Petra Höfels- Alle Frauen sind Hausfrauen - überall- Teil III

Datum 14.02.2008 14:35 | Kategorie: Texte

Teil III - Marginalisierung als Bindeglied der Ausbeutung


1 Abdrängung aus der Erwerbstätigkeit

Unter Marginalisierung wird hier ganz allgemein der Mechanismus der Abdrängung von potentiell Erwerbstätigen und Arbeitskräften in Arbeitsbereiche verstanden, die schlecht oder gar nicht bezahlt werden. Betroffen sind von diesen Mechanismen in erster Linie Hausfrauen und Bauern in der Dritten Welt.
Ihre Arbeit wird nicht als gesellschaftliche Arbeit im Sinne der kapitalistischen Produktivität anerkannt. Die Tätigkeitsbereiche werden als Vorform des reinen Kapitalismus - als sogenannte Naturform - dem Kapital subsumiert, was sich darin widerspiegelt, daß die Arbeitsverhältnisse entweder als "rückständig" oder als "private" Tätigkeit bezeichnet wird. "'Opfer des Arbeitsmarktes' sind vielleicht nicht nur die arbeitslosen Lohnarbeiter oder Lohnarbeiterinnen, sondern auch diejenigen, denen sich von vornherein erst gar nicht die Möglichkeit der bezahlten Erwerbstätigkeit bietet. Sie werden einfach übersehen, da sie ja nicht zu den 'ökonomisch Aktiven' gehören und damit 'unsichtbar' bleiben" (Jacobi/Nieß, S. 164).

Demgegenüber soll hier Arbeitslosigkeit in erster Linie als Einkommenslosigkeit verstanden werden, die die Betroffenen, ob ehedem erwerbstätig oder nicht, zwingt, Arbeit zu leisten, die nicht entgolten wird, aber dennoch von existentieller Bedeutung für das Überleben der Menschen und des gesamten kapitalistischen Wirtschaftssystems ist.

Die Bestimmung der Arbeitslosigkeit ist für beide Seiten, Nord- wie Südhalbkugel gültig. Das Überleben der Einkommenslosen, weil nicht am Markt und Wettbewerb, sondern ausschließlich für die eigene Reproduktion tätigen, verarmten Massen in den Entwicklungsländern verdeutlichen die Notwendigkeit einer Neudefinition von verdeckter Arbeitslosigkeit. "Arbeitslosigkeit bedeutet ständiger Zwang zur Leistung unbezahlter Überlebensarbeit sowohl in Industrieländern als auch in Entwicklungsländern" (Jacobi/Nieß, S. 166)

Dies betrifft all diejenigen, die trotz eines vollen Arbeitstages ihr Mindestmaß an Lebensmittel und Reproduktionskosten nicht durch ihre Arbeit beständig abtragen können. Durch eine bewußte Unterbewertung ihrer Arbeitskraft werden sie in Verhältnisse gezwungen, deren Produktivität gesellschaftlich geringer bewertet wird, etwa die Tätigkeit im sogenannten informellen Sektor oder der Aufbau der eigenen Existenz unter den von Markt diktierten Bedingungen. Die Ausbeutung wird im allgemeinen nicht in Form von regelmäßiger Lohnarbeit erfahren.


2 Zusammenhang von Subsistenzproduktion und unbezahlter Frauenarbeit in der kapitalistischen Produktionsweise

Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung bzw. unbezahlte Frauenarbeit ist als wichtiger Bestandteil der Weltwirtschaft anzusehen.

Hervorzuheben ist die Gleichzeitigkeit von Zerstörung und "defizitärer" Erhaltung der Subsistenzproduktion bis in die jüngste Gegenwart sowohl in Entwicklungsländern als auch in den Industrienationen. Die Erhaltung geht zugunsten des Kapitals auf Kosten der Frauen. Ausbeutung und Zwang bewirken die belastende Existenz in nicht gesellschaftlich anerkannter, notwendiger Arbeit.

