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Texte :  Monika Gerstendörfer: Rezension zum Film "ANONYMA – eine Frau in Berlin"
Veröffentlicht von MarieTheres am 23.10.2008 11:34 (876 x gelesen)

KINOfilm von Max Färberböck: ANONYMA – eine Frau in Berlin
(ab 23. Oktober 2008 in den Kinos), Constantin Film

Der neue Film von Max Färberböck (Aimée & Jaguar) beruht auf den Tagebuchaufzeichnungen einer anonym gebliebenen Autorin und greift die bis heute tabuisierten Vergewaltigungen deutscher Frauen durch Soldaten der Roten Armee am Ende des zweiten Weltkriegs als Thema auf.

Kommentierte Rezension
von Monika Gerstendörfer

Der Kinofilm „ANONYMA, eine Frau in Berlin“ basiert auf dem gleichnamigen Buchtitel, der 2003 im Eichborn Verlag erschienen ist. Es geht um eine junge Frau, Journalistin, gebildet, der russischen Sprache mächtig, die das Erlebte und Erlittene zwischen dem 20. April und dem 22. Juni 1945 in Berlin in ihrem Tagebuch aufzeichnet. Es ist für ihren Mann geschrieben, der es nach seiner Rückkehr aus dem Krieg lesen soll. Und um es vorwegzunehmen: Er liest es tatsächlich. Doch alles, was ihm dazu einfällt, sind abfällige Worte:
Wie schamlos ihr seid!


Schamlose Frauen?

In diesem Satz steckt die Essenz. Ein Krieg zeigt mit radikaler Deutlichkeit, wohin frauen- und lebensfeindliche Bewusstseinsprägungen wirklich führen. Denn die allgemeine gesellschaftliche Reaktion auf sexualisierte Gewalt gegen Frauen, auf Vergewaltigung, ist im Krieg nicht so sehr anders als im Frieden.
Es sind die Opfer, die sich schämen (sollen). Und so geschieht es auch. Im Krieg wie im Frieden. Doch Anonyma, die Frau in Berlin, reagiert anders und tut damit etwas Ungeheuerliches. Sie schreibt keine typische Leidensgeschichte, auch keine hasserfüllte Protestnote gegen vergewaltigende Männerhorden im Krieg. Einem Krieg, den die Frauen vermutlich niemals angezettelt oder geführt hätten.
Anonyma beschreibt die Lebenswirklichkeit, den täglichen Überlebenskampf aus Frauensicht. Ehrlich, ohne Anklage und doch so schonungslos. Ihr Überleben um jeden Preis! Wie hoch der Preis wirklich ist, wird sie erst später erfahren. Nach dem offiziellen Ende des Krieges


Um jeden Preis?

Gehen wir an den Anfang. Es ist Ende April 1945. Die Rote Armee marschiert in Berlin ein. Im Keller eines nahezu zerstörten Hauses sitzen Menschen; die meisten sind Frauen. Sie haben die Bombennächte überlebt. Sie ahnen und fürchten, was sie erwartet.
Diese und Tausende anderer Frauen werden Opfer von Vergewaltigungen. Eine von ihnen ist Anonyma (gespielt von Nina Hoss), sie war Journalistin und Fotografin. Es folgen Tage des Schreckens und der widersprüchlichsten Erlebnisse und Lebenserfahrungen. Anonyma wird, wie die meisten Frauen, mehrfach vergewaltigt. Doch ihr Mut und ihr Wille, ihre Würde zu wahren und vor allem zu überleben, bringen sie zu einem verzweifelten Entschluss. Sie will sich einen „Wolf“ suchen, einen ranghohen russischen Offizier. Er soll sie vor den anderen schützen. Als „Gegenleistung“ wird sie mit ihm „freiwillig“ schlafen. Doch es entwickelt sich etwas, womit sie nie gerechnet hätte: der höfliche, gebildete Offizier Andrej, gespielt von Evgeny Sidikhin, berührt ihre Seele. Es entsteht eine ganz besondere Beziehung. Liebe?


Der Krieg verändert die Worte und die Liebe.

