken, wenn ich nackt hier stünde. Bis das der Tod euch scheidet … Ich muss besoffen gewesen sein. Aber du verdirbst mir die Laune nicht, mein lieber Peter. Nein, ich denk jetzt lieber an den netten Kerl, mit dem ich manchmal chatte. Vielleicht sehen wir uns heute Abend.
O ha, Konkurrenz im Haus, Liebling. Das würde vielleicht deine Lebensgeister vielleicht wecken. Egal, ich will Spaß.
Die Disko ist brechend voll. Monja findet das okay und ein Typ klebt schon an ihrem Hals und versenkt seinen Blick in ihrem Ausschnitt. Monja grinst. Ich verziehe schmerzhaft das Gesicht zu Britney Spears. Wo sind die alten Musiker? Hilfe, kann man sich hier was wünschen? Manowar für die Seele. Metallica tut’s zur Not auch. Hauptschache böse Bässe. Ich nehme mein Alt, lehne mich an den Tresen und schau mir die Leute an. Es ist schwer, den lüsternen Blicken auszuweichen. Hey Junge, ich könnte deine Mutter sein, lass mein Kleid, wo es hingehört.
Wehmut. Peter sitzt jetzt Zuhause. Nackter Oberkörper, knappe Shorts, braun und sexy, Kippe im Mund und mit sturem Blick zur Glotze. Ist das Liebe gewesen? Scheiße, ja. Weg mit den Gedanken. Ich bin hier, und hier bekomme ich, was ich will. Zähle die Typen, die mich angrinsen. Bis jetzt 15. Mein Handy vibriert. Peter? Kaum. Nicht, solange Olympia läuft. Monja kann’s nicht sein, sie beißt gerade in ein Ohrläppchen. Bleibt Janosch aus dem Chat. Sonst simst niemand mit mir.
Ich bin aufgeregt, lese aufgeregt: Bin im Apple. Du auch? Was schreib ich? Ja! Nicht denken. Kurzer Blick durch die Tanzhalle, über zuckende Leiber und grelles Licht. Tresen, hinterste Ecke. Schwarzes Kleid. In meinem Bauch kribbelt es. Wer kommt jetzt? Wie ist er? Bin ich schön? Scheiße, ich muss aufs Klo. Wie sieht er aus? Wenn ich Pech hab, klein, ätzend und nach Cool Water und Schweiß stinkend wie der feiste Typ gegenüber, der mich schon mindestens drei Mal mit den Augen gevögelt hat. Schwein. Ich dreh mich rum. Stellungswechsel, Arschloch. Mein Magen dreht sich auch. Das macht er sonst nie.
Was tu ich hier? Ich hab ein Date. Ich betrüge meinen Kerl. Und, verdammt noch mal, du hast es nicht besser verdient. Das Alt ist leer. Wie gut mich die Thekenschlampe versteht. Wortlos. Fragender Blick, nicken, lachen und schon steht ein neues Glas vor mir. Die Lochkarte wechselt kurz den Besitzer und ich reg mich erst gar nicht über den Preis auf.
Auf meiner Schulter eine fremde Hand. Monjas nicht, ausgeschlossen. Sie trägt ihre Hände dezent kühl, da sind wir Zwillinge. Soll ich? Soll ich nicht? Scheiße, wäre ich doch daheim geblieben.
Einmal tief atmen, umdrehen, mit dem Schlimmsten rechnen ... und staunen. Da lachen zwei Augen wie Sternchen. Großer Gott, mehr davon. Danke, ich nehme alles. Zahle den Preis. Plötzlich ist es still. Alle schweigen. Keiner tanzt, selbst Britney hält’s Maul. Oder war’s Pink? Egal. Wann war ich zum letzten Mal verlegen? Vor 1000 Jahren? Dieser Blick, dieses Gesicht, dieser Mann. Janosch, sagt er. Ich nicke, wer sonst. Caro sage ich. Wer sonst. Ein Film läuft vorbei, die Worte im Chat, ein bisschen Verliebtheit? Der Typ ist eine Wucht. Janosch, mach mit mir, was dieser feiste Scheißer da drüben schon die ganze Zeit tut. Tu es.
Irgendwie kommt kein richtiges Gespräch auf. Ich schreie, es ist zu laut. Er schreit zurück, tanzen. Ich will schreien, nicke nur. Etwas später – ein gütiger Mensch hat den DJ ins Nirvana geschickt. Ein Nobelpreis für dich, du selbstlose Kreatur, yeah. Gib uns November Rain, gib uns Guns 'n' Roses.
Janosch fühlt sich gut an. So warm, so heiß. Ich schwitze und es stört mich nicht. Mit ihm will ich schwitzen. Seine Hände liegen auf meinen Hüften und er drückt mich an sich. Gott, was tue ich? Ich fühle mich wohl, verzeih mir Peter. Geht nicht gegen dich. Doch, nur gegen dich. Egal, jetzt ist jetzt, Peter ist weit und nichts ist wichtig.
Monja kommt, zwinkert wieder und schaut zu Janosch, dann zu mir, flüstert in mein Ohr. Ja, das ist er. Sie schmachtet kurz, hebt die Hand und öffnet die Lippen. Ich lese ein Bye und schaue ihr nach, als sie die Disko verlässt, an der Hand den Typen mit dem leckeren Ohr. Wieder Janosch. Er riecht zum Weinen gut. Kein Parfüm, nur ein leiser Hauch Aftershave und viel Mann. Ein Mann, der das Gleiche denkt wie ich: Lass uns tun, was wir tun müssen. Er nimmt meine Hand und zieht vorbei an Grimassen schneidenden Halbwüchsigen, unter grellen Lichtblitzen hindurch und raus aus dieser Höhle. Die Nachtluft klatscht mir um die Ohren und ich warte auf das Erwachen der Sinne, aber sie träumen weiter. Janosch legt den Arm um mich, küsst mich auf Stirn und Nase. Ein paar Meter weiter beginnt der Park. Täuscht gähnende Leere, aber ich durchschaue ihn. Er lockt, und wir lassen uns locken. Bis zu einer Parkbank, versteckt hinter dichten Hecken. Worte hören, Haut spüren, alles wird für eine kleine Ewigkeit eins. Ich verstehe die Botschaft, doch plötzlich reißt etwas in mir und ich lasse das kurze Glück fallen, rase davon.
Ich schließe die Haustür auf. Licht brauche ich keins, der Tag ist fast da und gähnt verschlafen mit mir um die Wette. Es scheint ein schöner Tag zu werden. Ganz leise ziehe ich meine Galbadinis aus. Chaos im Wohnzimmer, leere Chipstüten, voller Aschenbecher. Es scheint eine gute Olympiade gewesen zu sein. Ob wir eine Medaille haben? Ich gehe ins Schlafzimmer. Peter liegt wie immer in der Mitte des Betts. Ich lächle, als ich so sehe und lasse mich fallen. Sofort legt er seinen Arm um mich und grunzt. Ich kann ihn nicht verstehen, aber ich weiß, was er meint, kuschle mich in seinen Arm und schlafe ein. Heute Nacht war der Sieg mein, heute ist die Goldmedaille mir.
SabineD - der Blog
User | Diskussion |
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maya | Geschrieben am: 30.05.2007 16:18 Aktualisiert: 31.05.2007 10:33 |
![]() ![]() User seit: 08.12.2005 aus: paris - tirol Beiträge: 12 |
![]() sabine, find ich ganz super geschrieben - ich denke, so oder aehnlich ist es schon ganz vielen von uns gegangen - toll getroffen
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