Die strukturelle Gewalt des Patriarchats macht sich die Arbeitskraft der Frauen zu eigen, eine Aneignung, die ohne Bezahlung und Anerkennung in irgendeiner Form erfolgt. "Ausbeutung ist das Schlüsselwort, daß diese Verhältnisse charakterisiert. Ausbeutung heißt Beute machen, sich etwas mit Gewalt aneignen, was nicht durch eigene Arbeit geschaffen wurde, sich etwas nehmen, ohne Gleichwertiges zurückzugeben" (Mies, 1983, S. 120). Es ist von daher egal, wie "fortschrittlich" die Gesellschaft ist, solange diese Ausbeutungsmechanismen existieren ist die Verbindung zwischen Frauen in der Ersten und Dritten Welt weiterhin gegeben.



3 Konsum - das Bindeglied zwischen Frauen in Erster und Dritter Welt

Die geschlechtliche Arbeitsteilung findet ihren Niederschlag in der internationalen Arbeitsteilung. Die weltweite Produktion erfordert eine weltweite Konsumption. Voraussetzung für Konsumen ist die Konsumentin. "In den Vermarktungsstrategien der westlichen und japanischen Unternehmen spielen westliche Frauen auch eine entscheidende Rolle, diesmal jedoch nicht als Produzentinnen, sondern als Konsumentinnen, als Hausfrauen, Mütter und Sexualobjekte" (Mies, 1990, S. 151).

Die Tendenz zur neuen internationalen Arbeitsteilung durch Verlagerung ihrer Produktionsstätten in die Dritt-Welt-Staaten bedeutet in erster Linie eine Neuorganisation der Frauenlohnarbeit. "Das bedeutet, daß als Auswirkung der Industrieverlagerung hauptsächlich die Arbeitsplätze in den Industrieländern verringert werden, die vorwiegend von Frauen besetzt werden" (Jacobi/Nieß, S. 171). Am bekanntesten dürften die Auswirkungen im Bereich der Textil- und Bekleidungsindustrie sein, zunehmend sind jedoch auch andere Branchen, etwa die industrielle Fertigung von Elektronikteilen im asiatischen Raum, als typisches Beispiel für Frauenarbeit in gering qualifizierten Tätigkeitsbereichen der Verlagerung und damit Abdrängung von Frauen in den Industrieländern und Ausbeutung von Frauen in den Entwicklungsländern zum Opfer gefallen (siehe auch: II, 2.2). "Die Vernichtung von Frauenlohnarbeitsplätzen in Industrieländern als Folge der neuen internationalen Arbeitsteilung und die geringe Chance für erwerbslos gewordene Frauen, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, forcieren das Herausdrängen von Frauen aus der Erwerbstätigkeit und das Abdrängen in die unbezahlte Hausarbeit. Gleichzeitig mit diesem Prozeß in den Industrieländern wird der Raubbau an weiblicher Arbeitskraft in den Weltmarktfabriken systematisiert" (Jacobi/Nieß, S. 172).

Dies ist als Strategie zu betrachten, die die Frauen in den Industrienationen aus der Erwerbstätigkeit ausschließt und zu Hausfrauen macht,"mit dem Argument, sie sollten sich mit den Frauen aus der 'Dritten Welt' solidarisch zeigen, die die Stellen benötigten, während das Einkommen ihrer Männer so gross sei, dass eine Frau zu Hause bleiben [...] könne" (Mies, 1990, S. 152).

Die Frauen sind also ein Luxus, den sich nur die entwickelte Welt leisen kann und sie sind angehalten diesen Luxus auch in ihrem Konsumverhalten zu dokumentieren. Dieser Luxus ist jedoch nur möglich durch die Ausbeutung der Entwicklungsländer und unterstreicht die von M. Mies entwickelte These,




"dass die beiden Prozesse der Kolonisierung und Hausfrauisierung eng und kausal miteinander verknüpft sind. Ohne die fortgesetzte Ausbeutung der äusseren Kolonien - früher als direkte Kolonien, heute innerhalb der neuen internationalen Arbeitsteilung- wäre die Errichtung der 'inneren Kolonie', das heisst der Kernfamilie und der von einem männlichen 'Ernährer' ausgehaltenen Frau, nicht möglich..." (Mies, 1990, S. 138).