„Der Krieg verändert die Worte. Liebe ist nicht mehr das, was es war“, sagt Anonyma einmal zu Andrej. Und er fragt sie mehrfach, ob sie eine Faschistin sei? Sie schweigt dazu. Beharrlich!
Trotz aller Zuneigung fällt die Barriere zwischen ihnen nie. Schließlich sind sie Feinde… Dieses Spannungsfeld zerreißt eine auch als Zuschauerin.
Am Ende wird Anonyma – wie Tausende anderer Frauen – noch bitter erfahren müssen, dass der Krieg nicht nur die Worte, sondern auch die Liebe selbst verändert. Ja, den Frauen den „sozialen Tod“ bereitet.
Nicht nur Anonyma, auch alle anderen Frauen entwickeln Strategien des Überlebens. Manche sind eher unterwürfig, andere sogar forsch. Schwarzer Humor kehrt ein: „Wie oft?“, fragen sich die Frauen manchmal gegenseitig und meinen damit die Vergewaltigungen. „Vier Mal“, sagte eine und geht zur „Tagesordnung“ über. Und es gibt noch mehr von solchen scheinbaren Absurditäten. Die Witwe, gespielt von der unnachahmlichen Irm Hermann, ist selbst bei kritischen Ereignissen auf ihren Mahagonitisch bedacht und reagiert empört, wenn er von den Soldaten beschmutzt wird.
Viele Schranken fallen. In einer Szene sitzen die Frauen am Tisch. Es gibt gedeckten Apfelkuchen mit Streusel! Die Stimmung wird lockerer, beinahe fröhlich. Da beginnen die Frauen zu reden. Über die „erotischen Fähigkeiten“ der russischen Soldaten. Selbst die vormals schüchternen, zerbrochen wirkenden Frauen werden schnoddrig. Die Russen, so die einhellige Meinung, seien in punkto Erotik noch auf dem Stand von Adam und Eva. Schallendes Gelächter!
Aus psychologischer Sicht ist dies eine geniale Szene. Ob sie in ihrer Menschlichkeit, ihrer Unerbittlichkeit und tiefgründigen Ernsthaftigkeit von allen verstanden werden wird?


Menschlichkeit im Krieg

Die um sich schießenden, vergewaltigenden Soldaten der Roten Armee entwickeln nach und nach, genau wie die Frauen, Strategien und daher andere Verhaltensweisen. In ihrem eigenen Land wurde der Bevölkerung Grausames durch die Nazi-Soldaten angetan. Über die Hälfte der 50 Millionen Toten des II. Weltkrieges waren Russ/innen. Die Frau des Beschützers von Anonyma wurde erhängt. Ein Russe erzählt, wie deutsche Soldaten russische Kinder bestialisch ermordeten, ihre Köpfe zerschmetterten. Im Raum nebenan spielen zwei deutsche Kinder im halb zerstörten Berliner Wohnhaus. Unbehelligt; auch wenn man an der Stelle der bewegenden Erzählung des Rotarmisten um sie fürchtet.
Die sowjetischen Soldaten verlangen mehr und mehr nach menschlicher Nähe. Deshalb nisten sie sich auch bei den Frauen und Kindern in diesem zerbombten Haus ein. Sie bringen täglich Nahrung. Sogar Zucker! Eines Tages zwei große, frisch geschlachtete Fische, die auf den geheiligten Mahagonitisch der Witwe geknallt werden. Die Witwe ist trotzdem entzückt. Wer bekommt in solchen Tagen schon frischen Fisch? Dann eine Schlüsselszene: ein Soldat zeigt erst auf den einen Fisch und sagt „Hitler“, dann deutet er auf den anderen Fisch und bezeichnet ihn als „Goebbels“. Kurze Pause. „Alle kaputt!“, ruft er triumphierend. Dröhnendes Gelächter!
Auch dies, eine aus psychologischer Sicht geniale Szene. Man muss sie gesehen haben.
Als die Nachricht von Hitlers Tod kommt und danach die der deutschen Kapitulation, folgt großes Kino, das auch den Verantwortlichen für Musik und Ton zugute geschrieben werden muss. Die Art und Weise, wie die Soldaten die russische Nationalhymne singen, dringt über den visuellen und auditiven Sinn bis tief ins Herz. Es ist vorbei!
Am Ende feiern Sieger und Besiegte sogar das Ende des Krieges zusammen. Sie tanzen im Wohnzimmer der Witwe. Ausgelassen. Wie die Verrückten. Befreiung! Es ist vorbei!


Vorbei?

