Mal Hand aufs Herz: Haben Sie schon mal einen Euro auf der Straße gefunden, sich gefreut, ihn eventuell sogar als Glücksbringer angespuckt und eingesteckt? Und Sie sind nicht damit zum Fundbüro gegangen? Pfui, Ihnen kann man ja gar nicht vertrauen! Kündigungsschutz ade, so denken deutschen Richter:
wegen 1,30 Euro hat eine Kassiererin nach 31 Jahren ihren Job verloren! Die 50-Jährige soll zwei Pfandbons über 48 und 82 Cent unterschlagen haben (ein unbekannter Kunde ließ die Pfandmarken liegen). Die dreifache Mutter und zweifache Großmutter brach während der Urteilsverkündung in Tränen aus, denn das Berliner Landesarbeitsgericht erklärte die fristlose Kündigung für rechtens. Nun muss sie von Hartz IV leben. Der wahre Grund der Kündigung? Die gewerkschaftlich organisierte Angestellte der Supermarkt-Kette Kaisers beteiligte sich bei Streikaktionen im Einzelhandel. Wer den Mut hat den Mund aufzumachen, ist nicht unbedingt beliebt. Jedenfalls hatte die Gekündigte eine Unterschlagung stets bestritten, wurde aber im Gerichtssaal von Kolleginnen belastet. Und deshalb sehen es die Berliner Richter als erwiesen an, dass die Kassiererin die Pfandmarken für sich selbst einlöste. Kollegiale Kolleginnen - das Unternehmen verwies auf seine Werte und Regeln der Zusammenarbeit: absolute Ehrlichkeit und Vertrauen. Job, Mob, Hopp? Also, ich lass' den nächsten nicht mir gehörenden Euro liegen, ich will ja keine Straftat begehen. Hä?
P.S.: Am 8. März ist Frauenstreiktag!
© Marie Theres Kroetz Relin, erschienen in Die Aktuelle Heft 11
User | Diskussion |
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Spirits | Geschrieben am: 12.03.2009 21:09 Aktualisiert: 14.03.2009 18:01 |
![]() ![]() User seit: 23.10.2005 aus: irgendwo in den unendlichen Weiten des WWWs Beiträge: 175 |
![]() @ Briga - ja, aber nur, weil es "Formfehler" gab - es wurde bei den ausgesprochenen Kündigungen der Betriebsrat nicht gehört, das war aber der einzige Grund, warum das Gericht so entschieden hat.
lG Spirits |
Brigitta-B | Geschrieben am: 11.03.2009 18:27 Aktualisiert: 12.03.2009 20:23 |
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![]() Es gibt bereits einen neuen Fall: Zwei Bäcker haben sich erlaubt Brotaufstrich der Firma auf ihre EIGENEN Brote zu schmieren ... sie wurden gekündigt.
Diese Kündigen wurde jedoch vom Gericht als UNRECHTMÄßIG bezeichnet!!! Brigitta-Barcelona |
Spirits | Geschrieben am: 10.03.2009 22:47 Aktualisiert: 12.03.2009 20:23 |
![]() ![]() User seit: 23.10.2005 aus: irgendwo in den unendlichen Weiten des WWWs Beiträge: 175 |
![]() im Gegensatz zum Strafrecht, gilt im Arbeitsrecht nicht die "Unschuldsvermutung". Einem vermeintlichen Straftäter muss die Straftat (und Diebstahl ist/wäre eine Straftat) nachgewiesen und bewiesen werden, damit er/sie bestraft werden kann (wobei auch noch „In dubio pro reo“ - im Zweifel für den Angeklagten" gibt). Im Arbeitsrecht reicht der einfache Verdacht, um einem Mitarbeiter (ausserordentlich) zu kündigen und ein „In dubio pro reo“ gibt es schon mal gar nicht.
Zitat: Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG "Die Verdachtskündigung wird nicht auf eine vom Gekündigten begangene schuldhafte Pflichtverletzung selbst gestützt. Sie gründet sich allein darauf, der Gekündigte stehe im Verdacht, die Vertragsverletzung (meist eine Straftat oder ein Vertrauensbruch) begangen zu haben. Die Verdachtskündigung kann sowohl als ordentliche als auch als außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden." d.h. im Strafrecht muss dem Beklagten die Schuld nachgewiesen werden, beim Arbeitsrecht muss der "Beklagte" seine Unschuld beweisen, es ist also eine "Beweisumkehrung" - das ist das eigentliche Problem (und Skandal)! Und leider Gottes ist die Verdachtskündigung ein "gern genommenes Instrument" von Arbeitgebern, sich von "unbequemen" und/oder "Tarifmitarbeitern" zu entledigen. Dabei sollte sich jeder Arbeitnehmer im Klaren sein - die private Nutzung der Computer während der Arbeitszeit, der (un)bewusst eingesteckte Kugelschreiber, der (un)bewusst eingesteckte Notizblock, der flinke Privatausdruck am (Büro)Drucker etc kann schon zu einer ausserordentlichen Kündigung führen, wobei der reine Verdacht zu diesen Handlungen schon ausreicht. lG Spirits |
Blackforest | Geschrieben am: 10.03.2009 20:16 Aktualisiert: 12.03.2009 20:22 |
![]() ![]() User seit: 23.10.2005 aus: Beiträge: 1927 |
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Brigitta-B | Geschrieben am: 09.03.2009 23:34 Aktualisiert: 10.03.2009 19:39 |
