„Das hatten wir uns anders vorgestellt“
Wie eine Beratung jungen Eltern helfen kann
Wenige Wochen nach seiner Geburt brachte Sven* seine Eltern an den Rand der Verzweiflung. Der Säugling litt an starken Blähungen, schrie oft und lange.
"So hatten wir uns das nicht vorgestellt", erinnert sich Svens Vater Tobias Müller*. "Das häufige Schreien war eine sehr starke Belastung für unsere Ehe. Wir wussten nicht damit umzugehen. Außerdem wollten wir bei unserem ersten Kind alles perfekt und richtig machen". Die Freunde kommentierten :
"Der hat ja nur Hunger!" oder "Das hört von alleine wieder auf!" und halfen den Eltern damit ebenso wenig wie Hausmittel und homöopathische Arznei. Dann empfahl die Hebamme einen Besuch bei Heidi Schneider aus Senden, und alles wurde anders.
Heidi Schneider ist in Ulm und Senden als Beraterin für "Emotionelle Erste Hilfe" im Einsatz. Ihr eigenes drittes Kind war sehr unruhig und stellte das Leben seiner Familie gehörig auf den Kopf. Nach 20 Jahren Arbeit als Kinderkrankenschwester plus Erfahrung als Stillberaterin der La Leche Liga wusste Heidi Schneider bereits viel über Babys, doch gegen das Schreien ihres eigenen Sohnes war sie machtlos. Die Mutter wollte Gründe wissen und absolviert deshalb gerade die Zusatzausbildung zur Beraterin für "Emotionelle Erste Hilfe" nach Thomas Harms sowie zur Heilpraktikerin.
Jetzt hat sie gute Argumente, sich dagegen zu wehren, wenn Erwachsene Babys wie ihrem Sohn oder wie Sven den Stempel "schwieriges Kind" aufdrücken. "Schreikinder sind besonders liebesbedürftig und haben ganz besondere Eigenschaften", weiß sie heute. "Sie reagieren zum Beispiel stark auf Zwischentöne". Eine schwierige Schwangerschaft oder Geburt, Verspannungen und Blockaden des Babys können noch dazu beitragen, dass ein Baby sich
schwer tut mit dem Leben außerhalb des Mutterleibs. Auch Sven war schnell und heftig auf die Welt gekommen, und die ersten Stillversuche scheiterten.
Der sensible kleine Junge schrie sein Unwohlsein heraus. Tobias und Lara* Müller fühlten sich überfordert, das Kind spürte das, weinte noch mehr, den Eltern ging es immer schlechter.
Heidi Schneider kennt diesen Teufelskreis allzu gut und arbeitet an der Bindung zwischen den Eltern und ihrem Baby. Schon die Worte„Sie machen nichts falsch“ oder „Sie sind nicht schuld“ tun ihrer Erfahrung nach vielen Müttern sehr gut. Svens Eltern versicherte die Beraterin, dass ihr Sohn starke Bedürfnisse, die Gefühlswelt eines Erwachsenen habe: ,,Schreien ist dabei sein Kommunikationsmittel. Verbietet man ihm sein Schreien, dann ist das, als ob man einem Erwachsenen das Sprechen verbietet."
Eine konkrete Übung brachte Tobias, Lara und Sven Müller weiter: Die Mutter legte sich ihren Sohn auf die Brust, ließ ihn dort weinen, also von sich erzählen und stellte sich gleichzeitig immer wieder einen entspannten, glücklichen Sven vor. Heidi Schneider begleitete sie, hielt ihre Hand im Rücken der jungen Mutter und half ihr, über die "Rückbindende Atmung" in Kontakt mit ihrem Körper zu bleiben. "So konnte Sven das liebevolle Bindungsangebot seiner Mutter annehmen, entweder durch das Weinen gehen oder sich ganz entspannt auf ihrer Brust fallen lassen", meint Heidi Schneider. "Dieses erste Erzählen war richtig laut, heftig und vor allem für meine Frau emotional sehr belastend", erinnert sich Tobias Müller. Doch am Ende schlief Sven entspannt ein.
In weiteren Sitzungen arbeitete Heidi Schneider mit der Mutter und dem Baby, das u.a. eine Schmetterlingsmassage nach Eva Reich bekam. Die Blähungen und das Schreien sind stark zurückgegangen, und die Müllers können ihr Familienleben jetzt genießen: "Wenn Sven etwas nicht passt, dann zeigt er dies auch weiterhin durch Weinen, aber nun können wir damit umgehen und verlieren nicht mehr das innere Gleichgewicht".
