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Texte : Wolfgang Sréter- People in Need
Veröffentlicht von MarieTheres am 10.05.2007 12:07 (461 x gelesen)

Regrets are the results
of poor decesions
and lost opportunities

(Notiz am schwarzen Brett
im Wake Centre von People in Need)


Auch am Ende des Sommers kann im Süden Namibias das Thermometer noch auf 38 Grad Celsius im Schatten klettern. Es hat viel zu wenig geregnet in diesem Jahr, die Menschen leiden unter Trockenheit und Staub. Kudus und Springböcke verenden, weil die Strecken zwischen Wasserstellen und Weidegründen zu weit sind und die Farmer müssen Wasser aus gut hundertfünfzig Metern Tiefe an die Oberfläche pumpen.

In den letzten hundert Jahren ist das gesamte Land trockener und trockener geworden, die Landwirtschaft noch schwieriger, jedes Rind braucht noch einmal mehr Weidefläche als schon vor fünfzig Jahren, und die Rückgabe von Land an die ureigensten Eigentümer, die schwarze Bevölkerung, kommt nicht voran. Die Reichtümer Namibias, zum Beispiel Uran und Diamanten, verlassen nach wie vor das Land. Acht von zehn Rohdiamanten und die Hälfte aller geschliffenen Steine lagern in Belgien, wie man anlässlich eines spektakulären Überfalls im Antwerpener Diamantenviertel vor einiger Zeit lesen konnte.

Um die Jahrtausendwende beschloss die tschechische Hilfsorganisation People in Need sich in Afrika zu engagieren. Mit Äthiopien und Namibia wurden zwei Länder in die nähere Auswahl genommen und 2002 fuhr Frau Dr. Kateřina Kašová im Auftrag ihrer Organisation nach Windhoek. Zusammen mit den dortigen Regierungsstellen plante man eine Werkstatt in Keetmanshoop, in der HIV-infizierte und tuberkulosekranke Frauen beschäftigt werden sollten. Das Ziel dieses Projekts kann unter dem, in vielen Teilen der Welt praktizierten Ansatz „empowerment of women“ subsummiert werden. Mit der Herstellung von Kunsthandwerk der verschiedenen Kulturen Namibias soll erreicht werden, dass Frauen Selbstvertrauen und Selbständigkeit erlangen und langfristig in die Lage versetzt werden ihr Leben aktiv zu gestalten. Die Produkte von People in Need werden für Touristen auf lokalen Märkten, aber auch in Europa angeboten. Man findet sie nicht nur in Keetmannshoop, sondern auch im Arts and Crafts Centre in Windhoek, in Swakopmund, in Lüderitz, sowie in Prager Geschäften, die Kunsthandwerk anbieten.

Ebenso wie alle anderen Orte in Namibia hat Keetmanshoop einen afrikanischen Namen, der aus der Sprache der Nama kommt und „Brunnen aus schwarzem Schlamm“ bedeutete. Die Eroberer aus der Kapkolonie nannten den Ort Zwartmorast und als ein deutscher Missionar von dem Vorsitzenden der Rheinischen Mission Johan Keetman Geld für die erste Kirche bekam, wurde der Ort in Keetmanshoop umbenannt.

Nach der Unabhängigkeit des Landes von Südafrika wurde Keetmanshoop das Zentrum der Karasregion, der größten Region Namibias im Süden der Hauptstadt. Eine schier endlose Straße führt von Windhoek direkt nach Keetmans, wie die Einheimischen den Ort verkürzt nennen. Die Stadt ist für Besucher meist Ausgangspunkt für Ausflüge zum Fishriver Canyon, zum Oranjefluss mit seinen riesigen Weintraubenfeldern an der südafrikanischen Grenze, und zu Gräbern deutscher Schutztruppler, die am Beginn der Kalahariwüste in der Landschaft verstreut sind.

Die Einwohnerzahl wird mit 15.000 angegeben und etwa die Hälfte davon lebt in der location Tseiblaagte, benannt nach dem Namahäuptling Hendrik Tseib, der seinen Stamm in diese Gegend führte, die später Teil von Deutsch-Südwest-Afrika wurde. Der Name location geht dementsprechend auf das deutsche Wort Lokation zurück, ein Ort, an dem die schwarze Bevölkerung in der Nähe weißer Ansiedlungen zu leben hatte. Der geometrisch angelegte Stadtteil besteht heute aus kleinen Häusern und Wellblechhütten und ist klar vom Stadtzentrum getrennt. Die Straßen sind voll mit Schlaglöchern und ohne Belag, an den Rändern zerfranst die Siedlung, die informal settlements beginnen und am Übergang zur Wüste versuchen Menschen auf Müllhalden zu überleben.

