Ghita Cleri - Die Fabel vom Steg oder was ist Freiheit

Datum 12.10.2009 18:55 | Kategorie: Texte

Fabel vom Steg:
"Wir sind uns einmal im Leben so nahe gewesen, dass nichts unsere Freundschaft und Brüderschaft mehr zu hemmen schien und nur noch ein kleiner Steg zwischen uns war.
Indem du ihn eben betreten wolltest, fragte ich dich: 'willst du zu mir über den Steg?'. ----
Aber da wolltest du nicht mehr und als ich nochmals bat, schwiegst du.
Seitdem sind Berge und Ströme und was nur trennt und fremd macht zwischen uns geworfen und wenn wir auch zueinander wollte, wir könnten es nicht mehr.
Gedenkst du aber jetzt jenes kleinen Steges, so hast du nicht Worte mehr, nur noch Schluchzen und Verwunderung."

Kommentar:
....eine wunderliche kleine geschichte:
einer ist im begriff über den steg zu kommen, d.h. dem freund sich zu nähern, als der ihn dazu auffordert was ohnehin des ersteren vorhaben war.
prompt ist dem ersteren der schritt nicht mehr möglich, dass es ihm nun erscheint als gäbe er dem anderen nach: die macht kommt der nähe ins gehege.
so muß jeder ausdruck von wohlwollen oder hinwendung als griff nach der macht empfunden werden, was nun jeden versuch der annäherung vereitelt.
so empfinden wir hass gegen die, welche unsere heimlichkeiten sehen und uns bei zärtlichen gefühlen ertappen.
so bleibt es dabei, dass wir nicht mitempfinden benötigen sondern die möglichkeit, die beherrschung über unsere gefühle wiederzuerlangen!.....


(beide aus: „..und Nietzsche weinte“ von Yalom)


Meine Fragen:
Wo beginnt die persönliche Freiheit?
Wenn meine Wünschen mit denen meines Gegenübers konform gehen und mir klar wird, dass das was ich tun will auf das Gleiche hinausläuft was er will, setze ich dann meine Freiheit aufs Spiel indem ich mich seinen Wünschen füge auch wenn es insgeheim die gleichen sind wie meine?
Vermittle ich ihm damit das Gefühl, Macht über mich, über mein Tun erhalten zu haben?
Muß ich, um dem entgegen zu wirken, dann das Gegenteil tun von dem was er erwartet, auch wenn es damit das Gegenteil ist von dem was ich tun wollte, damit ich meine Entscheidungsfreiheit demonstriere und damit erkläre, dass nur ich allein und nicht er über mein Tun entscheidet?
Oder bleibe ich bei meinem ursprünglichen Wunsch und tue was ich mir vorgestellt habe auch wenn es das Gleiche ist was der Andere von mir erwartet?
Stehe ich zu meinen Wünschen unabhängig davon, ob ich sie mit einem anderen teile und dadurch dem anderen möglicherweise vermittle, ich hätte mich von ihm beeinflussen lassen?
Wieweit ist meine Freiheit noch meine, wenn ich das Gefühl haben könnte, von außen, d.h. von einem anderen geleitet zu werden, weil ich das tue was er will, aus dem Grund heraus weil unsere Wünsche sich decken?

Was ist die wahre Freiheit: eine Aufforderung abzulehnen die von außen kommt, unabhängig von meinen eigenen deckungsgleichen Wünschen oder aber die Ausübung meins Vorhaben auch wenn es sich mit den geäußerten Wünschen meines Gegenübers deckt?

Die Anwendung dieses Vorgehens ist auch geschlechtsspezifisch.
Während es scheinbar Frau einfacher fällt, sich dem Wunsch des Partners zu beugen sogar wenn der sich nicht mit ihren eigenen Wünschen deckt, ist es für sie meist keine Frage, diese Haltung einzunehmen, wenn die Wunschvorstellungen übereinstimmen.
Für Frau ist, angeblich genetisch vorbestimmt, das „Gemeinsam“ eine Hauptgrundlage ihres Handelns, hingegen beim Mann das Konkurrenzdenken. So wird er eher von der Angst des manipuliertwerdens geleitet und handelt somit wie anfänglich in der Fabel des Steges beschrieben.
Die Einhaltung seiner Freiheit und Unabhängigkeit seines Tuns leitet ihn zu diesem Handeln.

Wer nun freier ist, lässt sich meines Erachtens schwer definieren.
Würde ich den Versuch unternehmen, er wäre gefärbt von meiner eigenen Einstellung.

Und doch interessiert mich die Meinung Anderer dazu.
Und auf die hoffe ich nun......


© Ghita Cleri



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