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Texte : Marie Theres Kroetz Relin - BILD Erotik-Bibliothek Nr. 2- Catherine Millet
Veröffentlicht von MarieTheres am 25.07.2006 00:34 (521 x gelesen)

Ich liebe diese paradoxe Einsamkeit

Ich stehe beim Einkaufen vor prall gefüllten Regalen und mein Kopf ist voller mit Gedanken über den autobiographischen Roman von Catherine Millet, den die 58-jährige Kunsthistorikerin über ihr sexuelles Leben und „für die Frauen“ geschrieben hat.

Ich packe die Waren in meinen leeren Wagen. So selbstverständlich wie ich mich bediene und dabei auch Neues, Unprobiertes entdecke und mitnehme, so selbstverständlich beschreibt Madame Millet ihren Sex und die Zahl der Männer (es sollen über 1000 gewesen sein!), an denen sie sich bedient hat. Es gibt kaum einen sexuellen Akt den Catherine M. nicht bis ins Detail beschreibt und dabei erstaunlich sachlich bleibt: „Damals war ich das Objekt der Männer. Aber durch das Buch habe ich mich wieder zum Subjekt gemacht und die Männer zu Objekten.“ schreibt sie. Wirklich?
Mich interessiert die Frau, die hinter diesen Beschreibungen steht: „Ich liebe diese paradoxe Einsamkeit“ schreibt sie und weiter: „Sexuelle Frustration stürzt mich in einen Zustand, den ich einen harmlosen Autismus nennen möchte, ich bin völlig abhängig von einem begehrlichen Blick und von der Berührung, die mich bedecken. Dann verflüchtigt sich die Angst, und ich kann wieder meinen Platz in einer Welt einnehmen, die nicht mehr feindlich ist.“ Sie empfindet sich nicht als „hässlich“, aber auch nicht als schön und fühlt sich „eher gehemmt“. „Sexuelle Fantasien sind so persönlich, dass man sie in Wirklichkeit kaum mit anderen teilen kann.“ verteidigt sie sich und bekennt: „Ich sagte schon, dass ich Angst hatte vor zwischenmenschlichen Beziehungen und dass Sex ein Refugium war, wohin ich mich gerne flüchtete.“
Ich setze meine Gedankensplitter wie zu einem Puzzle zusammen. Mein Wagen ist voll und ich steuere die wuchtige Lady an der Kasse an. Dabei denke ich an Catherine: „ Weil ich mich immer, auch heute noch, vor einer größeren Frau, egal wie alt sie ist, wie ein tollpatschiges Kind benehme - bei einem Mann passiert mir das nie.“ Ich lege meinen Einkauf auf das Band - neutral, sachlich, zweckgebunden. Genauso wie Catherine den Sex beschreibt. Mein Fazit: Zwischen den Zeilen hat sie ihre eigentliche „Wahrheit festgehalten“, die Angst vor der Einsamkeit und die Sehnsucht nach Anerkennung. „Man zensiert sich, wo man doch glaubt, alles zu enthüllen.“ Alles sehr menschlich, oder? Das einzige, was mir in diesem freizügigen, jetzt schon als „Klassiker der Erotik“ (erschienen 2001!) bezeichneten Roman fehlt, ist ein bisschen Aufklärung: schließlich ist Aids ist überwiegend weiblich und ungefähr alle zehn Sekunden stirbt jemand an dieser Krankheit. "21 - 22 - 23" zähle ich die Sekunden und schnippe mit dem Finger. Wieder eine weniger. „Und dass wir diese Wirklichkeit als Bild betrachten, hindert die Bäume nicht am Wachsen und die Blätter nicht am Fallen.“ schreibt Catherine Millet.
Ich zahle nachdenklich und gehe.



© Marie Theres Kroetz Relin

Über die Autorin:

Catherine Millet, 1948 in Bois-Colombes geboren, ist Expertin für Moderne Kunst und Chefredakteurin der Zeitschrift art press. Sie war Kuratorin des französischen Pavillons bei der Biennale 1995 in Venedig und bei der Biennale 1989 in São Paulo. Millet hat etliche Bücher und Essays über zeitgenössische Kunst geschrieben. Ihre sexuelle Autobiographie gilt als eines der spektakulärsten Bücher der letzten Jahre, noch nie hat eine Frau so offen und mit solch gelassener Selbstverständlichkeit über ihre intimsten Geheimnisse geschrieben. In Frankreich sorgte das Werk für großen Aufruhr, bis zu 5000 Exemplare gingen dort täglich über den Ladentisch. Auch von der internationalen Presse wurde „Das sexuelle Leben der Catherine M.“ hoch gelobt, die Rechte in über 20 Länder verkauft. Catherine Millet lebt mit ihrem Mann, dem Schriftsteller und Fotografen Jacques Henric, in Paris.

Weiter Infos unter BILD:

Ich liebe diese paradoxe Einsamkeit

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User Diskussion
Sabin
Geschrieben am: 27.07.2006 12:41  Aktualisiert: 27.07.2006 13:01
User seit: 24.10.2005
aus: München
Beiträge: 464
 Re: Marie Theres Kroetz Relin - BILD Erotik-Bibliothek Nr...
Dies Form dieser Buchbeschreibung ist sehr gelungen. Mir gefällt die Art des Reflektierens während einer Alltagstätigkeit. Es ist authentisch.
Die Autorin interessiert mich. Zugang zu erotischer Literatur hatte ich bisher noch nicht. Ich weiß auch nicht, ob mich es im Moment ansprechen würde. Vielleicht ist die Zeit auch noch nicht reif dafür. Ich finde es auf jeden Fall interessant und werde es weiter "beobachten".
Gruß Sabine
Gast
Geschrieben am: 26.07.2006 08:34  Aktualisiert: 26.07.2006 10:07
 Re: Marie Theres Kroetz Relin - BILD Erotik-Bibliothek Nr...
Tausend muss ich auch nicht haben, ich möchte mich noch erinnern können

