„Man muss die Welt nicht verstehen, man muss sich bloß in ihr zurechtfinden“ heißt der erfrischende Debütroman für Scheidungskinder von Josephine Kroetz. Mit viel Fantasie geht die 20-jährige Autorin – selbst Scheidungskind und älteste Tochter des Dramatikers Franz Xaver Kroetz und der Autorin Marie Theres Kroetz Relin – der Frage auf die Spur: Wie geht man als Kind mit der Scheidung seiner Eltern um? Sie erklärt, wie das Leben trotzdem und vor allem glücklich weitergehen kann.
Josephine, für alle, die das Buch* noch nicht gelesen haben: Um was geht es?
Es ist die Geschichte eines 16-jährigen Mädchens namens Lü, das aus dem alten Griechenland kommt. Sie findet sich dort nicht mehr zurecht, da sie als Frau nicht machen darf, was sie will. Verzweifelt geht sie eines Tages zu Zeus\' Tempel. Zeus schickt sie auf eine Reise. Ihre einzige Mission: Verstehen. Lü wird in unsere Zeit, ins 21. Jahrhundert geschickt und soll lernen, die Scheidung ihrer Eltern zu verstehen. Am Anfang läuft auch alles super, doch irgendwann merkt sie, dass doch alles nicht so einfach ist... Das Ende verrate ich jetzt aber nicht.
Warum ein Roman für Scheidungskinder?
Das Schreiben liegt mir gewissermaßen: Ich habe ja schon lange davor Tagebuch und auch für Zeitungen geschrieben. Nach einem Praktikum und meinem geschmissenen Abitur wusste ich nicht so recht, was ich mit meiner Zeit anfangen sollte. Rowohlt hatte bei mir angefragt, ob ich nicht eine Geschichte für Scheidungskinder schreiben wolle. Meine Eltern haben sich ja vor zwei Jahren scheiden lassen und da das sowieso an die Presse gegangen wäre, wurden mir die Exklusivrechte an dieser Story geschenkt, um so mein erstes Geld zu verdienen.
Woher kommen Ideen und Inspiration?
Als ich den Vertrag unterschrieben hatte, dauerte es zwei Monate, bis ich überhaupt eine Idee hatte. Ich sollte mich mit einer Lektorin treffen, die mir helfen sollte, das Buch zu schreiben. Ein Buch schreiben?! Das habe ich ja auch noch nie gemacht! Ich saß vor diesem Treffen jedenfalls in der S-Bahn und dachte nur: „Oh Gott, was erzählst Du der jetzt?“ Ich hatte noch keinen Plan, keine Idee, einfach gar nichts! Ich war am Hauptbahnhof und sah ein Plakat „Fliegen Sie nach Griechenland…, Sonne, Strand und Meer“ und so. Ich hatte in meiner Schule in Altenmarkt Griechische Mythologie mit einer fantastischen Lehrerin. Da kam mir spontan die Idee, das alte Griechenland mit einzubauen. Die Idee kam sehr gut an und das Konzept stand. Für das Buch selbst habe ich ein Jahr gebraucht.
Deswegen also die griechischen Götter… Die Idee, dass Lü via Zeitreise ins 21. Jahrhundert katapultiert wird, stammt ja von ihnen.
Ja genau. Es ist doch so: Eine Scheidung ist ja im Grunde todlangweilig. Die läuft doch immer gleich ab, ein bisschen Streit und so weiter und sofort. Das Buch sollte auch eine aufbauende Geschichte sein. Jetzt schreib\' aber mal eine spannende Geschichte für Scheidungskinder, die auch noch aufbauend sein soll! Das muss man spannend verpacken und eine Zeitreise ist da immer super.
Warum ausgerechnet Dionysos? Er ist ja der Ich-Erzähler der Geschichte.
Dionysos ist der jüngste der Götter und sieht am besten aus. Man braucht ja auch einen besonderen Reiz (lacht). Er ist der Gott des Weines, der Fruchtbarkeit und der Ekstase. Da verzichtet keiner freiwillig darauf - das passt sehr gut in die Zeit von damals und heute. Am Anfang des Romanes heißt es ja auch, Dionysos sei der einzige Gott, der auch noch nicht in Vergessenheit geraten ist. Insofern kann er die Geschichte sehr gut erzählen.
Das Zitat „Man muss die Welt nicht verstehen, man muss sich bloß in ihr zurechtfinden“ gibt es schon, oder?
Das Zitat gibt’s in der Tat. Ich habe allerdings erst später erfahren, dass es von Einstein ist. Aber Hallo, ich habe von Einstein geklaut! Besser geht\'s nicht, oder? Das Zitat war lange mein Lieblingssatz für das Buch. Da es um das Verstehen geht, ist er sehr passend. Mittlerweile kann ich den Satz jedoch nicht mehr hören. Er ist auch so lang, dass sich ihn die Leute nur schwer merken können.