Um zum Wake Centre von People in Need zu kommen, verlasse ich das Stadtzentrum von Keetmans, fahre an einem Friedhof vorbei, passiere eine Brücke, unter der Frauen duftende Mangos verkaufen und biege an Rencia´s Supermarket rechts ab. Man hat mir gesagt, wenn auf der rechten Seite ein Shebeen, eine Mischung aus Bar und Geschäft, in dem man schon am Morgen Alkohol kaufen und konsumieren kann, auftaucht, muss ich links in die Tseib Avenue einbiegen. Die Ecke ist aufgrund der vielen Männer, die dort in Gruppen den Tag verbringen, leicht zu finden. Der schwarze Wachman in Uniform öffnet das Tor mit Stacheldraht. An der Eingangstür ist das Schild mit der Aufschrift „People in Need, Czech Republic“ befestigt. Ein Zaun im Zentrum des Logos legt sich schützend um eine magere Gestalt. People in Need versucht direkte Hilfe vor Ort anzubieten und nicht, wie kürzlich in einem Artikel der New York Times zu lesen war, das amerikanische Modell zu kopieren, wo Hilfe oft erst nach einem halben Jahr in den betroffenen Ländern ankommt und ein Großteil des Geldes bei amerikanischen Firmen bleibt.

Jeder, der heute eine Euroscheckkarte oder ein Mobiltelefon besitzt, muss sich eine, meistens mehrere Personal Identifaction Numbers, kurz PIN, merken. Manche Menschen in Europa haben so viele PINs, dass sie in ihrem Adressbuch unter den abenteuerlichsten Codierungen diese Nummern notieren, denn ohne PIN gibt es weder am Automaten noch am Schalter Geld und das Handy mit seinen verschiedenen Klingeltönen bleibt stumm. Die tschechische Nichtregierungsorganisation People in Need verwendet die Abkürzung PIN in einer anderen Bedeutung: People in Need kümmert sich um die Ärmsten der Armen, in Tseiblaagte um Frauen und Kinder. Insgesamt vierundvierzig Frauen arbeiten im Moment in den verschiedenen Innenräumen und im Hof. Sie produzieren Taschen, Stofftiere, Schürzen und Schmuck aus Glasperlen und Splittern von Straußeneiern. Die Entlohnung erfolgt nach einem detaillierten Plan, der Zeitaufwand und technisches Können berücksichtigt. Die Frauen werden pro Stück bezahlt, denn alle anderen Varianten einer Bezahlung haben sich als ungerecht und nicht realisierbar erwiesen. Die Arbeitsgeschwindigkeit, -intensität und Ausdauer der Frauen ist zu unterschiedlich.

Manche der Frauen sind HIV-positiv, tuberkulosekrank, haben unter Umständen keine Wohnung und müssen sich nicht nur um die eigenen, sondern auch um Enkelkinder und um andere Kinder kümmern. Alkoholprobleme und die damit verbundene Apathie erschweren die Lage. Das traditionelle und billige Bier „Tombo“ (fünf Liter entsprechen dem Preis eines Brotlaibs) wird aus dem afrikanischen Getreide Sorghum, Wasser, braunem Zucker, Trockenhefe und Hopfen gebraut. Um dem Getränk den finalen Kick zu geben, wird Säure von Autobatterien zugesetzt. Verätzungen der Speiseröhre und der Magenschleimhaut sind die Folge. An jeder Straßenecke der location findet man ein Shebeen, manche haben 24 Stunden geöffnet und das schwer verdiente Geld kann sich leicht in einer Nacht in Alkohol auflösen.

Um nicht nur den Frauen, sondern auch den Kindern zu helfen, hat People in Need im Wake Centre, das früher eine städtische Bierhalle war, und von der Gemeinde kostenlos zur Verfügung gestellt wird, einen Kindergarten eingerichtet. Dort können auch Mädchen und Jungen, die inzwischen die Schule besuchen, an den täglich frisch von der Kindergärtnerin bereiteten Mahlzeiten teilnehmen. Susi Eiman macht alles gleichzeitig. Sie belegt Brote, singt mit den Kindern, nimmt sie auf den Arm, wenn sie weinen, sammelt die Babys vom Boden auf und strahlt Wärme und Ruhe aus, die sich auf die Kinder überträgt und ihnen Geborgenheit gibt. Zudem können Straßenkinder Hilfe bekommen und es gelingt in Einzelfällen mit Hilfe der schwarzen Sozialarbeiterinnen zurück in den Schulalltag zu finden.

