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Texte : Erika Weder - Altersarmut
Veröffentlicht von MarieTheres am 25.09.2009 13:07 (1220 x gelesen)

Ich bin 60 Jahre alt und erhalte eine Witwenrente von 344,94 Euro im Monat.

Mein Mann hatte einen guten Beruf, er war erst Koch, machte dann den
Küchenmeister und war selten ohne Arbeit.

Bevor wir uns kennen lernten, war er 15 Jahre zur See gefahren, nur sporadisch angemeldet und wenn er sich im Ausland aufhielt, wurde gar keine Sozialversicherung bezahlt. Die letzten 22 Jahre war er in München in verschiedenen Restaurants als Küchenchef beschäftigt, aber immer mit dem gleichen Chef.

Was ich nicht wusste: Mein Mann war nur zum niedrigsten Tarif angemeldet, der Rest wurde ihm schwarz ausbezahlt. Ich hatte mich immer gewundert, dass beim Lohnsteuer-Jahresaus-gleich so wenig raus kam. Schließlich konnte er den 2. Wohnsitz und die Heimfahrten, hin und zurück - 240 km - geltend machen. Den Ausgleich machte der Rechtsanwalt der Firma... Das alles erfuhr ich im Nachhinein, als nichts mehr zu ändern war...

Wieder ohne mein Wissen, beantragte mein Mann mit knapp 58 Jahren, die Frührente. Am Stammtisch (!) hatte man ihm vorgerechnet, dass er eine gute Rente bekäme und noch 400 Euro im Monat dazu verdienen könne. Gesagt – getan! Ich fiel aus allen Wolken, als die Bestätigung der Versicherungsanstalt ankam. Mein Mann war ab sofort Frührentner. Er hatte
Probleme mit dem rechten Bein, er wurde ein paar Mal an Krampfadern operiert worden
und der Professor riet ihm, nicht viel zu stehen – in der Küche unmöglich.

Wir bekamen 575 Euro Rente im Monat. Da wurde mir Angst und Bange, wenn ich an die Zukunft dachte. Was wird, wenn mein Mann nicht mehr arbeiten kann?


Dass ich allein zurückbleiben könnte, kam mir gar nicht in den Sinn. Mein Mann hatte mir immer erzählt, dass er uns alle überleben würde... Er war 60 Jahre alt, als er morgens tot auf der Couch saß.

Es dauerte nicht lang, bis ich Bescheid von der Landesversicherungsanstalt bekam, ich hätte Anspruch auf eine Witwenrente von 344,94 Euro im Monat.

Ich musste damals fast 500 Euro Miete zahlen. Also zum Sozialamt - schön war das nicht, man muss sich da richtig „ausziehen“ lassen. Geld, Gespartes, Schmuck, Wertvolles, Haus- und Grundbesitz, Auto – wie alt? Es half alles nichts. Ich musste alles ausfüllen, keine Ahnung, wie viele Fragebögen.

Dann bekam ich es schriftlich: Um überleben zu können, bezahlt mir das Sozialamt die sogenannte „Grundsicherung“ von 307,05 Euro seit Januar nach dem Tod meines Mannes, bis
Dezember 2006 waren es 4 Euro weniger. Ha, nun werde ich nach neuestem Beschluss 1 Euro und ein paar Zerquetschte mehr kriegen! Mein Gott, was mache ich bloß mir meinem plötzlichen Reichtum?

Also verfüge ich über ein Gesamteinkommen von 651,99 Euro pro Monat. Die Miete für meine 2-Zimmer-Wohnung, die ich glücklicherweise schnell fand, beträgt 350 Euro monatlich incl. Nebenkosten und Strom. Dann gehen meine Versicherungen und sonstigen Kosten ab. Die Zeitungen habe ich abbestellt, die Telefonrechnung bezahlen meine Töchter. Mein Auto musste ich im Juni 2006 abmelden, weil ich es mir nicht mehr leisten konnte. Eine fällige Reparatur hätte 400 - 500 Euro gekostet, Steuern und Versicherung waren fällig – woher sollte ich die 1000 Euro nehmen?

Mir bleiben etwa 200 Euro im Monat für Lebensmittel, Unterhaltung, Garderobe, Reisen, Ausgehen. Die letzten vier Punkte sind ersatzlos gestrichen. Meine Kinder sorgen für einen neuen Pulli oder eine Hose ab und zu und zum Essen werde ich manchmal eingeladen. Im Februar hat mir einer meiner Schwiegersöhne ein Auto gekauft und vollgetankt – ich bin stolze
Besitzerin eines roten BMW, schon ziemlich gebraucht, aber meiner...

Für Steuer und Versicherung hat meine ganze Familie zusammengelegt, jetzt brauche ich nur ab und zu Benzin – ich kann wieder selbst einkaufen. Ich habe auch schon meine Schwester besucht, das konnte ich lange nicht mehr, gestern war ich bei meiner Mutti am Chiemsee. Freiheit pur...

Wenn meine eigene Rente fällig wird, bekomme ich 214 Euro im Monat. Die werden aber sofort von der „Grundsicherung“ abgezogen, denn ich habe nur Anspruch auf 650 Euro im Monat! Dabei liegt die offizielle Armutsgrenze bei etwa 856 Euro.

Ich habe meine vier Kinder großgezogen und nur sporadisch arbeiten können, ich hatte weder Oma noch Tante greifbar, die mir mal die Kinder abgenommen hätten. Als das letzte Kind aus dem Gröbsten heraus wuchs, war ich so krank, dass ich nicht mehr fähig war, eine Arbeitsstelle anzutreten...

© Erika Weder

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User Diskussion
lunka
Geschrieben am: 06.10.2009 14:10  Aktualisiert: 07.10.2009 00:54
User seit: 19.07.2007
aus:
Beiträge: 1222
 Re: Erika Weder - Altersarmut
ich hab den Text schon mal gelesen,

Erika, ich bewundere deinen Lebensweg.

Für mich ist ganz klar, du musst dich für diese Art der Armut überhaupt nicht rechtfertigen,

wir sollen sich schämen (Gesellschaft, "Leistungselite", gegenwärtige Beitragszahlter etc.), dass wir den Menschen so ein Leben in Alterarmut ermöglichen,

es ist ja nicht nur das Altern, es ist auch ein Auf- und Heranwachsen unter solchen Bediengungen eine Normalfall-Tendenz, es wird akzeptiert und obendrauf bekommt einer noch gesagt: Selbst schuld.

Was ich nicht richtig finde. Selbst schuld kann ein Rentner nicht sein,
er lebt nicht alleine auf der Welt und hat nicht alleine vorher gelebt, da gab es immer mehrere, die auch was dazu beigetragen haben (auch jetzt).

Du hast die 4 Kinder,
du hast so viel Erfahrung, du hast ein gutes Leben gelebt,
sollen das Geld sich doch andere teilen und versuchen, dabei glücklich zu sein.



 

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