In der aktuellen öffentlichen Diskussion geht es immer wieder um die Vereinbarkeit von Beruf und Elternschaft. Insbesondere Frauen sollen Beruf und Kindererziehung besser verbinden können, dafür werden Programme zur Förderung der Kinderbetreuung im Kleinkindalter, Betreuung nach der Schule usw. entwickelt. Aber eine große Anzahl von Frauen widmet sich ganz oder zumindest phasenweise primär der Erziehung ihrer Kinder samt Hausarbeit. Was ist das Besondere dieser Tätigkeit, wie ist die Situation von Hausfrauen? Aufgrund eigener Erfahrungen stehen diese Fragen für Marie Theres Kroetz-Relin im Mittelpunkt des von ihr herausgegebenen Buches „If pigs could fly. Die Hausfrauenrevolution.“ Über ihre Internetseite www.hausfrauenrevolution.com hat sich ein Forum entwickelt, in dem engagiert für mehr Selbstbewusstsein und die Anerkennung von Haus- und Erziehungsarbeit gestritten wird. - Als Aufruf zur Überwindung der Sprachlosigkeit versteht Marie Theres Kroetz-Relin auch ihr zweites, gemeinsam mit Hauke Brost herausgegebenes Buch „Wie Frauen ticken. Über 100 Fakten, die aus jedem Mann einen Frauenverstehrn machen.“ Die Beendigung des „Schubladendenkens“ sowohl in Bezug auf die Hausarbeit als auch im Verhältnis zwischen Mann und Frau ist ihr Anliegen.
Doris Kleinau-Metzler: Frau Kroetz-Relin, wie sind Sie zur Hausfrauenrevolutionärin geworden?
Marie Theres Kroetz-Relin: Mitte 30 wurde mir allmählich bewusst, dass ich meine eigene Art von Kreativität als Hausfrau und Mutter nicht ausleben kann, dass ich finanziell von meinem Mann abhängig bin und keine eigene Renten- und Krankenversicherung habe. Nun fragte ich mich: Was werde ich in Zukunft tun, wenn meine Kinder groß sind? Ich war bis 22 Schauspielerin, dann Hausfrau und Mutter; mit 28 hatte ich drei Kinder. Und dann habe ich einiges umgekrempelt.
DKM: Kam die Erkenntnis allmählich oder gab es einen bestimmten Auslöser?
MTKR: Ich bin schwer krank geworden, hatte Schilddrüsenüberfunktion und eine Lungenembolie. Vor allem die seelische Überlastung spielte ein große Rolle, mein Körper hat mir das Zeichen gegeben, dass es so nicht weiter geht. Ich habe dann sehr schnell die Bremse gezogen und mit Hilfe anderer Frauen den PC und das Internet für mich entdeckt, Texte geschrieben und diese und andere Texte zur Hausfrauensituation ins Internet gestellt. Aber dass ich so viel Resonanz darauf erhielt, dass es so vielen Frauen ähnlich ging wie mir, damit hatte ich vor vier Jahren, als wir die Seite starteten, nicht gerechnet. - Inzwischen habe ich meine persönlichen Ziele der Hausfrauenrevolution erreicht, denn ich habe mir einen Beruf als Autorin und Journalistin erschrieben und bin finanziell unabhängig. So konnte ich mein Leben grundlegend verändern, auch wenn ich immer noch Hausfrau und Mutter bin.
DKM: Wie sehen Sie im Rückblick diese Zeit? Was ist das Problematische an der Hausfrauenarbeit?
MTKR: Zunächst: Ich möchte die intensive Zeit des Mutter-Seins nicht vermissen und bereue nichts, denn ich habe es gern gemacht. Meine Kinder sind das Wichtigste für mich. - Das Hauptproblem mit der Hausarbeit ist, dass sie entwertet wird, weil nur die berufliche, bezahlte Arbeit als Arbeit gilt. Immer wieder wird von der Frau, die „arbeiten geht“, gesprochen, vom Spiegel bis zur Bundesfamilienministerin – und damit ist die berufstätige Frau gemeint. Doch eine Frau, die Kinder großzieht, arbeitet durchaus auch – aber sie verdient nichts dabei! Die Hausarbeit ist umsonst, aber nicht kostenlos, denn sie geht auf Kosten der Frauen, die sie in der Regel leisten (sie hat höchstens später einen minimalen Rentenanspruch). Die wenigen Hausmänner werden noch weniger anerkannt, weil sie damit nicht dem Männerbild entsprechen. Selbst Frauen untereinander entwerten sich, Berufstätige und Hausfrauen, wenn sie von der „Nur-Hausfrau“ sprechen.