Ebenfalls aufgegriffen im Film: das Thema der ersten deutschen Heimkehrer. Es zeigt, dass es nicht „vorbei“ ist und geht. Ja, dass es jetzt erst losgeht; nämlich das weitere Leid. Für die Frauen! Die stolzen deutschen Herrenmenschen sind klein. Sehr klein. Sie verkraften das alles nicht, versinken in Selbstmitleid. Sie wollen nicht reden, kein Wasser schleppen, schon gar nicht feiern und vor allem keine „geschändeten“ oder „schamlosen“ Frauen. Im Film bringt sich einer um. Seine Frau und seine kleine Tochter bleiben zurück. Sollen sie doch weiter allein überleben!
Tatsächlich war es am Ende des II. Weltkrieges so, dass manche Männer ihren Frauen und Töchtern den Strick oder das Gift besorgten, damit sie, die Männer(!), von der „Schande“ befreit wurden. Den Sarkasmus des so genannten „Ehrenmordes“ gibt es also schon länger... Im Widerspruch dazu zeigten die deutschen Männer wenig Mut, um die Frauen vor den Vergewaltigungen zu retten. ‚Ihr haltet doch nur mal still, aber uns bringen sie nach Sibirien!’, lauten verbriefte Aussagen der Herrenmenschen (vgl. Sanders).
Und die Tatsache, dass die Kirchenväter damals das Abtreibungsrecht lockerten, wird auch gerne verschwiegen. Wer glaubt, dies geschah zum Wohle der Frauen, irrt. In Sanders legendärem Buch „BeFreier und Befreite“ wird der evangelische Probst Heinrich Grüber zitiert: „ (…) wir wollten es den deutschen Gefangenen nicht zumuten, daß sie nach der Entlassung unter ihren Kindern ein fremdes vorfanden.“ (S. 36/7) – und weiter: „Die Fälle, in denen Frauen trotz Vergewaltigung durch Angehörige der Sowjetarmee nicht zu einer Unterbrechung der Schwangerschaft bereit sind, müssen von dem Gesundheitsamt auf geeignete Weise überwacht werden, damit eine Erfassung rassisch unerwünschter Nachkommenschaft sichergestellt ist.“ (S.38)
Vor dem Hintergrund dieser Tatsachen sind die ersten Aussagen des Offiziers Andrej an die Adresse der Hilfe suchenden Anonyma: „Es dauert doch nur ein paar Minuten“ – und: „Meine Männer sind alle gesund!“ in ihrer Erbarmungslosigkeit beinah erträglicher, als der kalte und frauenfeindliche Zynismus, den die deutschen Männer und Behörden an den Tag legten.
Bis heute! Die Geschichte des Tagebuchs der „Anonyma“, erstmals 1954 in New York in englischer Übersetzung publiziert, zeigt es. Die deutsche Veröffentlichung der 50er Jahre hat die Deutschen damals zutiefst empört. Das Bild von „der deutschen Frau“ sollte und durfte nur der Opfergang sein. Strick oder Gift… Es war also nicht nur der „soziale Tod“ der Frauen vorprogrammiert. Der Krieg war und ist für die Frauen niemals vorbei!
Das Buch wurde erst in einer Neuauflage vor wenigen Jahren zum anerkannten Bestseller. Weit über ein halbes Jahrhundert nach den Ereignissen.


Starke Darsteller/innen, starke Bilder, starke Töne.

Wer das Glück hat, den Film auf großer Leinwand und mit Dolby 3D Digital sehen zu können, wird von Anfang an auf besondere Weise in das Geschehen geschleudert. Nach der ersten Szene, wo man eine zerbombte Straße sieht, Menschen, die panisch in Häuser und Keller flüchten – die Russen kommen! –, ist man plötzlich mitten drin. Im Krieg. Man zuckt unwillkürlich zusammen. Es knallt und dröhnt fürchterlich. Vorne, hinten, links, rechts. Teuflischer Lärm. Das macht Angst.
Der Film zeigt in Bild, Schnitt, Ton und Darstellung sowohl in den großen, opulenten als auch in den kleinen, zwischenmenschlichen Szenen eine schier unglaubliche Dichte und Farbigkeit. Man ist dabei und kann es nie wieder vergessen.
Nachhaltigkeit also.
Die ist gerade hier so wichtig. Denn die Nachhaltigkeit, die intergenerationellen Auswirkungen des Krieges, der Vergewaltigungen, der nachfolgenden Schwangerschaften und Kinder ist bis heute in dieser Gesellschaft verankert. Die an Frauen und Mädchen verübte sexualisierte Gewalt im Krieg ist ein Verbrechen, und sie hat nichts mit „Normalität“ zu tun. So wie auch der Krieg selbst nicht „normal“ ist. Vergewaltigung ist eine Erscheinungsform von Krieg, aber keine Begleiterscheinung. Der Film macht es spürbar. Das alles gehört zu uns und unter uns. Und wenn wir es noch so verschweigen und verdrängen.

