
Konstanze Schöningh- Brief an Marie Theres
Datum 07.12.2006 09:55 | Kategorie: Texte
| Liebe Marie Theres, so, jetzt muss ich einfach mal erzählen, wie es mir weiter erging in Bonn, war einfach zu schräg, die ganze Geschichte.
Also, gut gelaunt und etwas müde machte ich mich um 1.30 fröhlich auf Richtung Tiefgarage, um dort festzustellen, dass die Hauptbahnhofsgarage einer sogenannten Großstadt ab 1.00 - abgeschlossen war. Hm. Ich also in den Bahnhof hinein zum dortigen Eingang, auch dicht. Da war jetzt gerade die Polizeistelle vom Bahnhof und so dachte ich, ich könnte ja mal die Jungs fragen, was ich am besten jetzt mache. "Ja, ne , da kommen sie jetzt nicht mehr rein." Grins, Kicher. "Das passiert jeden Abend, höhö." "Die haben das nicht richtig ausgeschildert in der Garage". Johl. "Ne, da kommt jetzt keiner mehr, die kommen nur, wenns brennt." Die gingen auch nicht ans Telefon da.
Tja, das war der Moment, wo ich erstmal kurz zu Hause anrufen musste, um den Ehemann zu informieren, dass es noch ein bischen dauern könnte mit mir, er war begeistert, vor allem von meiner Idee, den Rest der Nacht in einer Hotelbar oder Disko abzuhängen, und sagte, ich solle gefälligst in ein Hotel gehen, wenn ich nun gar nicht mehr an das Auto käme.
(Ich weiß, dass du jetzt sagen würdest "Ja, hättest Du doch angerufen!!" Das mache ich auch, wenn wir ein paarmal mehr einen trinken waren, aber nach einem ersten Kennenlernabend bring ich das einfach noch nicht. Außerdem war ich so schnell nicht bereit, einzusehen, dass ich nicht aus Bonn herauskommen sollte so einfach).
Nun gut, inzwischen war es so 2.15 und ich dachte, na, ja, fragen kannst Du ja mal nach einem Hotelzimmer so für alle Fälle, und so machte ich mich auf den Weg in die Bonner Innenstadt, betrat fröhlich das erste Hotel, schilderte meine missliche Lage, bekam ein freundliches, verständnisvolles Lächeln und dann: "Ja, das tut uns jetzt aber furchtbar leid, aber wir sind total belegt..." Hm, da hab ich mir noch nichts gedacht, 5 Hotels später war mir klar, dass ich irgendwie zur falschen Zeit am falschen Ort war. Bei der Tiefgarage meldete sich definitiv immer noch niemand .
Ich also wieder zurück zum Bahnhof, traf hier schon liebgewonnene Bekannte wieder und überlegte mit einigen Taxifahrern, in welchem Hotel ich denn vielleicht eine Chance haben könnte. Mit einer ganz lieben, dicken Fahrerin, die ständig die Uhr ausstellte, machte ich dann eine etwas größere Runde, war aber nix. Aufm Sofa im Foyer wollte mich auch keiner lassen, naja , man kann ja mal fragen... Also wieder zurück zum Bahnhof, inzwischen wurde ich dort von allen Taxifahrern und dem Türken, der den Bahnhof putzte, freundlich begrüßt, wir überlegten her und hin, aber alles, außer am Bahnhof rumzulümmeln, war irgendwie nur Aufwand oder Geldverschwendung. Hin-und-Her mit dem Zug brachte auch nix mehr, mein Patenkind in Oberkassel auf der anderen Rheinseite wollte ich auch nicht für zwei Stunden aus dem Bett holen, inzwischen war es schon 3.30, und ich dachte einfach, na, so zwei Stunden wirst Du doch wohl rumkriegen.