DKM: Was genau meinen Sie mit Hausfrau und Hausarbeit?
MTKR: Es ist ja nicht nur die eigentliche Hausarbeit wie putzen, kochen, einkaufen, waschen, sondern alles, was rund um Kinder, Haushalt, Schule und Ehemann zu erledigen ist, damit ein reibungsloser Ablauf gewährleistet ist und auch ein harmonisches Zuhause entsteht. Man organisiert den Tag für die Familie, dazu noch zusätzliche Termine für die Kinder, schaut nach den Hausaufgaben, bereitet Geburtstage und Feste vor, plant Besuche und Ferien, sorgt für ein krankes Kind und bemüht sich, die Gesunden nicht zu vergessen, muss Konflikte regeln zwischen den Geschwistern und in der Ehe und, und, und... Das sind einfach wahnsinnig viele Dinge, die man auf die Reihe bringen muss. Dafür gibt es keine festen Arbeitszeiten, Hausfrauen und Mütter sind 24 Stunden einsatzbereit. Viele Frauen kümmern sich zusätzlich um Angehörige, die gepflegt werden müssen, andere betreuen ihre behinderten oder kranken Kinder. Frauen leisten ohne Anerkennung und Honorierung sehr viel in der Gesellschaft!
DKM: Ende der 80er Jahre sprachen Feministinnen und Sozialwissenschaftlerinnen wie Ilona Ostner und Elisabeth Beck-Gernsheim von einem besonderen weiblichen Arbeitsvermögen, das auch in sozialen und pädagogischen Berufen gefragt, aber nicht unbedingt honoriert wird. Sehen Sie sich in dieser Reihe?
MTKR: Es ist ein Problem, dass wir von der Hausfrauenrevolution innerhalb der feministischen Bewegung auch Außenseiter sind. Überall begegnet einem ein Schubladendenken, das heißt Verallgemeinerungen, was gut und richtig für die einzelne Frau sei. - Seit Jahrhunderten wurden Frauen in einer Rolle klein gehalten, und deshalb ist hier ein Umdenken, eine Bewusstseinsentwicklung notwendig. Auch die Werbung spricht ja immer wieder einschränkende Frauenbilder an – entweder die treusorgende Mutti oder die freie, erfolgreiche Frau. Hausfrauen und Mütter müssen mehr Selbstbewusstsein entwickeln, den Mund für ihre Interessen aufmachen und selbst aktiv werden. Jede Frau sollte sich zudem einen Freiraum unabhängig von der Familie schaffen, selbst wenn es dabei Probleme gibt – vielleicht auch, weil Frauen oft „die Guten“ sein wollen. Aber Frauen müssen erkennen, dass es auch eine Art von Abhängigkeit ist, wenn man dem Partner die Verantwortung für das gemeinsame Leben abnimmt. Das ist nicht fair, denn als Partner soll man sich gegenseitig fördern, motivieren, die Arbeit einteilen und Freiräume ermöglichen.
DKM: Ist das nicht auch bei berufstätigen Frauen und Müttern ein ähnliches Problem?
MTKR: Ja, sicher, das gilt genauso für diese. Es geht mir auch nicht darum, die nur zuhause tätige Hausfrau und Mutter zu propagieren. Ich persönlich wollte es nicht anders gehabt haben, zuhause zu sein, als meine Kinder klein waren. Für Freundinnen aus Frankreich ist es dagegen ganz selbstverständlich, die Kinder in die Betreuung zu geben und im Beruf zu arbeiten. Und diese Kinder entwickeln sich prima, auch weil einfach die Betreuungsbedingungen stimmen. In Deutschland gibt es zu wenige und zeitlich nur eng begrenzte Betreuungseinrichtungen.
DKM: Frauen wollen die Wahlmöglichkeit, als Hausfrau und Mutter Anerkennung zu erhalten oder als berufstätige Mütter zeitliche Flexibilität und gute Betreuung für die Kinder zu haben, wenn sie beides miteinander vereinbaren wollen. Welche Ideen haben Sie zur Verbesserung der Situation von Müttern? Sollte es Lohn für Hausarbeit geben? Ein Grundeinkommen würde ja in die Richtung gehen.
MTKR: Das ist unrealistisch, weil es nicht finanziert werden kann. Aber die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen sollte mehr gefördert werden – zum Beispiel könnten die mit dem steuerlichen Ehegattensplitting zusammenhängenden Erträge zugunsten des zuhause tätigen Partners angespart werden, um später in eine neue Ausbildung oder aber in die Rente einzufließen. Dazu könnte eine Art Mütterversicherung vom Staat eingerichtet werden, für die er ähnlich wie bei der Künstlersozialkasse einen Teil der Beiträge übernimmt.