*Namen geändert
Emotionelle Erste Hilfe...
...wurde entwickelt von Thomas Harms, Diplompsychologe und Körpertherapeut
und Leiter der Schreiambulanz Bremen
...basiert auf Erkenntnissen der modernen Körperpsychologie und Bindungsforschung
...vermittelt und verbessert u.a. Stressmanagement, Elternkompetenz, Bindungsaufbau durch Stärkung über die Herzarbeit, Bewusstwerden der bindungsschwächenden Muster in der Eltern-Kind-Beziehung, Zentrierungs- und Rückbindungsprozess
...wird nicht von den Krankenkassen übernommen
...findet in Praxen oder bei den Familien zuhause statt
...Kontakt zu Schreiambulanzen vermittelt Heidi Schneider unter 07307-24683
Buchtipps für Eltern unruhiger Kinder:
Paula Diederichs: Unser Baby schreit so viel. Was Eltern tun können. Kösel 2002, EUR 14,95
Thomas Harms: Auf die Welt gekommen. Die neuen Baby-Therapien. Leutner 2000, EUR 19,95
© Petra Plaum
User | Diskussion |
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maedelmama | Geschrieben am: 04.10.2006 21:35 Aktualisiert: 04.10.2006 21:52 |
![]() ![]() User seit: 23.10.2005 aus: Beiträge: 335 |
![]() Jaja, Jedes Kind kann schlafen lernen...das Buch habe ich auch, einige stimmige Dinge stehen drin (z.B. stimmt wohl, dass das Baby, das tagsüber dauernd schläft und nachts viel trinkt, umgestellt werden kann und muss), aber wir haben die Methode genau einmal ausprobiert und fanden's furchtbar.
Meine Große war ein Schreibaby und hätte ich Heidi damals gekannt, wäre mein Leben um so vieles einfacher verlaufen...allerdings habe ich instinktiv wohl vieles richtig gemacht, habe z.B. gelernt, ruhig und bewusst zu atmen, wenn ich so richtig "geladen" bin und übertrage meine Ruhe dann auch auf die Kinder. Mein Schreibaby Amelie blieb ein Kind, das wenig und ungern schläft. Aber sie ist ein sehr liebes, verständiges vierjähriges Mädchen geworden, das sehr sensibel auf andere eingeht und jede Menge gute Seiten hat -- von wegen "verwöhnt"... |
MarieTheres | Geschrieben am: 30.09.2006 11:29 Aktualisiert: 30.09.2006 11:29 |
Webmaster ![]() ![]() User seit: 03.10.2005 aus: Bayern - Teneriffa Beiträge: 1399 |
![]() Hallo Petra,
schöner Text, lebendig beschrieben. Würde mich freuen, wenn Heidi Schneider auch noch einen persönlichen Erfahrungsbericht schreiben würde. Dicken Gruß und Danke für die Tipps. M.Th. |
Gast | Geschrieben am: 29.09.2006 13:20 Aktualisiert: 29.09.2006 21:26 |
![]() Wie wahr, wie wahr. Zusätzlich kann ich Jirina Prekop empfehlen: Schlaf Kindchen, schlaf verflixt nochmal. Auf gar keinen Fall empfehle ich Anette Kast-Zahn: jedes Kind kann schlafen lernen. Es ist ein Dressurbuch, das die Bindung zwischen Eltern und Kind eher ausser Acht lässt und die Hingabe an das Kind unterbindet.
Sicher ein hilfreicher Text. Gruß Polka |
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Brigitta-B | Geschrieben am: 29.09.2006 12:12 Aktualisiert: 29.09.2006 21:27 |
![]() ![]() User seit: 23.10.2005 aus: Beiträge: 4761 |
![]() Was meinem Schreibaby anno dazumals geholfen hat:
Immer vor dem Fläschchen einige Tropfen Fenchelextrakt mit dem Löffel einflösen! Dies musste ich bei unserer "Amerikanerin" tun, denn in USA gab's keinen Fencheltee. Ob's bei unserem "Bayer" auch nötig gewesen wäre, weiss ich nicht, der hat halt ab sofort zwischen den Mahlzeiten immer Fencheltee gekriegt, womit er unter Umständen gar keine Koliken hat kriegen können. Aber wer weiss? Niemand! Brigitta-Barcelona |