Konstanze Schöningh - Von Männern lernen

Datum 29.06.2006 23:34 | Kategorie: Texte

Fußball – Kapitel 1:
Ich = Wichtig

Als Mutter von fußballspielenden Söhnen macht man Erfahrungen, die man sich in einem anderen, früheren Leben nicht hätte erträumen mögen.
Man findet sich plötzlich an trüben Samstagen morgens im Nieselregen am Rande eines Fußballplatzes wieder (anwesende Mütter oder Väter gegenerischer Vereine nicken sich verständnisvoll zu), brüllt seinen Söhnen Unterstützendes hinterher („geh ran! Hast Du!“ o.ä.) zu, kämpft Panikattacken nieder, wenn man aus Schiedsrichtermangel eine Pfeife in die Hand gedrückt bekommt („ganz einfach, nur indirekte Freistöße, kein Abseits, alles klar, oder?“ „WIE BITTE?? Halt mal, ich hab doch noch nie...“) und freut sich am sanften erdbraunen Farbton, den die Asche an Kleidung, Autositzen, Fliesen, kurz, eigentlich an allem, hinterlässt.
Aber das sind ja nur die kleinen Freuden am Rande.
Echte Highlight sind dann noch die Turniere. Turnier heißt, in der Zeit, in der man dann nicht am Spielfeldrand stehen müsste, weil die Saison zu Ende ist, laden die Vereine die Mannschaften einer Altersklasse ein und kicken solange gegeneinander, bis ein Sieger feststeht.
Konkret bedeutet das, dass man wieder an einem Samstagmorgen sich meist so gegen 9.00 trifft, um sich dann im Winter in der Halle, im Sommer draußen (ggf. wieder im Nieselregen s.o.) für schlappe 5 Stunden mindestens da herumzulümmeln, schlechten Kaffee zu trinken und dabei seine Nachkommenschaft bestens zu unterstützen. Wieder lautstark, na klar.

Aber schon mein erstes Turnier hat mich vollends begeistert und gepackt, konnte ich doch in nie sonst gebotener Fülle ein Phänomen beobachten und begierig studieren, den Trainer nämlich, der hier mit seiner Mannschaft zum Wettkampf in einer der männlichsten aller existierenden Sportwelten antritt.

Liebe Frauen, diese Trainer haben uns Frauen so viel voraus, da gibt es massenhaft Arbeit für unsereiner.
Nicht unbedingt im ästhetischen Bereich (man trägt auch gerne mal Slipper zum Trainingsanzug), auch der kommunikative Part ist entwicklungsfähig.
Aber diese Männer haben eine ganz entscheidende Fähigkeit:
Sie zeigen der Welt mit jeder Faser ihres Wesens, dass sie etwas unglaublich Wichtiges tun, etwas, das Zeit und Kraft und Einsatz fordert.
(Nochmal kurz objektiv: Kinder zwischen 5 und 7 kicken gegeneinander um einen Blechpokal, Bundesligaprofi wird da keiner)
Was vermitteln die Trainer?
- Wir tun etwas Wesentliches!
- Wir bringen den Sport weiter!
- Wir können siegen!
- Wir sind eine Supermannschaft (quasi bundesligareif)
- Ich opfere meine Zeit und Arbeitskraft hier unentgeldlich einer großen Sache!
- Wenn ich heute nach Hause komme nach dem Turnier, dann habe ich etwas geleistet, für meine Jungens, für den Sport, für die ganze Welt. Ich habe verdient, mich aus Sofa zu legen, und mich bei einem kühlen Bier von meinen Strapazen zu erholen. Das Bier holt dann natürlich die Mutti.

Wie sähe die Situation denn geschlechtergetauscht aus?
Nehmen wir doch mal an, die Mama geht mit ihrer Mädchenballettmannschaft nach wochenlanger Vorbereitung zur Sonntagsaufführung.
Selbstverständlich erledigen wir erst möglichst alle anstehenden Arbeiten zu Hause im Vorfeld, damit am Wochenende nichts liegenbleibt.
Dann entschuldigen wir uns fast bei dem Rest der Familie, dass wir stundenweise wegen der Ballettaufführung nicht anwesend und damit nicht zuständig sein können für alle häuslichen und familären Belange.
Natürlich haben wir vorher eingkauft, und natürlich hat kaum einer bemerkt, dass wir in den letzten Wochen nachts zwischen 1 und 2 Uhr die Kostüme fertggestellt haben, sonst war ja keine Zeit dazu.
Und wenn wir dann wieder nach Hause kommen, winken wir großmütig ab, na ja, das war ja alles halb so viel Arbeit, macht man ja gerne so nebenbei für die Kleinen. Was wollt Ihr denn jetzt essen?

Warum betreiben wir Frauen ständig dieses understatement? Warum vermitteln wir nicht auch ständig, wie wesentlich das ist, was wir tun?
Übrigens unabhängig, ob wir als Hausfrauen oder ausserhäusig arbeiten.
Wie soll uns jemand ernst nehmen, wenn wir immer wieder dazu neigen, unsere Leistungen herunterzuspielen oder herunterspielen zu lassen?
Ich bin diesem Phänomen auf der Spur, es ist allgegenwärtig. Jeder Beruf, der von Frauen dominiert wird, verliert im Laufe der Zeit an Ansehen und Wertschätzung (Erzieherin, Grundschullehrerin, Hausfrau sowieso, Medizin kommt als Nächstes dran, ich wette drauf).
Wir sind selbst schuld. Wir erledigen alles, wir lassen uns schlecht bezahlen, wir bügeln nachts, wir sind auch noch stolz darauf, wenn wir es schaffen, der Aussenwelt zu vermitteln, dass wir alles „mit links“ schaffen.
Wir pflegen Onkel oder Tante für einen Witz von Pflegegeld, bis wir selbst mit einem Bandscheibenvorfall arbeitsunfähig sind.

Es gibt viel zu tun und wir können wirklich viel von Männern lernen!

Fußball ist ein wunderbares Forschungsfeld, gerne später mehr dazu! Wie sagte doch letztens ein guter Freund zu mir: „Du gehst ja gar nicht wegen der Spiele mit ins Stadion, Du willst ja nur „uns“ beobachten!“

Nicht nur, es macht auch wirklich Spaß!




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