Nachdem Frau Dr. Kašová kürzlich mit einem großen Fest voll Anerkennung und Hochachtung für ihre Leistungen von den Frauen in ihren Mutterschutz begleitet wurde, leitet Zdeňka Hauková, die in Brünn studiert hat, die gesamte Einrichtung. Unterstützt wird sie von Dagmar Fousková und insgesamt fünf lokalen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, wobei ein Mitarbeiter speziell für die Tuberkulosekranken zuständig ist. Das Programm DOT (directly observed treatment), für das Godfried Jahs eigens ausgebildet wurde, versucht die Tuberkulose in dieser Gegend zu bekämpfen.

Es sind kleine, aber wichtige Ziele, die man sich gesteckt hat: Durch regelmäßige Arbeit und regelmäßige Mahlzeiten versucht man zu regelmäßiger Einnahme der Medikamente zu kommen. Ein großer Schritt sowohl für HIV-positive als auch Tb Patientinnen, der nicht von allen vollzogen werden kann. Es gibt deshalb eine intensive Zusammenarbeit mit der Klinik, die bei den Sozialarbeiterinnen weit über den Arbeitstag hinausreicht und an der nicht nur die Apotheker der Klinik, sondern auch die behandelnden Ärzte und Krankenschwestern beteiligt sind.

Nicht selten lebt eine ganze Familie von dem am Freitag ausbezahlten Geld, das die kranken Frauen verdienen und oft fehlt die notwendige Kraft und Einsicht am folgenden Montag weiterzuarbeiten und damit auch langfristig die Qualität der Produkte zu garantieren. Die von der Stadt Keetmanshoop bezahlte Sozialarbeiterin Gertruida Apollus erläutert, dass ihre Hauptaufgabe darin besteht, die Patientinnen in Einzelgesprächen psychologisch zu betreuen, ihnen immer und immer wieder Mut zu machen, wenn sie den Eindruck haben, ihren täglich sich auftürmenden Aufgaben, auch unter den Nebenwirkungen der Medikamente, nicht mehr gewachsen zu sein.

In den zahlreichen Gesprächen mit der neuen Leiterin Zdeňka Hauková wird immer wieder darauf hingewiesen, die Qualifizierung und Beschäftigung einheimischer MitarbeiterInnen ist wichtig, da das Projekt irgendwann einmal ohne ausländische Hilfe weiter bestehen soll. Dazu kann auch sicher die Zusammenarbeit afrikanischer Staaten beitragen. Im Sommer wird ein freiwilliger Helfer aus Kenia, Joseph Njoguh, erwartet. Und schon werden weitere Pläne entwickelt. Workshops in den umliegenden Dörfern sollen abgehalten werden, damit die Frauen auch dort in Heimarbeit etwas herstellen können. Noch mehr Öffentlichkeitsarbeit wird angestrebt, damit sich die schwarze, farbige und weiße Bevölkerung in Keetmanshoop und der gesamten Region mit dem PIN-Projekt identifiziert. Die Produktpalette wir überarbeitet, um dem Kunsthandwerk von PIN ein eigenes Profil zu geben und die richtige Balance zwischen afrikanischem und europäischem Geschmack zu finden. Und zu guter letzt soll das Gebäude vergrößert werden, um noch mehr Frauen beschäftigen zu können, denn es gibt täglich neue Anfragen von Frauen in Tseiblaagte, die im Wake Centre von People in Need mitarbeiten wollen.


Kontakt über www.peopleinneed.cz
Ab Juli 2007 auch www.nama.cz

© Wolfgang Sréter

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User Diskussion
Gast
Geschrieben am: 10.05.2007 22:19  Aktualisiert: 11.05.2007 11:03
 Re: Wolfgang Sréter- People in Need
Und was machen die Männer, außer ihre Frauen mit kirchlichem Segen mit HIV zu infizieren und das sauer verdiente Geld in der nächste Wellblech-Kneipe zu verjubeln?

Solange sich die Beckhams und Hiltons dieser Welt noch Diamaten an den dicken Zeh hängen und afrikanische Politiker sich lieber selbst die Taschen füllen, wird sich auch nicht viel an der Situation ändern. Da können Frauen noch so fleißig sein.

Die Diamantenindustrie ist total undurchsichtig, keiner gibt gerne zu, wie sie an die Steine kommen.
Blackforest
Geschrieben am: 10.05.2007 18:34  Aktualisiert: 10.05.2007 20:06
User seit: 23.10.2005
aus:
Beiträge: 1927
 Re: Wolfgang Sréter- People in Need
Diese PIN - Arbeit hilft den schwarzen Kontinent auf den richtigen Weg.

In Afrika tut sich einiges. Das weiß ich aus verschiedenen Quellen.
Ich denke, dass uns die Afrikaner, eines Tages uns links überholen werden.

Grüße
Wolfgang End



 

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