Mit Übersetzungen habe ich recht gute Erfahrungen gemacht. Ich finde die Übersetzer beherrschen ihr Handwerk.
Mir bliebe auch gar nichts anderes übrig, als für dieses Buch eine Übersetzung zu lesen, ich kann leider kein Französisch

Zum Thema Aids...da habe ich vor Monaten mal einen Beitrag im TV gesehen. Irgendwo in Afrika wurden die Frauen dazu verdammt mit ihren Aids infizierten Männer ohne Kondom zu schlafen, weil Mann ja kein Kondom benutzen darf, wenn man katholisch ist. Abgesegnet von der kath. Kirche, der (wie heissen die noch...Bischof?) sprach davon vor laufender Kamera. Da die Frau ja weniger wert ist und sie dem Mann dienen muss, wurde es als selbstverständlich angesehen, dass mit ihrem Leben gespielt wurde.
Mir ist die Galle hochgekommen und wenn ich gekonnt hätte, hätte ich den dämlichen Bischof geschlagen und das obwohl ich ein friedlicher Mensch bin
Brigitta-B
Geschrieben am: 25.07.2006 23:07  Aktualisiert: 25.07.2006 23:24
User seit: 23.10.2005
aus:
Beiträge: 4761
 Re: Marie Theres Kroetz Relin - BILD Erotik-Bibliothek Nr...
Marie Theres, weiss doch, dass der von mir im meinem P.S. zitierte Satz von Catherine Millet stammt!

Gehe davon aus, dass eine bestimmte Leserin weiss, worauf sich mein Kommentar darauf bezieht ...

Brigitta-Barcelona
Gast
Geschrieben am: 25.07.2006 21:55  Aktualisiert: 25.07.2006 22:44
 Re: Marie Theres Kroetz Relin - BILD Erotik-Bibliothek Nr...
Du machst Deinen Weg. Das gefällt mir. Ich wünsche Dir viel Kraft und Durchhaltevermögen.

Zu Erotik-Literatur habe ich noch keinen Zugang, ich ackere mich gerade mit Freude durch die jüdische Literatur.
Aber was nicht ist kann noch werden.

Gruß
Hanna
MarieTheres
Geschrieben am: 25.07.2006 13:45  Aktualisiert: 25.07.2006 13:45
Webmaster
User seit: 03.10.2005
aus: Bayern - Teneriffa
Beiträge: 1399
 Re: Marie Theres Kroetz Relin - BILD Erotik-Bibliothek Nr...
Zu deinem P.S. Brigitta:

Der Satz stammt von Cathrine Millet und ist ein Zitat aus dem Buch.

By the way: Danke fürs Lesen und kommentieren!!!!

Isch freu misch

Gruß

M.Th.
Brigitta-B
Geschrieben am: 25.07.2006 11:34  Aktualisiert: 25.07.2006 13:42
User seit: 23.10.2005
aus:
Beiträge: 4761
 Re: Marie Theres Kroetz Relin - BILD Erotik-Bibliothek Nr...
Ich habe das Buch kurz nach Veröffentlichung gelesen, habe mich sogar noch durch die Originalversion geackert. Denn hier in Spanien hat sich die Bevölkerung echt geteilt, als es in Spanisch auf den Markt kam. Die eine Hälfte hat das Buch und logischerweise die Autorin damit verdammt, die andere Hälfte fand keine Worte mehr, um sie noch weiter in den Himmel des Lobes zu heben.

Da Übersetzungen meistens katastrophal sind, besorgte ich mir das Buch in Französisch, um in den wahren Genuss zu kommen. Denn ein Genuss ist es, das Lesen dieses Buches!

Catherine Millet beschreibt das, was viele Frauen denken, aber nicht auszusprechen wagen, bzw. nicht einmal von sich selbst zu denken wagen - teilweise weil sie zu konservativ erzogen wurden, teilweise weil es aber heutzutage einfach nicht mehr angebracht ist, sich als sexuelles Objekt des Mannes zu fühlen in unserer emanzipierten Welt.

Brigitta-Barcelona

P.S. Sexuelle Phantasien sind so persönlich, dass man sie nicht mit anderen teilen kann? Na ja, da bin ich nicht ganz einverstanden. Man kann sehr wohl am Meer in einer kleinen Bucht sitzend mit einer sehr guten Freundin über sexuelle Phantasien plaudern...
Gast
Geschrieben am: 25.07.2006 10:13  Aktualisiert: 25.07.2006 10:32
 Re: Marie Theres Kroetz Relin - BILD Erotik-Bibliothek Nr...
Diese Einbettung der Buchvorstellung in den Einkauf ist sehr geschickt und vermittelt auch gut, was du sagen willst.
Ich hab schon von dem Buch gehört, aber gereizt hat es mich nie.
Bei mir wirkt alles, was so viel ist eher abstoßend als anregend und 1000 find ich extrem viel.
Und dann noch sachlich und neutral: Fast wie ein Ärzteratgeber.
In der Schule hatte ich mal eine Freundin, die flüchtete sich auch gerne in Sex und schaffte es bis zum 18. Geburtstag immerhin auf über 30 Männer.
Die Details der Bekanntschaften gab sie gerne (ungefragt) preis.
Ich fand das einfach nicht erotisch.
So verschieden sind die Leut`.
Aber vielleicht les ich es ja trotzdem. Man muss es ihr ja nicht gleich nachmachen wollen

ursi



 

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