Auf diesem Weg werden die Frauen über die Definition Hausfrau allerdings zu Käuferinnen gemacht, die den Konsum und damit ständiges Wachstum befriedigen sollen. Kennzeichnend dabei ist, daß den Frauen die Situation der jeweils anderen Seite der Konsumkette vollkommen unbekannt ist. Die Produzentinnen wissen oft gar nicht, was sie überhaupt herstellen, die Konsumentinnen erahnen nur in den wenigsten Fällen die Arbeitsbedingungen in den Weltmarktfabriken. Im Gegenteil, die westliche Hausfrau ist durch ihre ökonomische Lage sogar gezwungen, die Produkte möglichst billig zu erstehen. "Oft wird damit argumentiert, dass diese Strategie den Frauen in der 'Dritten Welt' Erwerbsarbeit verschafft und den westlichen Frauen/Hausfrauen billige Konsumgüter" (Mies, 1990, S. 152). Es sollten also alle zufrieden sein.

Bei genauerem Hinsehen wird jedoch augenfällig, daß die Frauen, egal ob auf der Nord- oder der Südhalbkugel, immer den Zwängen der kapitalistisch patriarchalen Gesellschaft unterworfen sind. Dieses System funktioniert deshalb so gut, weil sich die beiden Typen von Frau gegenseitig bedingen und einander voraussetzen. So ist die Produzentin im Süden Voraussetzung und Folge für die Konsumentin im Norden, während ihr Konsum wiederum die Produktion von Gütern im Süden voraussetzt und bedingt. "Hier sehen wir, dass die neue IAT [Internationale Arbeitsteilung] die Welt in Produzenten und Konsumenten aufteilt, aber auch, dass sie die Frauen international und nach ihrer Klasse nach Produzentinnen und Konsumentinnen aufteilt" (Mies, 1990, S. 152).



Die Verdrängung der westlichen Frauen aus der Erwerbsarbeit beinhaltet aber nicht nur die Aufgabe der Hausfrau und Konsumentin, sondern betont in den letzten Jahren zunehmend die Forderung nach der Mutterschaft, die wiederum die Produktion von neuen Konsumenten und somit eine Erhöhung der Komsumption bedeutet. Die Frau ist in ihrer Bestimmung als Mutter, Hausfrau und Sexualobjekt eine jeweils unterschiedliche Konsumentin, die vom Kapital benötigt wird. Die Aufgabe der Reproduktion enthält untergeordnet eben auch die Konsumption, die ebenfalls als notwendige Voraussetzung für das kapitalistische System anzusehen ist "denn ohne Konsumption oder Kauf der Waren keine Realisierung des Mehrwerts!" (Mies, 1990, S. 158). Die Konsumtätigkeit ist darum auch als Aufgabe der Frau zu betrachten, die sie im Rahmen der Reproduktionsarbeit wahrnimmt, und die, wie sich beobachten läßt in den vergangenen Jahren zunehmend mehr "freie" Zeit der Frauen in Anspruch nimmt.



4 Frauen im Übergang zum informellen Sektor

Ein weiteres Phänomen, das bei aus der Erwerbstätigkeit herausgedrängten Frauen zu beobachten ist, ist die Übernahme sogenannter sozialer Dienste durch die Hausfrau. "Immer mehr werden die Sozialdienste (Gesundheit, Bildung, Information, Transport), die der Wohlfahrtsstaat in vielen Ländern bestritten hatte, jetzt wieder privatisiert. Diese Privatisierung schliesst in der Zukunft einen erheblichen Anstieg der Arbeit von Frauen als Hausfrauen ein" (Mies, 1990, S. 159).

Diese neue Form von Arbeit fällt immer mehr dem informellen Sektor zu und nimmt den Staat aus der Pflicht, die Leistung formell zu übernehmen, sie schafft die Voraussetzung für neue Modelle von "Flexibilisierung von Arbeit" (siehe auch: I. 6)


"Nicht nur werden Frauen aus dem formalen Sektor hinausgedrängt [...], sondern sie werden in die kapitalistische Entwicklung reintegriert in einer ganzen Reihe von informellen, nicht organisierten, nicht geschützten Produktionsverhältnissen, die von der Teilzeitarbeit, über Vertragsarbeit, Heimarbeit bis zur unbezahlten, ehrenamtlichen Arbeit reichen" (Mies, 1990, S. 160).


