
Berliner Zeitung- Kreativ-Potenzial im Kochtopf
Datum 30.09.2006 11:38 | Kategorie: Presse
| Kreativ-Potenzial im Kochtopf Marie Theres Kroetz-Relin erklärt, warum Männer zu viel schweigen und wie Frauen ticken
von Bettina Cosack
BERLIN. Da hat sie gelesen und gelesen, eine gute Abendstunde und zwei Gläser Wasser lang, hat versucht, beim Vorlesen in der Buchhandlung die Psyche der Frau zu erklären. Und dann so was, so eine verdammt private erste Frage aus dem Publikum. "Warum haben Sie sich von Ihrem Mann getrennt?", erkundigt sich eine Seniorin aus der zweiten Reihe ungeniert. Marie Theres Kroetz-Relin, die im vergangenen Jahr ihren Gatten, den Dramatiker Franz Xaver Kroetz verließ, ärgert sich nicht und wundert sich nicht, Frauen sind eben neugierig. "Aus den beschriebenen Gründen. Lesen Sie das Buch", empfiehlt sie.
"Wie Frauen ticken" heißt dieses Buch, Marie Theres Kroetz-Relin hat es zusammen mit dem Hamburger Autor Hauke Brost geschrieben. Folgender Satz ist darin zu lesen: "Das Schweigen der Männer ist Trennungsgrund Nummer eins. Aber selbst das wird verschwiegen." Diesen Satz kann sich, darf man vermuten, der bayerische Dichter Kroetz hinter den Spiegel klemmen. Aber eben nicht nur er. In 125 Abschnitten erklären Marie Theres Kroetz-Relin und Hauke Brost deshalb den Männern die Frau. Das erste Kapitel heißt "Woran merke ich, dass sie an mir interessiert ist?", das letzte "Und wie kann ich ihre Liebe zurückgewinnen?". Antwort: eher gar nicht. Dazwischen finden sich Kapitel über Horoskope, Psychotests, Orgasmen, den Geschmack von Sperma und anderes Wesentliches.
Das Lieblingskapitel von Marie Theres Kroetz-Relin heißt "Wann will sie meinen Wohnungsschlüssel?". Vielleicht, weil das so lustig nach Männer-Ratio klingt. Es beschäftigt sich mit dem meist schleichenden Einzug der Frau in die Wohnung des Mannes, vor allem natürlich mit der strategisch wichtigen Okkupation des Badezimmers. Alle Fragen wurden von Männern ersonnen, die Antworten sind Resümees aus den Auskünften von mehr als tausend Frauen. Hauke Brost hat Single-Frauen zwischen 25 und 35 befragt. Und Marie Theres Kroetz-Relin hat "ihre Hausfrauen" aktiviert.
Sie spricht oft und gerne von diesen "ihren Hausfrauen", sie liegen ihr am Herzen wie Pflegekinder. Was viel mit ihr selbst zu tun hat, ihr, der Tochter der Schauspielerin Maria Schell und des Regisseurs Veit Relin. Sehr jung feierte auch sie Erfolge beim Film, mit 16 ging sie nach Paris, um Karriere zu machen, wurde mit Nachwuchspreisen ausgezeichnet. Dann lernte sie den 20 Jahre älteren Dramatiker Kroetz kennen. "Mit 21 wurde ich schwanger - da zu blöd zum Verhüten - und ausgerechnet von einem Dichter", hat sie in ihrem ersten Buch "If pigs could fly" geschrieben. Und: "Mit 28 war ich dann auf dem Höhepunkt meiner neuen Karriere: voll ausgebildete, dreifache Mutter, insgesamt 27 Monate schwanger, viereinhalb Jahre Milchlieferant, seit sechs Jahren bereits im Dauereinsatz." Sie ist eine Hausfrau mit Privilegien gewesen, ohne Geldsorgen und mit Wohnsitzen im Chiemgau und auf Teneriffa. Mit 36 ist sie dann sehr krank geworden, Herzrasen, Schilddrüsenüberfunktion, Lungenembolie, es war wohl nicht mehr ihr Leben, das sie lebte. Für die Tage der Radiojodtherapie in Quarantäne hat sie sich den ersten Laptop gekauft, und sich eine Website einrichten lassen - www.hausfrauenrevolution.com. Heute, mit 40, sagt Marie Theres Kroetz-Relin über die Zeit vor ihrer Revolution: "Mein Kreativ-Potenzial lag in einem Kochtopf auf dem Herd - volle Flamme, aber kein Ventil." Die Ventile waren das Schreiben und das Internet, für sie und für andere auch. Dort hat sie sich ihre Gedanken über die Einsamkeit am Herd von der Seele geschrieben, dort lädt sie immer noch Frauen zum Debattieren und zum Aufbruch ein.
Mehr als sieben Millionen Mal ist die Website bis heute besucht worden, von Hausfrauen, Hausmännern, von Studentinnen auch, die überlegen, ob sie zur Hausfrau werden möchten oder nicht. "Ich will die Leute zur Kreativität anregen, ich will die Sprachlosigkeit durchbrechen", sagt Marie Theres Kroetz-Relin. Sie pflegt den direkten Kontaklt mit "ihren Hausfrauen", debattiert, fördert, ermutigt, besorgt, wenn möglich, Jobs. Jeder kann Texte für die Website schreiben, es gibt Patenschaften, Foren zum Austausch, Treffen.
Manche Frauen, erzählt sie, machen eine Zeit lang mit und ziehen sich dann wieder zurück. Sie weiß, warum: "Es löst Spannungen in der Beziehung aus, wenn Frauen ihre Energie in den Computer stecken." Könnte sein, dass sie das selbst erlebt hat. Ihre Energie steckt sie mittlerweile in viele Projekte - "von zehnen klappt eins", das gibt sie zu, die zarte Koboldin mit den vielen Ideen. Eine CD ist in Planung, ein Kochbuch mit Rezepten nach Short Stories. Und eine Eigentumswohnung will sie bald suchen, in Berlin.
Wie es sich für Revolutionen gehört, so ist die hausfrauische zumindest für ihre Erfinderin eine Befreiung gewesen. Marie Theres Kroetz-Relin will aber nicht mittun im Schimpf-Chor gegen die Tagesschau-Sprecherin Eva Herman, die das Hausfrauenleben als das wahre empfiehlt. Sie weiß nur zu gut, dass jede Frau anders tickt. Und sie ist zwar temperamentvoll, aber auch enorm höflich. Sie sagt also: "Frauen sind das Thema Nummer eins, das ist doch schön." Sie findet einfach , dass es viel zu tun gibt, um die Situation von Millionen Hausfrauen in Deutschland zu verbessern und dass die Zeit für weibisches Herumgezicke zu schade ist.
In dem Buch "Wie Frauen ticken" ist über Stutenbissigkeit zu lesen: "Frauen beißen immer dann um sich, wenn sie unsicher und unglücklich sind." Es könnte also sein, dass Marie Theres Kroetz-Relin zufrieden ist.
Berliner Zeitung, 30.09.2006
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