Ja, wenns denn noch Warteräume gäbe. Aber da ja inzwischen alle deutschen Städte Angst davor haben, dass Prekarier auf ihren Bänken rumlungern, haben sie ja alle Aufenthaltsräume abgeschafft. Im Prinzip bleiben also nur diese wunderbaren Drahtsessel auf dem Bahnsteig, die genau so gebaut sind, dass man es sich auf keinen Fall irgendwie bequem machen kann. Langsam fing ich vor Zorn an zu kochen, und grübelte so vor mich hin über die Städteplaner, die wahrscheinlich viel Geld dafür bekommen, dass sie komplizierte Möbel austüfteln, die es Obdachlosen so schwer wie möglich machen. Noch nicht mal pinkeln gehen kannst Du in so einer Scheißstadt, weil alle Klos nachts abgeschlossen sind! Ich war wirklich nicht die einzige, die die sich da am Bahnhof rumdrückte, da waren einige Reisende, die irgendwelche Anschlüsse verpasst hatten, und die es auch nicht sehr gemütlich fanden.
Nun hatte der Türke, der dort die Bahnsteige putzte, mich aber schon ins Herz geschlossen und wollte mir was Gutes tun und hat die Eingangshalle zum Bahnhof aufgeschlossen, weil es da etwas heimeliger war. Da gabs jetzt aber keine Sitzplätze, also hat er mir aus den Zeitungsstapeln, die inzwischen schon angeliefert waren, einen kleinen Sessel gebaut in einer Ecke. Ich war echt gerührt! So, da saß ich auf meinem Zeitungshaufen und dachte nur "Hoffentlich kommt bloß keiner vorbei, der Dich kennt." (Bin ich froh, dass ich nicht berühmt bin!!!) Ich machte ein paar kleine Nickerchen, unterbrochen wurde ich nur von anderen, die dort in der Halle auf Züge warteten, und die mich immer, wenn ein Zug einfuhr, freundlich gefragt haben: "Musst Du auch Zug kriegen?" Soll ich mal was sagen? Ich habe schon lange nicht mehr so viele und so hilfbereite Menschen auf einmal getroffen wie in dieser Nacht auf dem Bonner Bahnhof. Um 6 war dann auch das Bahnhofscafe geöffnet , auch dort nur nette Frauen, die gut gelaunt in ihren mit Sicherheit harten Arbeitstag gestartet sind. In der Glotze lief Viva, die sangen fröhlich mit, und ich trank mehrere Liter Milchkaffee. Der einzige unfreundliche Mensch war der, den ich um 6.00 in der Tiefgarage anrief, und der mir mitteilte, die würde erst um 7.00 aufmachen. Pampig, unfreundlich, oberdeutsch. Na ja, dann war es auch schon egal. Noch einen Liter Milchkaffee, einen Focus und um 7.00 war ich dann unterwgs, um 8.00 in Aachen und dann bis 12.00 tief am Schlafen. Und dann um 18.00 beim Elternsprechtag in der Schule - und irgendwie hatte ich wieder mal das Gefühl, dass man viele Dinge im Leben doch einfach nicht so wichtig nehmen muss.... Die Lehrerinnen haben es an diesem Tag nicht leicht mit mir gehabt..
So, irgendwie war das zwar anstrengend und nervig gewesen, aber auch wieder mal so eine unvorhergesehene Geschichte, die einen mal wieder auf den Boden runterholt. Ich möchts nicht missen (auch wenn mir 2 Tage der Nacken weh tat, ist halt schon etwas her, dass ich das letzte Mal auf einem Bahnhof geschlafen habe)!
Der Mittwochabend war wirklich klasse, auch dafür kann man ja mal ne Nacht am Bahnhof verbringen. Ich hab keine email-adresse von Hauke, Du kannst ihm gerne diese mail weiterleiten, auf dass er sich auch noch an meiner Nacht am Bonner Bahnhof erfreuen kann.
Dir wünsche ich noch viel Spaß und Erfolg bei den Lesungen, die noch kommen. Wie fandest Du den KölnerTreff? Ich find die Böttinger ja manchmal schon ein bischen penetrant. Du hast gut den Bogen hingekriegt zwischen den verschiedenen Figuren, zu denen Du Dich immer so äußern sollst. Von Frau Ex-von bis zur Bestsellerautorin jetzt. Jetzt bin ich mal gespannt, ob die Forums-Hausfrauen den Ball aufnehmen wollen, es ist schon gut rübergekommen, dass man sich in den eigenen Hintern treten muss, wenn man was verändern will.
Ich freu mich, mal von Dir zu hören, alles Liebe und gute Reise wünscht Dir
Konstanze
© Konstanze Schöningh nach der Lesung und einem fröhlichen Abendessen in Bonn am 15.11.06
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