Eine Form von Arbeit, die bis jetzt scheinbar typisch für die unterentwickelten Regionen der Welt gewesen ist, gewinnt nun auch in den industrialisierten Ländern an Bedeutung. Nicht nur die Dritte Welt wird in den Kapitalismus eingebunden, auch die Reorganisation von Arbeit ist als Modell von den Entwicklungsländern auf die kapitalistischen Länder übertragbar.



5 Informeller Sektor- Alternative oder Bedrohung?

Zentrales Merkmal der Tätigkeit im informellen Sektor ist die chronische Unterbezahlung. Das Fundament jeglicher Form unbezahlter Arbeit ist und bleibt jedoch die Hausfrauenarbeit.


"Unter 'unbezahlter' Arbeit wird meist nebulös irgendein 'informeller' Sektor, eine 'versteckte', 'unsichtbare', 'heimliche' oder 'graue Ökonomie', 'Schatten'- oder 'Eigen'-Arbeit, Subsistenz- oder gar 'Dual-Wirtschaft' verstanden, selbst 'autonom' soll groteskerweise das sein, was zunächst einmal nichts anderes als Hausarbeit im Kapitalismus ist" (v.Werlhof, S. 132).



Der informelle Sektor stellt lediglich den Markt dar, der die Arbeitsformen, die NichtlohnarbeiterInnen entwickelt haben sichtbar, nutzbar und abrufbar macht. Dabei sollte allerdings nicht übersehen werden, daß die Nutzung dieser Arbeitsform sich nicht freiwillig immer weiter ausdehnt, sondern mangels Arbeitsplätzen im formellen Lohnarbeitsbereich als Notlösung entwickelt wurde.

Die sich immer weiter ausdehnende Indienstnahme dieses Bereichs wird somit zwar aus der Not geboren, nichts desto trotz aber auch von oben diktiert, solange keine Konzepte zur Veränderung der Lage vorgelegt werden. Staat und Wirtschaft jedoch beobachten die Zustände und sehen sich durch diese Form des Selbstversorgertums aus der Pflicht genommen, was die Hilfsprogramme angeht.



Genau in dieser Tatsache liegt der Anknüpfungspunkt zwischen Erster und Dritter Welt: Auch in den industrialisierten Ländern ist erneut eine wachsende Verbreitung von Selbstversorgung zu beobachten. Die Menschen sehen sich mangels Einkommen gezwungen, ursprüngliche Formen des Lebensunterhalts in Anspruch zu nehmen "Die massenhafte Verschiebung auf Akkumulation durch unentlohnte Arbeit und die Verbreitung einer Art schlecht bezahlter Hausarbeit anstatt regulärer (proletarischer) Lohnarbeit führt auch zur Abschiebung eines wachsenden Teils der Verantwortung für die Grundbedürfnisbefriedigung auf die Arbeitenden selbst" (v. Werlhof, S. 134). In den Industriestaaten zeichnet sich immer deutlicher eine Entwicklung ab, die den Arbeitsmarkt in vergleichbare Bahnen zu lenken versucht, wie sie im informellen Sektor in den Entwicklungsländern bereits vorhanden sind.

Weg von "freier" Lohnarbeit, hin zu "immer häufigerer Verwendung unfreier, 'hausfrauisierte', ' naturalisierter' Lohnarbeit" (v.Werlhof, S. 130). Die Verwendung von Teilzeit bzw. Leiharbeit bedroht die freien Lohnarbeiter und zwingt sie, Arbeitsbedingungen jenseits der "freien" Lohnarbeit zu akzeptieren. Die Vorarbeit dazu ist bereits geleistet und findet in der gegenwärtigen Diskussion um Arbeitssicherungskonzepte deutlichen Niederschlag.

Die negativen Seiten werden in erster Linie für die Frauen spürbar. Dies ist im Auf-und-Ab der Konjunktur immer wieder der Fall und besonders im Zusammenhang mit der Verdrängung aus der Lohnarbeit zu spüren.


