Kein männliches Wesen weit und breit, das sich genötigt fühlen musste, an Grünzeug zum Verliebtentag zu denken.
Wohlgemerkt, für mich.
Es wären eh nur Nelken gewesen und ich hasse Nelken.
Die Nicht-Nelken sind für Andere.
Murphy’s Law.
Gut so.
Sarkasmus, meint ihr?!
Mein treuer Begleiter.
Eine langlebige Beziehung, wir beide.
Einsamkeit habe ich gekillt. Sie hinterließ mir jedoch aus Rache ein unbestimmtes Gefühl das ich mit dem Wort "Leere" manchmal umschreiben würde.
Wenn ich das denn täte.
Wo käme ich hin, würde ich das zugeben!
Gut, also weiter...
Mir geht’s gut. Ich lebe allein. Ohne Viehzeug. Ohne Grünzeug. Ohne Alles.
Doch, ich habe ein paar Blumen in der Vase, mein Nachbar hat sie mir vorgestern geschenkt weil ich seinen Briefkasten 3 Wochen lang leerte als er mit seiner neuen Freundin in Australien weilte.
Ein netter Nachbar. Eine sexy Freundin. Und so jung. Nein, nicht er; sie!
Er feierte den gleichen runden Geburtstag wie ich im gleichen Jahr. Nur 2 Monate früher. Das verbindet uns, meint er. Die gleiche Generation, den gleichen Musikgeschmack, die gleiche politische Vergangenheit, die gleichen gesellschaftlichen Erfahrungen, die gleiche Anzahl an vergangenen Ehen. Alles gleich.
Er hat es so mit der Gleichheit, dass seit Jahren seine wechselnden Freundinnen immer das gleiche Alter haben. Immer gleich. Macht das Leben einfacher.
Ich verstehe ihn.
Ehrlich, ich bestätige ihm jedes Mal, dass ich ihn verstehe, wenn er wieder in sein emotionales Tief fällt und sich bei mir ausheult. In meiner Badewanne, versteht sich. Er hat nur Dusche, seine Wohnung ist moderner als meine. Außerdem braucht er keine Badewanne, denn wenn, bevorzugt er gemeinsames Duschen. Hat er mir erzählt. Geteiltes Badewasser sei ihm zu intim.
Doch wenn Mann den Moralischen hat, dann tut heißes Badewasser Wunder!
Pränatale Prägungen....
Ich bringe ihm sogar seinen Lieblingswhisky und lege extra für ihn "Cream" auf, "Toad" das Solo von Ginger Baker. Nach zwei Stunden schmeiße ich ihn dann raus, weil ich sonst Gefahr laufe einen betrunkenen, ersoffenen Mann aus meinem Bad entsorgen zu müssen und vor allem, weil ich Ginger Baker’s Klappern nicht mehr hören kann.
Kurze Zeit später darf ich dann wieder den Briefkasten leeren und habe bunte Blumen in der Vase. Von Klaus, meinem Nachbarn.
Aber warum erzähle ich das? Frühlingsgefühle? Hormonüberschuß? Ich sollte es lieber bleiben lassen!
Denn sonst müsste ich vielleicht zugeben, KlausiMausi (die Vorletzte rief ihn so) ein bisschen zu beneiden. Ein kleines bisschen halt....
Denn wir sind beide gleich alt, aber ich sitze wie eine vergessene Tomate im Gewächshaus und darf langsam verschrumpeln, während die Laken meines werten Nachbarn nie kalt werden.
Ich reibe meine Füße an einer Wärmflasche warm und er knabbert junge Frauenfüße heiß.
Seine Libido hat nichts zu meckern während ich nicht mehr weiß, ob ich je eine hatte.
Ich schaue Klaus an, sein Bauch ist nicht mehr zu übersehen, seine Geheimratsecken und die naturgewollte Tonsur auch nicht , ich erkenne auf den ersten Blick die implantierten Vorderzähne und seine Hängebäckchen und Augensäckchen trägt er mit bewundernswertem Gleichmut.