Ja, der Film ist auch eine Gratwanderung! Man fragt sich, ob die Jüngeren den ganzen Gehalt dieser Geschichte und ihrer Darstellung verstehen und begreifen werden? Generationen, die mit Horrorfilmen und Gewaltspielen am Computer recht abgestumpft sind; wenig Empathiefähigkeit aufbringen dürften; werden sie das erfassen können? Weiter darüber nachdenken? Konsequenzen ziehen, womöglich Trauer empfinden? Und die schweigende ältere Generation? Wird sie sich den Film überhaupt „antun“? Wer weiß.

Resumee

In jedem Fall hat „ANONYMA“ einen sehr, sehr hohen Anspruch! An sich selbst und an die Zuschauenden. Es ist definitiv kein Kriegsfilm. Es ist ein umfassendes, globales Drama, das den Irrsinn der Gewalt gegen Frauen von gestern, heute und morgen an einem Beispiel mutig, unerschrocken und schonungslos aufzeigt und uns damit die Hand reicht, damit wir endlich etwas kapieren!
Denn: die Erlebniswelten in Krieg oder Frieden mögen zwar ganz und gar unterschiedlich sein, aber die wesentlichen Denk- und Verhaltensmuster gegenüber Frauen sind durchgängig. Der Krieg lässt nur die soziale Kontrolle und die kulturell vermittelten Handlungstabus fallen; soziale Kontrolle und Tabus, die im Frieden die unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten von Männern und Frauen einigermaßen erträglich gestalten, indem sie Feindseligkeiten verdecken und mit der Hilfe von gesellschaftlichen Regelungen und Gesetzen die tatsächliche Ungleichheit verschleiern. Ein Krieg zeigt dann auf radikale Weise, wohin frauen- und lebensfeindliche Prägungen wirklich führen. Das ist der rote Faden! Auch dieses Films. Ein Faden, der noch mehr Tabus aufbrechen könnte, wenn man denn weiterdenken möchte. Beispielsweise das Sprechtabu zu den Vergewaltigungen der heutigen so genannten Friedenssoldaten an den Frauen und Mädchen, die sie eigentlich schützen sollten…

Den Anspruch des Films an sich selbst haben die Verantwortlichen alle miteinander erfüllt. Ausnahmslos. Man wird sehen, was die Kinobesucher/innen daraus machen. Eine Chance haben sie! Hoffentlich nehmen sie sie wahr.

Zu den Darstellerinnen und Darstellern der großen und kleinen Rollen reicht eigentlich ein Satz: dringend preiswürdig!


© Monika Gerstendörfer 2008


Weiterführende Literatur:


Pressematerial hier: www.constantinfilm.medianetworx.de

ANONYMA (2003). Eine Frau in Berlin, Eichborn, Frankfurt a.M..

Brownmiller, S. (1991). Gegen unseren Willen - Vergewaltigung und Män¬ner¬herrschaft. Frankfurt/M.: Fischer.

Sander, H., Johr, B. (Hrsg.), 1992, BeFreier und Befreite, Kunstmann, 2.Aufl..

Stiglmayer, A. (Hrsg.). (1993). Massenvergewaltigungen - Krieg ge¬gen die Frau¬en. Frankfurt/M.: Fischer.

Welser, M. (1993). Am Ende wünschst du dir nur noch den Tod - Die Mas¬senver¬gewaltigungen im Krieg auf dem Balkan. Mün¬chen: Knaur.

Wilsnack, D. (1993). Den Besitz des Feindes beschädigen – Verge¬waltigung im Krieg. In: der Überblick, 2/93, 29.Jg., 43-46.

Ossig, G. (1993). Sammellager – Einladung für Vergewaltiger? In: der Überblick, 2/93, 29.Jg., S.24.