"Besonders in Zeiten der wirtschaftlichen Rezession werden bestimmte Personengruppen aus der Erwerbstätigkeit herausgedrängt: es sind in erster Linie Frauen, Ausländer und ältere Arbeitnehmer; oder es wird Jugendlichen und Frauen der Zugang zur Erwerbstätigkeit erschwert. Diese Gruppe [...] wird in der offiziellen Literatur die 'stille Reserve' genannt, die offiziell aus den Statistiken herausfällt und ihren Reservecharakter dahingehend zeigt, daß sie bei ansteigender Konjunktur und entsprechendem Bedarf ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellt. (Jacobi/Nieß, S. 153)



Zu welcher notwendigen Arbeit die "stille Reserve" in der Zeit ihrer Einkommenslosigkeit gezwungen wird und inwieweit diese nicht bezahlte Arbeit ein Teil der gesellschaftlichen Arbeitsteilung ist, wird nicht erwähnt. Es ist die "stille Reserve", die ständig für die Erhaltung der sogenannten "ökonomisch Aktiven", sprich sich direkt gegen Kapital austauschende Arbeitskraft sorgt, ohne Entgelt für ihre Arbeit zu bekommen. Sie ist ökonomisch notwendig, da es ohne ihre Arbeit eine "freie Lohnarbeit" nicht gäbe, und gleichzeitig ist die für den Lohnarbeitsbereich überflüssig, weil ihre Arbeit nicht reell unter das Kapital subsumiert werden kann.



Die Propagierung der Rolle der Frau als Mutter und die Zurück-in-die-Famlilie Programme konservativer Politik schaffen die Voraussetzung für eine zunehmende Verdrängung der Frau in die marginalisierten Bereiche, die keinerlei Entlohnung versprechen. "Herausdrängen aus bezahlten Tätigkeiten, Zwang zur Verrichtung unentlohnter Arbeit, dies sind die Spielregeln des männerzentrierten Arbeitsmarktes, die eine gesellschaftliche Arbeitsverteilung erzwingen, bei der Frauen für die existentiellen Voraussetzungen und Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise arbeiten müssen, ohne gesellschaftliche Anerkennung oder Bewertung ihrer Arbeit zu bekommen" (Jacobi/Nieß, S. 251). Die Ehefrau sorgt u.a. deshalb für die unbezahlte kontinuierliche Reproduktion ihres Ehemannes, weil sie aufgrund der aussichtslosen und entwürdigenden Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt keine Erwerbstätigkeit aufnehmen kann.

Die Bereiche, die wenigstens ein geringes Einkommen versprechen, werden von Männern besetzt. "Die Arbeit, die etwas abwirft, bekommt der Mann, die andere die Frau (bzw. ein untergeordneter Mann, soweit möglich)" (v.Werlhof, S. 134). Die Frauen werden im formellen wie im informellen Sektor aus den profitablen Bereichen von den Männern vertrieben und in die Subsistenz gedrängt.


"Die Bestimmung der "industriellen Reservearmee" oder marginalen Masse als in der Mehrheit weiblichen Geschlechts, denn es sind weltweit - natürlich nicht nur - Frauen, deren Disponsibilität in Krisenzeiten und in Zeiten der Hochkonjunktur ihre Flexibilität immer aufs neue beweisen muß, läßt noch einmal deutlich werden, daß das Hauptcharakteristikum der Stellung der "relativen Überbevölkerung" nicht in der passiven Wartefunktion zu sehen ist, sondern in der Abdrängung in Bereiche der unbezahlten Subsistenz- oder Überlebensarbeit als einer für die kapitalistischen Akkumulations- und Verwertungsbedingungen existentiellen Bedeutung." ( Jacobi/Nieß S. 253f)



Die Situation in erster und dritter Welt gleicht sich immer mehr an, aber nicht, wie der Kapitalismus glauben machen wollte zur weltweiten Entwicklung, sondern zur Ausbreitung subsitentieller Arbeitsformen von informellen Charakter. "Die Verallgemeinerung der unbezahlten Subsistenzarbeit zu einem Prinzip der Unterordnung der Produzenten unter das Kapital - oder die 'Hausfrauisiserung' der Verhältnisse ist kein Übergangsphänomen hin zum Kapitalismus sondern Ergebnis dessen Entfaltung selbst" (Bennholdt-Thomsen 1979, S.46).