Ich schaue mein Spiegelbild an und verstehe nicht, warum mein noch volles dunkles Haar, die dazupassenden Augen, der normale Body mit noch immer erkennbaren und wenig verrutschen Rundungen an den richtigen Stellen, krampfaderlosen schlanken Beinen und das mit nur leicht krähenfüssigen Augen- und sympathischen Lachfalten beglückte Gesicht, dass all diese weiblichen Attribute keines männlichen Blickes mehr würdig sind.
Doch, aber die Männer die schauen, denen würde ich liebend gerne die Adresse des Einäscherungsinstituts in meiner Nebenstrasse zustecken. Doch dann denke ich, sie sehen in mir vielleicht doch nur eine mögliche Pflegkraft, weil Mann, egal wie alt, sofort die notorische Helferin erkennt.
Was ist also los?
Was mache ich falsch?
Nichts, meint ihr? Das sei einfach so? Angebot und Nachfrage?
Ihr meint, wenn ich schon KlausiMausi und seine Erlebnisse als Vergleich heranziehe, dann sollte ich mich fragen, ob ich, wie er, frisches Leben im Bett haben will, nämlich einen Mann den ich anlernen muss, weil er so jung ist, dass er noch nicht weiß wozu er erschaffen wurde?
Ich wüsste nicht einmal was ich mit dem reden soll, wenn er schon nicht weiß, wie er mit einer Frau umgehen soll.
Aber ehrlich gesagt, so viel reden wollte ich gar nicht.
Stellt euch vor, letztens habe ich Klaus gefragt, wie er es denn bei seinen jungen Mädels macht (nein, nicht im Detail, sondern anleitungsmäßig).
Er sagte ungerührt: "Wieso sollen die was machen, stillhalten ist nicht schlecht. Sie wissen meist, wo und wann sie stöhnen sollen und sie sind so dankbar, wenn ich sie bewundere und dann sogar noch streichle. Die sind schnell zufrieden. Außerdem, was soll ich denen Großartiges beibringen? Mir reicht, was sie mir bieten!"
Aha, dachte ich.
Ich weiß jetzt, nachdem ich Lektüren und Filmen Augen und Ohren schenkte, dass ich nicht einparken kann, und "er" nicht zuhören will, dass "er" meist nur an das "Eine" denkt (welch blödes Wort für Sex!) und ich nur an alles Andere.
Wir denken, fühlen, handeln anders. Mann. Frau.
Das nehme ich so hin.
Aber warum, verdammt noch mal, sitze ich mit 51 allein in meiner Wohnung und KlausiMausi vernascht eine nach der andern, während an mir einer nach dem andern gleichgültig vorbei geht.
Doch Klausi hatte letztens ein Ohr für meine Sorgen und riet mir, mich doch bei einer Single-Börse anzumelden. Er täte das längst, denn woher würde er sonst seine wechselnden Freundinnen beziehen. Erklärte er mir!
Mir gefiel die Idee der virtuellen Anbandelung nicht, aber neugierig wie ich war, suchte ich nach Klausi’s Profil, doch ich fand es erst, nachdem er mir sein Pseudonym verriet.
Seither weiß ich, dass er (wie kommt das?) plötzlich 10 Jahre jünger ist als ich, Coehlo liest (dabei regte er sich letztens über das "sichbeiFrauenanbiederndesGeschreibsel“auf), Rosenstolz und Grönemeyer hört (poor Ginger Baker!), Fußball und Formeleins verabscheut (er hat eine Jahreskarte für Hannover 96) und ich zu Fielmann muss für eine neue Brille, denn auf den Fotos hat er bedeutend mehr Haare und dafür weniger Bauch und Falten, als ich noch heute Morgen erkennen konnte.
