Ghita Cleri - BruchStücke

Datum 23.01.2008 20:34 | Kategorie: Texte

Wir trafen uns an einem kalten Dezember Abend.
Er trug Handschuhe, Edel-Parka und einen Bart.
Er war interessant, jedoch das war alles.
Ich wusste nicht, was ich mit ihm reden sollte.
Am Telefon ging das einfacher.
Ich wollte ihn nicht mehr um mich haben, nachdem ich ihn drei Minuten um mich hatte.
Er stieß mich ab, und ich wollte mich abstoßen.
Ich wollte ihn nicht verletzen und ging wie verabredet mit ihm ins Restaurant.
Es ist bieder und pseudo-edel wie der Mann mir gegenüber, dachte ich noch.
Dann versuchte ich weniger zu denken.
Mit dem weniger fühlen klappte es offensichtlich.
Ich schaute ihn an.
Er passte hierher.
Aber ich offensichtlich auch, stellte ich fest.
Seine Kleidung, meine Kleidung, beides passte.
Warum wollte ich dann nicht passen?
Weil ich mich angepasst versteckte hinter einer Wand von Wolle und Synthetik, Seide und Leder?
Tat er das etwa auch?
Hinter Parka, Wollhose, Karohemd und Budapester?
Er rauchte Zigarillos. Tun das nicht alle Angeber?
Das muss so sein, dass Angeber Zigarillos rauchen, es würde so gut passen.
Und mir würde es passen.
Die Zigarre wird er nachher bestellen, dann passt es.
Bestimmt.

Ich mochte seine Stimme immer noch, sie klang im Original so angenehm wie am Telefon.
Am Telefon unser erster Kontakt statt.
Nach der Mails auf der Single-Seite.
Eine schöne Stimme, warm, schwingend, ansprechend.
Sollte das reichen?
Für diese Nacht wenigstens?
Ich floh aufs Klo.
Verdammte Tränen drückten sich aus den Augenwinkeln und ich hasste sie dafür, denn die Wimperntusche war nicht wasserdicht.
Könnte er nicht einfach verschwunden sein, wenn ich zurück gehe an den Tisch?!
Die Bedienung würde mir mit mitleidigem Blick erklären, der Herr sei dringend nach Hause gerufen worden, seine Klospülung wäre defekt.
Überschäumende Waschmaschine hätte ich auch noch als gutes Argument angenommen.
Die Bedienung hätte ihren viel sagenden Blick ruhig weiter auf mir ruhen lassen können, ich hätte ihn freudig ertragen, den Blick, nur um keinen Blick mehr auf diesen Mann werfen zu müssen.

Er rauchte, als ich zurückkam. Und blickte mich unergründlich an.
Sah er in mich, durch mich, hinter mich?
Wäre nicht schlimm wenn er das täte, dann bräuchte ich keine Worte mehr.
Ich lächelte und stelle mir vor ich ginge wortlos raus aus dem Lokal.
Einfach so.
Wortlos.

Er rauchte und blickte stumm weiter.
Und ich setzte mich wieder hin, ihm gegenüber.

Es gab viel zu reden, nichts zu sagen.
Ein paar Stunden, so lang.

Er begleitete mich zu meiner Herberge.
Ich nahm ihn ungefragt mit auf mein Zimmer.
Ich ließ ihn tun.
Er trug seidige Unterwäsche.
Sie fühlte sich gut an.
Er fühlte sich gut an.

Er fühlte sich in den vier Jahren danach immer wieder gut an.
Er raucht, keine Zigarillos mehr.
Er trägt auch keinen Bart mehr, dafür sind die verbliebenen Haare bedeutend länger als damals.
Ich glaube immer noch, ihn lieben zu wollen.
Vielleicht tue ich es ja; das lieben, nicht das wollen.
Ich will es lieber nicht wissen.
Es könnte sein, dass mir die Antwort unangenehm ist.

Sie wollen wissen ob ich glaube, dass er mich liebt?
Ich will ihn lieber nicht fragen.
Es könnte sein, dass mir die Antwort unangenehm ist.

Und was täte ich dann.....
Wissen Sie’s?


© Ghita Cleri



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