Gutman, R. (1993). „Wir haben Befehl, Mädchen zu vergewaltigen“. In: Tilman Zülch (Hrsg.), „Ethnische Säuberung“ – Völkermord für „Großserbien“. Zürich: Luchterhand Flugschrift 5, 105-109.

Gutman, R. (1993). Die Nacht des Terrors „Vor den Augen ihres Vaters vergewaltigt“. In: Tilman Zülch (Hrsg.), „Ethnische Säuberung“ – Völkermord für „Großserbien“, Zürich: Luchterhand Flugschrift 5, 110-112.

Kahlweit, C. (1993). Zerstörung der Seele – Vergewaltigungen als „intelligente Waffe“ im jugoslawischen Bürgerkrieg,. In: der Über¬blick, 2/93, 29.Jg., 46-49.

Batscheider, T. (1993). Friedensforschung und Geschlechterverhältnis. Marburg: BdWi (Dissertation).

Gerstendörfer, M. (1995). Menschenrechtsverletzungen an Frauen im Krieg: Frauen als militärisches Kalkül – II. Weltkrieg, Naziherrschaft und Schweigen. Loccumer Protokolle 62/93, „Nicht länger schweigen! Fraueninhaftierung und Gewalt“, 97-126.

Gerstendörfer, M., (1999). Femizid: Tödliche Gewalt gegen Frauen. In: Sommer, G., Stellmacher, J. & Wagner, U. (Hrsg.): Menschenrechte und Frieden, Marburg, AMW & IAFA, Nr.22, 1999, S. 218-240.

Gerstendörfer, M., (2007). Der verlorene Kampf um die Wörter – Opferfeindliche Sprache bei sexualisierter Gewalt. Ein Plädoyer für eine angemessenere Sprachführung, Junfermann Verlag, Paderborn.

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User Diskussion
Gast
Geschrieben am: 15.10.2008 12:58  Aktualisiert: 15.10.2008 14:54
 Re: Monika Gerstendörfer: Rezension zum Film "ANONY...
Vielen Dank Monika, ich wollte mir den Film eigentlich nicht ansehen. Deine Rezension hat mich aber vom Gegenteil überzeugt. Ich werde ihn mir nun doch anschauen.

Helga
MarieTheres
Geschrieben am: 14.10.2008 19:05  Aktualisiert: 14.10.2008 19:05
Webmaster
User seit: 03.10.2005
aus: Bayern - Teneriffa
Beiträge: 1399
 Re: Monika Gerstendörfer: Rezension zum Film "ANONY...
TV-TIPP: MONALISA „Vergewaltigungen im Krieg“

Sonntag, 19. Oktober, 18 Uhr
ZDF, MonaLisa

Beitrag zu Vergewaltigungen im Krieg,
gestern, heute, morgen…
Starter: der Kinofilm „ANONYMA – eine Frau in Berlin“

Interview mit Monika Gerstendörfer.
ghic
Geschrieben am: 07.10.2008 08:59  Aktualisiert: 07.10.2008 09:50
User seit: 18.01.2008
aus: Braunschweig
Beiträge: 124
 Re: Monika Gerstendörfer: Rezension zum Film "ANONY...
Vielen Dank für den Artikel.
Ich werde mir den Film ansehen, eben wegen der Information, die ich hier darüber erhalten habe.
Das Thema Vergewaltigung in Zeiten von Kriegen ist ewig.
Es war und ist eine Kriegshandlung, eine Herabsetzung der Besiegten mittels seiner schwächsten Glieder.
Und doch ignoriert jeder Mann die Stärke dieser Frauen.
Ich bin dankbar, in Friedenszeiten geboren und aufgewachsen zu sein und in meinem Alter immer noch in einer Gesellschaft zu leben, die von einem kontinuierlichen Frieden geprägt ist.
Umso mehr erschreckend ist es, dass Gewalt gegen Frauen nie aufhören wird.
Manchmal weigere ich mich, darüber nachzudenken, weil ich sonst heule - so wie als Jugendliche, als ich mir bewußt wurde, zu einer Gruppe potentieller Opfer anzugehören und nur bedingt Einfluß darauf zu haben.
Es bleibt als Frau nur die RE-Aktion, alles Andere...
ich höre jetzt auf, sonst kommt die Wut!!!
MonikaGe
Geschrieben am: 07.10.2008 08:48  Aktualisiert: 07.10.2008 09:50
User seit: 23.09.2008
aus:
Beiträge: 74
 Re: Monika Gerstendörfer: Rezension zum Film "ANONY...
Ja, es gibt so Vieles, was uns verschwiegen wurde; auch, dass die deutschen Frauen bis in die 50er Jahre von den Behörden terrorisiert wurden. Es gab sogar Razzien der Gesundheitsämter. Stichwort: „Volksgesundheit“.
Noch ein Grund, warum die Frauen schwiegen.
Die Lockerung des Abtreibungsrechts galt übrigens nicht für weiße(!) Amis, Franzosen und Briten. Sie bezog sich auf Rotarmisten und Schwarze wg. der „rassisch unerwünschten Nachkommenschaft“…