![]() ![]() User seit: 23.10.2005 aus: Beiträge: 4761 |
![]() Wie bitte? Ich nehme den nächsten Euro weiterhin mit ... sollte ihn nicht jemand vor mir schon aufgehoben haben
![]() Brigitta-Barcelona |
lunka | Geschrieben am: 09.03.2009 23:18 Aktualisiert: 10.03.2009 19:38 |
![]() ![]() User seit: 19.07.2007 aus: Beiträge: 1222 |
![]() Was mich interessiert,
hat sich dieser Kunde, der die Pfandbons verloren hatte, gemeldet? Konnte das Gericht den rechtmäßigen Besitzer der verlorenen Bons feststellen? (wenn nicht, wozu diese ganze Aktion überhaupt? --> es geht nur um Kündigung. Die konnten da nicht einfach so kündigen, weil sie in der Gewerkschaft war) Warum muss die Kassiererin die Bons aufbewahren, wenn sich wg. dieser "Wuchersumme" eher kein Mensch meldet? Hätte sie lieber gesagt, der nette Unbekannte / Bekannte Kunde hat die Bons ihr einfach geschenkt (genauso könnte er ihr 1,30 Euronen in die Hand drücken und sagen, kaufen Sie sich was für, liebe Frau Kassiererin). Selbst wenn sie diese "ungültige" (bloß weil verloren, werden die ja nicht ungültig, Pfandbons sind noch nicht personalisiert!) Bons dem Abteilungsleiter abgegeben wurden, was glaubt ihr, wie lange hätte er die Bons i.H. von 1,30 € aufbewahrt??? Eben ;-) (ein guter Abteilungsleiter hätte jedem Mitarbeiter von dieser Summe etwas spendiert und gut ist! Das Geschäft hätte da sowieso keinen Verlust erwirtschaftet, denn die Pfandflaschen sind ja noch im Geschäft geblieben, wurden ja vom unbekannten/bekannten Kunden abgegen) Für mich ist das einfach lächerlich, das Ganze. Aber Richter müssen ja manchmal auch Erbsen zählen üben. Und Kollektiv ist kein Kollektiv, sondern Ellenbogengesellschaft. Dabei kommt so was raus. Normalerweise hätte man es so machen müssen: die Kassiererin und die Mitarbeiter teilen sich die Summe i. H. von 1,30 € und gut ist. Es sei denn, der Kunde, der die Bons verloren hat, erinnert sich daran und kommt zurück und pocht auf seine 1,30 €. Selbst dann kann ein guter Kollektiv diese Summe problemlos wieder solidarisch zusammen kriegen ![]() |
Blackforest | Geschrieben am: 07.03.2009 12:18 Aktualisiert: 08.03.2009 21:13 |
![]() ![]() User seit: 23.10.2005 aus: Beiträge: 1927 |
![]() Hier geht es um einen Vergleich.
Was können Banker und Manager alles erlauben und noch erlauben? Wie hart wird dagegen eine kleine Angestellte bestraft? Gibt es da nicht einen Unterschied, beispielsweise, wenn ein kleiner Junge der Mutter 2 Euro aus dem Geldbeutel klaut oder dagegen eine Bank überfällt und Geiseln nimmt? Hier geht es nicht um die Angestellte. Es geht hier um die Abzocker-Mentalität einer Minderheit oder um eine Minderheit, die das große schnelle Geld auf die Kosten der Allgemeinheit machen. Verantwortung für die Menschheit oder für ein Teil der Menschheit ist hier auf der Strecke geblieben. Interessant wäre auch, der Frage nachzugehen, warum man ausgerechnet jetzt eine Bank hochgehen läßt und eine derartige Pressekampagne auf den Weg leitet? Von was soll hier abgelenkt werden? Grüße Wolfgang End |
jippie | Geschrieben am: 07.03.2009 10:21 Aktualisiert: 07.03.2009 10:50 |
![]() ![]() User seit: 30.12.2005 aus: Beiträge: 3928 |
![]() Entschuldige, aber hast du das Urteil und die Urteilsbegründung gelesen?
Nicht? Demnach stellt sich ein vollkommen anderer Sachverhalt dar, als vereinfacht von den Medien wiedergegeben und lässt die arme, bemitleidenswerte Kassiererin in einem vollkommen anderen Licht erscheinen. Sie hat nicht nur unterschlagen, sondern dazu auch noch gelogen, dass sich die Balgen biegen und andere Kollegen als zu unrecht beschuldigt. Mit dieser Geschichte wäre sie bei faktisch jedem Unternehmen gekündigt worden: Urteil und begründung im Wortlaut Sie ist kein Opfer und mein Mitleid und meine Solidarität bekommt sie nicht. Selbst der Betriebsrat und verdi haben sich von ihr und den Aktionen der verschiedenen Interessengruppen distanziert. Ich finde es vollkommen unverantwortlich, dass man zu Boykotten aufruft und damit Arbeitsplätze gefährdet, obwohl die Sachlage eindeutig ist. Wer schützt die ehrlichen Kassiererinnen und Verkäuferinnen vor diesem Medienhype? |
Blackforest | Geschrieben am: 07.03.2009 09:56 Aktualisiert: 07.03.2009 10:50 |
![]() ![]() User seit: 23.10.2005 aus: Beiträge: 1927 |
![]() Falschheit und Pharisäertum ist Gegenwart! Diese Dinge an die Öffentlichkeit zu bringen ist das Richtige.
Es fehlt nur noch die Mutter Courage im Individuum. Grüße Wolfgang End |