DKM: Inzwischen gibt es ja Elterngeld...
MTKR: Das ist für ein Jahr okay, aber was wird dann? Es gibt weder genügend Kinderbetreuungseinrichtungen noch einheitliche Schulzeiten danach. Und auch 10- und 15-jährige brauchen noch Betreuung entsprechend ihren Interessen. Außerdem kosten Kinder, je älter sie werden, umso mehr, das weiß jeder, der Kinder hat. Und in Deutschland leben 2,5 Millionen Kinder in Armut. Warum wird so wenig für die Kinder getan? - Als Familie zahlen wir überall drauf. So sind gerade in den Schulferien die Preise so hoch, dass es immens teuer ist, mit vier oder fünf Personen zu verreisen – statt dass die Familie Gruppenrabatt bekommt. Warum können nicht alle Kinder bis 16 in öffentlichen Verkehrsmitteln umsonst mitfahren?
DKM: Das hätte vielleicht auch einen zusätzlichen ökologischen Effekt. – Ein entscheidender Punkt scheint, dass Hausarbeit als mehr oder weniger lästige Privatangelegenheit angesehen wird, die schon irgendwie erledigt wird, meistens von Frauen. Wie sehen Sie Verbesserungsmöglichkeiten?
MTKR: Wenn Hausfrauen sich darüber bewusst werden, was sie alles leisten, wäre das schon ein wichtiger Schritt. Zu viele sind noch in ihrem privaten Bereich zurückgezogen, manche resignieren, was ich auch bei Mitstreiterinnen der Hausfrauenrevolution erlebt habe. Wir müssen dran bleiben, und dran bleiben heißt auch, immer wieder an sich selbst zu arbeiten. – Wenn wir zum Beispiel streiken würden – beispielsweise vor Weihnachten sagen: Wir kaufen Süßigkeiten und Geschenke erst nach Weihnachten ein, wenn alle Preise runtergesetzt werden. Da würden sich Handel und Politik wundern... Oder ab dem Muttertag machen wir eine Woche Pause, kein Putzen, Kochen, Bügeln. Dann würden Industrie und Politik vielleicht anfangen, ernsthaft nachzudenken, was hier eigentlich fehlt. – Frauen müssen selbst aktiv werden, sowohl ihr eigenes Leben betreffend als auch in der Gesellschaft!
DKM: In dem Buch „Wie Frauen ticken“ versuchen Sie und Hauke Brost auch über den Alltag und das Alltagsdenken von Männern, die die Fragen stellten, und Frauen, die ausführlich antworteten, aufzuklären. Ich habe zutreffende, vor allem auch humorvolle Antworten gefunden, allerdings finde ich mich als Frau nicht bei allen Antworten wieder.
MTKR: Natürlich ist das individuell unterschiedlich. Ich lese zum Beispiel auch keine Traueranzeigen, aber viele Frauen tun das, und gehe auch überhaupt nicht gerne shoppen, obwohl das für viele Frauen interessant ist. Das Buch ist eine Art Durchschnitt, eine Bestandsaufnahme von Frauen 2006. In Gesprächsrunden, im Internet, im Hausfrauenforum wurden Antworten gesammelt, und wir haben daraus ein Resümee gemacht. Es ist kein Ratgeber, sondern soll einfach dazu beitragen, dass Frauen und Männer offen miteinander kommunizieren und die Sprachlosigkeit überwinden, in ihrer Beziehung etwas aufbrechen.
DKM: Noch drei Fragen zu drei Begriffen zum Abschluss: Kunst?
MTKR: Wichtig.
DKM: Alter?
MTKR: Die einzige Alternative vorm Tod, wie Kortner gesagt hat (lacht). Betrifft uns alle, sollte man dran arbeiten – nicht erst, wenn es zu spät ist.
DKM: Haben Sie ein Lieblingsbuch?
MTKR: Viele. Derzeit lese ich wieder von Francois Truffaut „Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?“ Es ist faszinierend zu lesen, wie Hitchcock Spannung aufbaut, und das Buch ist sehr humorvoll. - Ich schreibe zur Zeit an meinem nächsten Buch, Kurzkrimis, und deshalb ist es interessant für mich zu lesen, wie Spannung aufgebaut werden kann. Ich lerne gerne dazu.
© Doris Kleinau-Metzler, erschienen im Kundenmagazin Alverde – dm- Drogeriemarkt im März 2007
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