Wie autobiografisch ist das Buch? Auch Deine Eltern ließen sich scheiden.
Mein Buch ist frei erfunden! Das wäre auch zu kompliziert, das eigene Leben aufzuschreiben – noch dazu als damals 19-Jährige! Die Wahrheit von Biografien bezweifle ich sowieso. Da wird doch immer sehr viel dazu erfunden oder weggelassen. Eigene Emotionen sind natürlich mit drin. Jedes Buch – ob nun fiktiv oder nicht – verrät und erzählt ein Stückchen Wahrheit über den Autor. Mein Vater hatte übrigens keine Geschäfte mit der Mafia – das ist natürlich auch frei erfunden!
Welche Botschaft soll vermittelt werden?
Die erste Botschaft ist ganz klar: „Man muss die Welt nicht verstehen, man muss sich bloß in ihr zurechtfinden“. Das zweite ist: Man sollte verstehen lernen, dass Eltern auch nur Menschen sind. Sie haben auch ihre Probleme und haben sich gewiss nicht vorgenommen, Kinder in die Welt zu setzen, um sich hinterher zu trennen.
Was macht mehr Spaß: Der Prozess des Schreibens oder das fertige Werk in den Händen zu halten?
Grundsätzlich: Schreiben ist harte Knochenarbeit! Es gibt ja „berühmte“ Leute, die behaupten, es mache ihnen so wahnsinnig viel Spaß, ein Buch zu schreiben. Ich bin der Meinung, schreiben ist nur dann gut, wenn es keinen Spaß macht. Schreiben ist nicht einfach: Man sitzt lange daran, liest so und so oft den eigenen Scheiß durch, schreibt doppelt so viel von dem, was dann veröffentlicht wird. Gut ist: Man ist sein eigener Boss und keiner schreibt Dir vor, was Du tun oder lassen sollst. Wenn man dann „das fertige Baby“ endlich in den Händen hält – das ist schön!
Fühlst Du Dich jetzt als „richtige“ Autorin?
Autorin ist das, was ich mich jetzt richtig nennen kann. Ich weiß, ich kann in Zukunft vom Schreiben leben. Eigentlich möchte ich Regie machen und bin dabei, Praktika beim Film zu machen. Wenn man mich fragt, was ich bin, dann sage ich: Schreiberin und Autorin.
Bist du auf Lesereise? Du warst gerade Gast auf der 8. Literatur- und Medienwoche in Schloss Stein.
Ich habe zwar schon in mehreren Städten Lesungen gehalten, aber eine Lese-Tour kann man das nicht nennen. Lesungen sind sehr heikel: Die können wahnsinnig schnell wahnsinnig langweilig werden. Das ist echt kompliziert, das spannend aufzubauen. Das sind viele unterschiedliche Geschichten, unterschiedliche Erzählebenen. Fünfte und sechste Klassen wie beispielsweise in Stein sind natürlich super: Da sind auch Scheidungskinder und die betrifft es ja.
Wann erscheint Dein nächster Roman?
Da verrate ich gar nichts! Zum Schluss wird´s nichts und dann? Soviel sei verraten: Man bemüht sich, man bemüht sich. Vielleicht wird es ja ein Roman für ältere Leser…
Das Interview wurde geführt von Nikola Kelemen
*Josephine Kroetz: Man muss die Welt nicht verstehen, man muss sich bloß in ihr zurechtfinden;
RoRoRo Verlag, 2008, 7,95 Euro.
ISBN: 978-3-499-62326-4
© erschienen in Pressewoche am 14.2.09
User | Diskussion |
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lunka | Geschrieben am: 17.02.2009 13:00 Aktualisiert: 17.02.2009 21:21 |
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![]() muss zu gestehen, dass Buch hab ich noch nicht.
Ich werde es auf jeden Fall besorgen, denn dieses "Man muss die Welt nicht verstehen, man muss sich bloß in ihr zurechfinden" spornt mich an, herauszufinden, wie das doch gemeint sein könnte. So ähnlich wie -> man muss nicht unbedingt das Innenleben eines Autos beim Fahren verstehen, man kann auch so ein guter Fahrer sein? Ohne Lektüre finde ich es also nicht heraus. |
MonikaGe | Geschrieben am: 17.02.2009 11:05 Aktualisiert: 17.02.2009 11:36 |
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![]() Auch dieses Interview ist klasse!
Da rufe ich der Josefine doch ganz fröhlich zu: Ja, E=mc2 - und Du hast es begriffen! Herzlichst Monika ![]() |