Dieses Kapitel der deutschen Geschichte wurde so gut wie noch nicht aufgearbeitet.
Ich bin froh, dass es zum Film extra eine Arbeitsbroschüre geben wird, die an Lehrer/innen ausgehändigt wird, sollten sie mit einer Schulklasse in den Film gehen.

Der Produzent Günter Rohrbach sagte übrigens auch deutlich, dass hier die Geschichtsschreibung gefehlt habe. Das Tagebuch der Anonyma ist das einzige vorliegende bzw. bekannte Dokument einer betroffenen Frau.

Die Weltpremiere war übrigens im Sommer in Toronto.

Liebe Grüße!
Monika Gerstendörfer
www.gerstendoerfer.de
Gast
Geschrieben am: 06.10.2008 11:23  Aktualisiert: 06.10.2008 14:32
 Re: Monika Gerstendörfer: Rezension zum Film "ANONY...
"Ihr haltet ja bloß mal eben still..."

Diese Aussage/Meinung hat mich so betroffen gemacht, auch wenn sie nicht wirklich neu ist. Frauen mussten sich immer schon in einer (frauen)feindlichen Welt behaupten, das können Männer nicht nachvollziehen. Sie können auch nicht nachvollziehen, dass Sex nicht gleich Sex ist, auch wenn in beiden Fällen die gleichen Körperteile eine Rolle spielen.

Vor vielen Monaten schrieb ein junger Mann sogar noch in einem Forum, es wäre für ihn ganz normal seine Freundin im Schlaf zu belästigen, sie würde dann schon Lust bekommen. Er hätte mal mit seinen Kumpels darüber geredet, die würden es ähnlich halten. Alles klar! Klar war auch, dass ich für eine andere Meinung beschimpft worden war - frigide *gähn Emanze doppelgähn* und moment...einsam, alt und hässlich. Aber sicher.


Was ich nicht gewusst hatte, war, das die Kirche Abtreibungen absegnete. Es überrascht mich aber nicht. Kirche(nväter) waren immer schon frauenfeindlich, sind es im 21. Jahrhundert immer noch und werden es auch immer bleiben.

