Donauwörth (pep) - ,,Entschlossen ging er auf seinen Karmann Ghia zu, der geschmückt war wie ein Hochzeitswagen! (...) "Just Divorced!" war in großen Lettern auf den Kartons zu lesen. (...) An der Stoßstange waren die Dosenschlangen befestigt, damit es beim Fahren auch ordentlich Krach machte. Lachend stiegen sie in das Auto ein und fuhren gut gelaunt und mit durchgedrückter Hupe durch die Stadt." Ja, auch so kann eine Scheidung vollzogen werden: lustig und in aller Freundschaft. Jedenfalls ist es im Jugendroman "Man muss die Welt nicht verstehen, man muss sich bloß in ihr zurechtfinden" so, aus dem die Verfasserin Josephine Kroetz in der Aula des Gymnasiums las.
Der EM-Spiele und des Wetters wegen fand Josephines erste Lesung allerdings vor kleinem Publikum statt. Den Gästen vertraute die 19-Jährige auch an, wie sie zum Thema für ihr erstes Buch kam: "Meine Eltern schenkten mir die Exklusivrechte an ihrer Scheidung", erzählte sie und lacht dabei.
Leicht zu erkennen: Josephine Kroetz hat etwas aus dem Geschenk gemacht. 2006 verkaufte sie die Story an eine große Boulevardzeitung. Später brachte die Erfahrung Josephine den Buchvertrag für ihren Erstling ein. Josephine war nicht ganz unerfahren, hatte schon für "If Pigs Could Fly. Die Hausfrauenrevolution", das ihre Mutter 2004 herausgab, eine Geschichte verfasst. Also sah sie erst mal keine Probleme. Bis sie zu einem Gespräch mit einer Frau fuhr, die ihre Lektorin werden sollte - und realisierte, dass sie noch keinerlei Ahnung hatte, wovon das geplante Jugendbuch handeln solle. Josephine sah aus dem Fenster und erblickte ein Werbeplakat für Urlaub in Griechenland. So kam ihr die Idee für die Geschichte der jungen Griechin Lü.
Die Geschichte entstand dann innerhalb eines Jahres. Sie handelt von der Schülerin Lü, die dem antiken Griechenland entfliehen muss, weil sie sich ins Theater eingeschlichen hat. Die Götter versetzen Lü in eine Familie des 21. Jahrhunderts, in der der Haussegen schief hängt, und geben ihr eine knifflige Aufgabe: sie soll verstehen...
Auch Josephine Kroetz liebt ja nun das Theater, doch auch für sie hat es Nebenwirkungen. Ihr Abitur hat sie zum Beispiel nicht geschafft, wie sie offen zugibt. Und wenn sie demnächst ihre erste Hauptrolle auf der Bühne spielt - "um zu sehen, ob ich überhaupt Talent habe für so was" - wird die Enkelin der großen Maria Schell von der Kritik sicher anders beobachtet als ein Nobody.
Was das Romaneschreiben angeht, ist Josephine Kroetz dafür etwas gelungen, an dem Kinder zweier Erfolgsautoren sonst vermutlich häufig scheitern: Ihr Buch wirkt echt, unverkrampft und kommt ohne moralischen Zeigefinger aus. Als pädagogisch wertvoll geht es sicherlich nicht durch - die Eltern trinken viel, fluchen und der Papa prügelt sich einmal, bis das Blut spritzt. Schlüpfrige Szenen fehlen immerhin ganz, aber die Geschwister Lü und Davinci dürfen sich beide verknallen, und von Teenager Davinci kommt die Einsicht: "Was ist schon eine Scheidung gegen den ersten Zungenkuss!"
So traurig es ist - die Jugend lebt ihr eigenes Leben und findet ihr Glück auch, wenn Mama und Papa getrennte Wege gehen.
Josephine Kroetz selbst räumt ein, dass Scheidungen natürlich nicht für alle Kinder so leicht zu verkraften sein mögen - "ich war ja schon 17". Was sich die Autorin von anderen Eltern in der Ehekrise wünscht? "Dass sie nicht vor den Kindern streiten."
© erschienen in AUGSBURGER ALLGEMEINE 17.6.08
User | Diskussion |
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Brigitta-B | Geschrieben am: 21.06.2008 00:51 Aktualisiert: 21.06.2008 13:57 |
![]() ![]() User seit: 23.10.2005 aus: Beiträge: 4761 |
![]() Danke Petra, dass wenigstens eine Person von uns allen zu einer Lesung von Josephine gegangen ist!
Sehr gute Berichterstattung, die uns ein Bild gibt, wie Josephine sich als junge Schriftstellerin präsentiert. Brigitta-Barcelona |