
Erika Weder- Vom Umtausch ausgeschlossen?
Datum 01.02.2008 07:05 | Kategorie: Texte
| Gestern las ich eine Anzeige in unserer Zeitung: „Tauschbörse für Kids... Am Samstag, den soundsovielten, findet in der Rottgauhalle in Eggenfelden eine Tauschbörse für Kinder und Jugendliche statt." Wenn das keine tolle Idee ist! Schade, dass es das früher noch nicht gab! Die Anzeige rief Erinnerungen wach an Momente, in denen ich meine Kinder und Jugendlichen gern gegen pflegeleichtere eingetauscht hätte. Als die eine Tochter lieber zu ihrem Freund entschwand, statt das Abendbrot zu machen, um ihre mit einem Hexenschuss daniederliegende Mutter zu entlasten. Auch der Moment, als Mutter den Sohn aus der Konfirmandenfreizeit abholen musste, von der er ausgeschlossen wurde, war ein Anlass. Das Kamel rauchte mit seinen Kameraden einen Joint ausgerechnet im Garten der Jugendherberge und wurde natürlich prompt erwischt. Als man eine Tochter nahezu besinnungslos heimbrachte, Mutter wie ein aufgeschrecktes Huhn den Notarzt rief: „Meine Tochter stirbt!" Tochter war voll wie eine Haubitze... Als die andere Tochter ihren Ausbildungsplatz verlor, weil sie liebend gern am Stadtplatz rumlungerte – in der rechten Hand eine Zigarette, links die obligate Flasche Bier.
Die und viele, viele andere Momente hatten sicherlich oftmals den Wunsch ausgelöst, so eine Tauschbörse ins Leben zu rufen. Ich bin überzeugt, etliche andere Mütter wären mit Begeisterung dabei gewesen. „Tausche Dauertelefoniererin gegen Knaben, der mit seinem Vater lange Radltouren macht!" „Ich, ich! Meiner liebt Radtouren – verweigert leider das Duschen danach, einmal pro Woche muss reichen!" „Den würde ich wollen, meine Tochter verbraucht morgens den Inhalt eines 300-Liter-Boilers!" „Ich suche einen Freiluftfanatiker, tausche gegen computersüchtigen 15jährigen!" „Gut, den nehme ich, biete dafür einen Knaben, der sein Zimmer mit einer Müllhalde verwechselt!" „Ich hätte eine Tochter anzubieten, die sich schminkt und anzieht wie eine von der Straße!" „ Ja, nicht schlecht – dafür kriegst meine, die kennt die Uhr nicht. ‚Zapfenstreich ist um 22 Uhr' heißt für sie: irgendwann im Morgengrauen!"
Welche Mutter hat die Gedanken an einen Umtausch nicht, deren Kinder in den Ferien, am Samstag und am Sonntag um 6 Uhr auf der Matte stehen, aufs Frühstück und auf „action" warten, während sie in der Schulzeit nur unter Androhung körperlicher Gewalt aus dem Bett zu kriegen sind...
Wenn die Teenager erst mal „nein" sagen, noch bevor sie wissen, worum es überhaupt geht. Die von Haus aus protestieren, nur um ihren Kopf durchzusetzen, die debattieren bis zur Bewusstlosigkeit, nur um Recht zu kriegen. Seid ehrlich: Hattet ihr nie das Gefühl, dieses Kind wurde in der Klinik vertauscht!?
Warum darf man es dann nicht zurücktauschen? Gegen Pflegeleichteres... Gut, der Gedanke, oder? – Nein, eigentlich nicht... Mutter liebt sie doch, diese renitenten, widerborstigen, ekelhaften Wesen...
© Erika Weder
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