Deine Rezension liest sich sehr interessant, den Film werde ich wohl nicht sehen können. Aber wer weiß, vielleicht kommt er ja zum nächsten Deutschen Filmfestival nach Melbourne.
MonikaGe
Geschrieben am: 05.10.2008 11:07  Aktualisiert: 05.10.2008 14:29
User seit: 23.09.2008
aus:
Beiträge: 74
 Re: Monika Gerstendörfer: Rezension zum Film "ANONY...
Danke für diesen Kommentar.
In der Tat gab es zahlreiche Soldaten der Roten Armee, die „es“ nicht taten, sogar die Frauen und Mädchen des Gegners schützten.
Das Perfide war, dass Goebbels noch vor Einmarsch der Roten Armee die Frauen in Angst und Schrecken versetzte; von den „innerasiatischen Untermenschen“ sprach, die nichts anderes im Sinn hätten, als Frauen zu „schänden“. Zugleich lancierte er eine Legende über einen angeblichen jüdischen Hetzer, der den Russen von den stolzen germanischen Frauen berichtete, deren Stolz unbedingt gebrochen werden sollte.
Frauen als Kriegsbeute also… Fatal!
Eine Frau berichtete mir unlängst, dass ihr Vater nach dieser Goebbels-Propaganda die gesamte weibliche Familie erschießen wollte. Ihre Großmutter hätte es mit Mühen geschafft, ihn davon abzuhalten.
Wenn man bedenkt, was die Soldaten und Soldatinnen(!) der Roten Armee bereits durchgemacht hatten, dann wundert man sich wirklich, warum nicht noch mehr Grauen geschah. Auf ihrem langen Marsch sahen sie nur die verbrannte Erde ihres Landes; Kilometer um Kilometer; ihre Großmütter, Mütter, Frauen und Kinder waren von deutschen Soldaten vergewaltigt und/oder grausam ermordet worden.
Und was so gerne verschwiegen wird: die sog. Befreier (Amis, Franzosen und Briten) haben ebenfalls vergewaltigt (siehe die Daten in meinem Sachbuch). Bei den Amerikanern stand auf Vergewaltigung die Hinrichtung. Also haben sie die Tat in „versuchte Notzucht“ umdefiniert.
Völlig verschwiegen werden die langfristigen Auswirkungen dieser Gewalt an Frauen, Mädchen und sogar Jungen bis in unsere Generationen hinein. Ich bekam in den letzten Wochen zahlreiche Mails von mir gänzlich unbekannten Frauen, die mir darüber berichteten. Für die eine war Sexualität und Gewalt untrennbar verbunden, weil ihre Mutter dies so erlebt hatte und an sie weitergab. Die Nächste erzählte von ihrem als Jungen vergewaltigten Vater, der bis zu seinem Tod damit zu kämpfen hatte. Kommen die „Produkte“ der Vergewaltigungen dazu. Da kenne ich auch Fälle, wo man nur eines sieht: das Leben ist zerstört.
Langer Rede…
Es gibt nichts Perfideres als sexualisierte Gewalt. Die intergenerationelle Weitergabe dieses Gewalterlebens ist fatal und reicht bis mindestens in die 3.te nachfolgende Generation.
Traumata.

Es gilt die Daumen zu drücken. Zweifach. Für den Film, der m.E. ein „Fass aufmacht“. Am Mittwoch durfte ich die Sonder-Premiere des Films in München moderieren. Regisseur und Produzent waren da. 400 Menschen (Junge, Alte, Eheleute, Yuppies usw.). Es gab tosenden Applaus und war so bewegend. Die Leute blieben sitzen und wollten reden. Um Mitternacht war es erst zuende.
Daumen drücken auch wg. MonaLisa, die sich bei mir meldeten. Ich hoffen, sie bringen wirklich was darüber.

Es ist Zeit, das Schweigen zu brechen. So mutig wie ANONYMA müssen wir nicht mehr sein. Time to speak…

Ganz herzlich!
Monika Gerstendörfer

_________
BuchTIPP – Ohne Respekt und Würde: sexualisierte Gewalt in Krieg und Frieden, im Internet und in der Familie – ihre mediale Darstellung und die Realität für die Opfer

Gerstendörfer, M., 2007, Der verlorene Kampf um die Wörter - Opferfeindliche Sprache bei sexualisierter Gewalt. Ein Plädoyer für eine angemessenere Sprachführung, Junfermann Verlag, Paderborn. ISBN 3-87387-641-8. www.gerstendoerfer.de
http://www.amazon.de/verlorene-Kampf-W%C3%B6rter-Opferfeindliche-sexualisierter/dp/3873876418/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1215763073&sr=8-1

Kinofilm „ANONYMA – eine Frau in Berlin“ und der Bezug zum Sachbuch:
http://www.junfermann.de/index.php?idart=304&ojid=ad3c2a9dc3b5b965d58d08c28a397b31
lunka
Geschrieben am: 02.10.2008 22:27  Aktualisiert: 03.10.2008 14:59
User seit: 19.07.2007
aus:
Beiträge: 1222
 Re: Monika Gerstendörfer: Rezension zum Film "ANONY...
mir fehlt nur das eine ein, damit bin ich sozusagen auch aufgewachsen: nie wieder Krieg!!!

Nie, nie in Afganistan, Irak, Vietnam, Deutschland etc. überhaupt nicht auf der Welt. Denn nur die Schwachen leiden, Kinder, Frauen, Behinderte und und und. Wozu?

Was sind das für Männer, die den Opfern die Schuld geben? Es gab bestimmt auch zig andere, die es nicht taten, da bin ich mir ganz sicher. Nicht jeden deutschen Mann hat Goebbels-Gehirnwäsche getroffen, unmöglich.

Ich bewundere den Mut dieser Frau, darüber ein Buch zu schreiben, war bestimmt nicht leicht.



 

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