Und dann wird mir endlich klar, wie einfach und wie angenehm mein eigenes Leben doch ist.
Ich kompensiere fehlende Liebe nicht mit Sex.
Ich leide zum Glück nicht unter der Überzeugung, dass nur ein Mann mein Leben perfekt und glücklich machen könnte.
Die Suche nach ewiger Jugendlichkeit hat mich nicht in ihrer Gewalt, ich verstecke mich nicht hinter alten Fotos und falschen Interessen, muß mich nicht ewig wiederholen weil eh keiner zum Reden in der Nähe ist und ich brauche mich nicht ärgern weil immer dann jemand etwas von mir will, wenn ich gerade meine Ruhe haben möchte.
Valentinsblumen habe ich mir selbst gekauft; in der Vase stehen Ranunkeln und keine Nelken, ich muß nicht Steak grillen wenn mir nach vegetarisch ist und kann meinem Nachbarn dir Tür vor der Nase zuschlagen, wenn ich meine Badewanne mal nicht verleihen möchte.
Ich lese die Bücher die ich mag, höre Musik die mir gut tut und laufe so lange im Pyjama durch die Wohnung, bis ich mir selbst auf den Wecker gehe.
Die Augenblicke der Leere sind im Grunde genommen keine Leere sondern eine Chance zum innehalten und sich bewusst machen, dass jeder Tag lebenswert ist, so lange ich ihn bewusst lebe.
Wie ich ihn lebe ist nicht von Belang, nur dass ich ihn lebe.
Armer Klausi-Mausi.
In diesem Sinne.....es werde Frühling!
© Ghita Cleri
User | Diskussion |
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soulfit | Geschrieben am: 30.03.2008 22:13 Aktualisiert: 31.03.2008 19:15 |
![]() ![]() User seit: 23.10.2005 aus: Beiträge: 40 |
![]() Toller Text von Ernst bis zum Schmunzeln!
In der Leere fand Buddha das Nirwana und nannte es die Erleuchtung..... Lass uns teilhaben, falls du es auch findest. Falls nicht stellt sich immer wieder die alte Frage: bin ich WIRKLICH bereit für die Liebe? Damit meine ich nicht einen Mann, sondern die Liebe als dieses eigenständige Wesen, das uns meist zu einem Menschen führt, bei dem wir mit allem konfrontiert werden, was wir gar nicht so genau wissen wollten ![]() lg Tina |
lunka | Geschrieben am: 25.03.2008 11:00 Aktualisiert: 25.03.2008 13:03 |
![]() ![]() User seit: 19.07.2007 aus: Beiträge: 1222 |
![]() Man kann auch gemeinsam einsam sein (eine Partnerschaft ist nicht unbedingt besser, als solo).
Das ist nicht erstrebenswert, schon gar nicht Sex ohne Liebe. Man muss sich ja selbst nicht belügen. |
puenktchen | Geschrieben am: 23.03.2008 16:38 Aktualisiert: 24.03.2008 16:24 |
![]() ![]() User seit: 24.10.2005 aus: Beiträge: 2227 |
![]() Ganz super, vor allen Dingen Dein Resümee der Geschichte, ich würde das auch so sehen - viel Glück weiterhin bei dem Tun und Lassen können, was Du möchtest.
Es ist einfacher, wenn man sich den Strauß zum Valentinstag selber kauft, als die Socken, Hemden etc. zu waschen und Steak grillen zu müssen. Es kann auch ein Genuss sein, wenn einem die Badewanne alleine gehört. ![]() ![]() |
Blackforest | Geschrieben am: 20.03.2008 18:19 Aktualisiert: 20.03.2008 21:49 |
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![]() Toll geschrieben, aber solche Kerle gibt es in jeder Altersklasse und auch Frauen, die so drauf sind.
Auch kürzlich mußte ich wieder so jemanden abwimmeln, die dies sozusagen als Freizeitvergnügen treibt. Grüße Wolfgang End |