
Sabine Dreyer- Manchmal hasse ich meinen Job
Datum 12.12.2007 18:50 | Kategorie: Texte
| Ich möchte mal ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern, auch wenn es nur indirekt damit zu tun hat - eher mit dem "vorher". Zurzeit betreue ich das Manuskript einer Autorin/Frau, die von frühster Jugend an schwer misshandelt und missbraucht wurde. Ihr Leben liest sich wie Szenen aus einem Horrordrehbuch und wer je "Evil" von Jack Ketchum gelesen hat, weiß was ich meine. Diese Frau, etwa so alt wie ich, hat zwei Kinder bekommen, eine Ehe und unzählige Beziehungen in den Sand gesetzt und ist seit dem Erwachsenenalter von einer Therapie zur nächsten gejagt - bis heute. Ein nach außen sehr sympathische und fröhlich wirkende Frau - bis auf die Augen -, keine Frage, und wenn ich nicht aus beruflichen Gründen mit ihrem schrecklichen Lebenslauf zu tun hätte und sie einfach so kennengelernt hätte, würde ich nie drauf kommen, wie kaputt sie im Innern ist.
Ihre Kinder leben seit ganz jungen Jahren nur bei anderen. Tagesmüttern, Pflegefamilien und mittlerweile in betreuten Wohngemeinschaften. Sie sind 15/16 und 12 Jahre und beim ersten Lesen habe ich gedacht: Meine Fresse, wieso schiebt sie bei dieser eigenen Kindheit ihre eigenen ständig ab und will sie nicht bei sich haben? Doch mittlerweile sehe ich, dass genau das die bessere Lösung war, denn nach allem, was ich bisher weiß, passt diese Frau und Mutter wie die Faust aufs Auge in das Profil einer Mördermutter.
Sie hat wirklich gekämpft darum, ihre Kids NICHT bei sich haben zu müssen. Und das war nicht immer einfach. Auch wenn das für diese Kinder nicht das ideale Aufwachsen war, so hat es sie doch sicher davor bewahrt, größeren Schaden durch eine Mutter zu erfahren, die selbst seit Jahrzehnten am Ende ihrer psychischen Kräfte lebt, nachdem sie z.B. -als Baby zwei Tage völlig sich selbst überlassen war und nur durch Glück gefunden wurde, ausgehungert und mit der eigenen Sch... von oben bis unten beschmiert, weswegen sie sich, seit man ihr davon erzählt, bis heute die Haut aufkratzt - eine Nacht mit ihrem toten Onkel im Keller eingesperrt war - mitansehen musste, wie ein ähnlich misshandelter Junge im gleichen Alter (12 Jahre ca.) sich mit Benzin übergoss, ansteckte und verbrannte, - dabei war, als als ein anderer Junge, unter 10 Jahren, von ihrem eigenen Vater und dessen Arbeitskollegen zu Tode gefickt wurde - unzählige Male und ab einem Alter von ca. 5/6 Jahren selbst missbraucht und später regelrecht an Pädophile verkauft wurde
... das reicht. Passiert in den Siebzigern in einer eher kleinen Ortschaft.
Die Flucht aus ihrem Leben war also immer begleitet von dem starken Wunsch, eine eigene intakte Familie zu haben, womit sich erklärt, warum sie den Erstbesten geheiratet und zwei Kinder bekommen hat - womit sich auch fast erklärt, warum das nicht gut gehen konnte und sie an einen geraten ist, der im Grunde nicht besser war wie ihr Vater und die anderen, die sie missbraucht haben ... und einiges mehr.
So entsteht ein Teufelskreis, aus dem es kein Entrinnen gibt.
Eine Schuldfrage kann hier nicht gut gestellt werden. Da müsste man zurück zu den Ursachen, und selbst wenn, würde es am eigenen Lebenslauf nichts ändern. Viele Schuldige können nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden.
Aber - es gibt so viele solcher Opfer. Und wir leben in einer Gesellschaft, die davor gerne die Augen verschließt und zu schnell verurteilt - das Schreckliche, was passiert, die Konsequenzen eines schon lange kaputten Lebens ...
Hier müssen wachsame Augen und offene Ohren her. Solche Hilfeschreie von Opfern dürfen nicht überhört werden, weil gerade aus diesen Opfern oft auch wieder Täter werden.
So, das musste ich mir mal von der Seele schreiben.
Manchmal hasse ich meinen Job.
© Sabine Dreyer
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