Spirits of Survival: Was heisst "Revolution" eigentlich?

Datum 19.01.2007 10:55 | Kategorie: Texte

Was heisst "Revolution" eigentlich? - ein ganz persönliches Statement

Wenn ich hier mal so von Zeit zu Zeit querlese, mich so manches Mal ein Schock nach dem anderen packt .... dann kommt mir oftmals nur ein Gedanke, ja sogar ein Wunsch erwächst daraus ..... "die Probleme möcht ich gern haben!"
Für mich persönlich heisst Revolution, den einzelnen Tag einfach nur zu überleben, manchmal sogar einfach nur zu atmen, da hab ich persönlich gar keine Energien, um noch die "grosse Revoltion" mitzugestalten. Meine ganz persönliche Revolution besteht "einfach nur" darin, den generationsübergreifenden Gewaltkreislauf in meiner Herkunftsfamilie zu durchbrechen und diese ganze Gewalt einfach nur zu überleben. Nein - heute erlebe ich diese Gewalt nicht mehr, habe diesen Kreislauf für mich durchbrochen. Bin dabei diese Gewalterfahrungen zu bearbeiten und zu verarbeiten und diesen "Job" wünsche ich ehrlich gesagt meinem ärgsten Feinde nicht, denn die "Gewalt" die einen solchen Weg begleitet ist oftmals nicht weniger heftig. Der Kampf mit Ämter, Behörden, Krankenkassen kann derart "gewaltig/gewalttätig" sein und das "nur" weil man versucht das zu bekommen, was einem rechtmässig zusteht. Durch die (üb)erlebte Gewalt ist nicht nur die Seele massiv verletzt worden, sondern auch der Körper hat gelitten. "Einfach mal so" aus dem Haus gehen ist nicht, oftmals ist das Internet/Telefon für mich der einzige Draht zur Aussenwelt und da ist es schlichtweg revolutionär einen Platz wie die HFR zu haben. Und noch etwas anderes ist für mich revoltionär .... hier in der HFR einen Einblick vermittelt zu bekommen, wie es in "normalen Familien" zugehen kann. Wenn bspw. eine Tochter über den Tod ihrer Mutter trauert, eine Mutter über den Tod ihrer Tochter, das hier im Forum in Worte fasst .... das ist für mich echt revolutionär, denn ich kann bspw. über den "Verlust" meiner Herkunftsfamilie nicht trauern! Wenn ich in Textpassagen lese, wie Mütter um ihre Kinder kämpfen, das sie Himmel und Hölle in Bewegung setzen, sich hier Unterstützung holen, sich dazu hier zu Wort melden .... das ist für mich ebenso revoltionär, denn soetwas habe ich nie kennengelernt.

Wenn ich hier dann aber lese, dass die Hausfrauenrevolution nicht politisch genug ist, die Hausfrauenrevolution zu sehr im Kleinen fischt, dann frag ich mich, ob eine Revolution denn immer laut, gross, weltbewegend (im grossen Rahmen) sein muss .... für mich ein ganz klares NEIN!

Jeden Tag finden Revolutionen statt, nur bemerkt die nicht gleich ein Jeder, weil sie hinter den Wohnungstüren stattfinden und eben in dieser kleinen Welt der Wohnungen "weltbewegend" sind .... sind deshalb diese kleinen Revolutionen weniger revolutionär?


Für wieviele Frauen ist denn nicht schon eine Revolution, sich einmal Zeit für sich zu nehmen, um hier im Forum vorbei zu schauen? Und für wieviele Frauen ist es dann auch noch nahezu revolutionär, sich sogar hier noch zu Wort zu melden?

Oftmals lese ich hier "man muss auch mal über den Tellerrand schauen" - richtig, aber warum soll das gleich der Tellerrand der "grossen weiten Welt" sein, schaut doch auch einmal über den Tellerrand im Kleinen. Es kommen hier die unterschiedlichsten Menschen zusammen - ein JedeR mit seiner eigenen Lebensrealität, seiner individuellen Geschichte und da heisst Revolution für mich dann bspw. auch über meinen Tellerrand in den Teller der Anderen zu schauen. Wer weiss denn schon, wie es in den Lebenssuppen, den Lebensrealitäten der Anderen wirklich ausschaut? Es wird oftmals Verständnis und Toleranz eingefordert, oftmals leider nur in eine Richtung - die eigene - doch wo bleibt das Verständnis, die Toleranz für die Lebensrealitäten der Anderen? Ist es nicht schon nahezu revolutionär, hier einen Platz zu haben, wo Jeder mal in den Suppenteller, die Lebensrealitäten der Anderen gucken kann? Verständnis und Toleranz für die Lebenssuppe Anderer entwickeln und aufbringen kann? Wenn ich bspw. im Gespräch mit Anderen einen (kleinen) Einblick in meinen Suppenteller gebe, dann springt mich oft das blanke Entsetzen an. Für mich revolutionär, denn ein Entsetzen kann ich für meine Lebenssituation nicht empfinden, wie auch, für mich ist sie schlichtweg normal. Auch wenn mich dieses Entsetzen oftmals erschreckt, ich kann es verstehen, wenn ich mir die Lebenssuppen der Anderen genauso anschaue. Was für Einige vllt sogar Viele selbstverständlich ist, ist es für Andere noch lange nicht. Für viele mag es selbstverständlich sein, politisch gross zu arbeiten, für Andere wiederum nicht - für Viele mag es selbstverständlich sein, sich Zeit für sich nehmen zu können - für Andere wiederum nicht. Für Viele mag es selbstverständlich sein, sich frei (auch gedanklich) bewegen zu können - für Andere nicht. FÜr die, für die vieles nicht selbstverständlich ist, ist es nahezu revolutionär, sich hier zu versammeln, sich auszutauschen, (nette) Leute zu treffen ... schaut Euch doch bitte auch mal diese Teller an und zwar ohne zu rufen "die HFR muss politischer werden". Nicht immer sind die "grossen Ziele" die massgeblichen, sondern die kleinen und dann wiederum kann nicht das Ziel das Ziel sein, sondern der Weg dahin.


M.Th. wollte (und hat) hier eine Plattform ins Netz gestellt, u.a. damit Frauen ihre Sprachlosigkeit durchbrechen können, ihre Kreativität entdecken, sich austauschen, Gleichgesinnte treffen .... den Mund aufmachen, sich austauschen, kreativ sein, Isolation durchbrechen .... auch das kann revolutionär sein!

Ich will nicht damit sagen, dass deswegen "grosse Ziele", "grosse Revolutionen" aus dem Auge verloren werden sollen - mit nichten - doch vergesst darüber nicht die kleinen, täglich stattfindenen Revolutionen - im Gegenteil .... die "grosse Revolution" ist ohne diese "kleinen Revolutionen" völlig undenkbar!

in diesem Sinne .... lasst uns revoltieren .... Spirits


Anmerkung: auch wenn ich hier jeweils "Frauen" geschrieben habe - Männer sind damit natürlich gleichermassen gemeint
und nochwas .... nein ... ich bin kein "Hobbyproktologe" sprich "*rschkriecher" - meine grösste Revolution bestand darin meinen Mund aufzumachen und meine Gedanken mitzuteilen (siehe auch Spirits of Survival- breaking the walls of silence





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