Die anhaltende und immer mehr um sich greifende Entwertung von Arbeitskraft und Lohnarbeit führt bisher jedoch nicht zu einer Solidarisierung der Betroffenen. Vielmehr forciert sie die Feindseligkeiten und Tendenzen zur neuerlichen Abwertung der ohnehin Marginaliserten. Die Umstrukturierung von Arbeit muß in ihrer Bedeutung als globales Problem erkannt werden, nur so können Modell zu einer neuen Bewertung und Verteilung von Arbeit fruchtbar werden.



Resümee




"Zwar konnten einzelne frauenfördernde Maßnahmen in den Bereichen Ernährung, Ausbildung und Gesundheit - besonders in der Mutter-Kind-Fürsorge - punktuelle Verbesserungen erzielen, doch wirken diese eher als Reparatur an den negativsten Auswirkungen der Entwicklung auf Frauen; die gehen nicht an die Wurzeln von Armut und Frauenunterdrückung und korrigieren nicht den Export-, Kapital- und technikorientierten Entwicklungstrend, für den Frauen als Verlierer prädestiniert sind" (Wichterich, 1986, S. 59).



Die Situation der Frauen ist weltweit, trotz neuerlicher Bemühungen in Bezug auf ihre besonders schlechte Lage, als unterdrückt und ausgebeutet anzusehen. "Gerade der Prozeß der Hausfrauisierung, der dem der Proletarisierung mehr oder minder parallel läuft, zeigt, wie sehr die nichtentlohnten, sogar völlig unbezahlten Tätigkeiten integraler Bestandteil des Kapitalismus sind" (Bennholdt-Thomsen/Mies/v.Werlhof, S. 83f).


Daher ist eine Neudefinition der Begriffe Produktion bzw. Reproduktion, die den produktiven Charakter der Arbeit von Frauen unterstreicht als Loslösung aus den herrschenden Verhältnissen und eine Trennung von marxistischen Begriffen erforderlich.

Es ist nur eine Frage der Perspektive um die marxistische Theorie unter einer ganz anderen Fragestellung zu untersuchen: "Wieso akzeptieren wir überhaupt, daß nur das Kapital und die 'ihm' real 'subsumierte' Arbeit, die Lohnarbeit produktiv sei? Wieso ist die Herstellung von Geld und Dingen 'produktiv', 'wertvoll', die Herstellung von Menschen nicht? [...] Denn 'Produktion von Leben' war das, was 'Produktion von Mehrwert' erst ermöglichte, wenn es auch nie in die eigentliche Mehrwertanalyse [und damit in die marxistische Theorie] einbezogen wurde und wird" (Mies, 1983, S. 116f.).

Daraus entwickelt sich ein neue Form der Kritik am herrschenden System: "Eine Kapitalismuskritk aus diesem Blickwinkel läßt es weitaus sinnvoller erschienen, als Paradigma der Ausbeutung im Kapitalismus nicht den Lohnarbeiter, sondern die Hausfrau zu setzten" (Bennholdt-Thomsen/Mies/v.Werlhof, S. 85).

Die Sichtbarmachung der Arbeit im Subsistenzbereich kann als ein erster Schritt gewertet werden, die Produktivität von Frauen herauszustellen und ihrer Leistung und ihrem Wert entsprechend anzuerkennen und zu entlohnen. Ein Paradigmenwechsel bezüglich des Wertes der Arbeit wäre eine Errungenschaft, die den Frauen weltweit zur Hilfe kommen müßte. "Es muß darum gehen, die Subsistenzproduktion, die Produktion des Lebens, aus den Fängen des Polypen Kapital zu befreien und Autonomie über unsere Körper und unser Leben zurückzugewinnen. Selbstorganisation des Lebens und der Subsistenzproduktion, Ende des Ausbeutung von Frauen, Natur, Kolonien sind die wichtigsten Grundprinzipien" (Mies, 1983, S. 118). Allein durch Lohn für "Hausarbeit" (bzw. Subsistenzproduktion) kann die Überausbeutung der Frauen nicht unterdrückt werden. Das Ende aller Ausbeutungsverhältnisse beginnt mit einem Ende der Ausbeutung der Frauen.

Es gibt die berechtigte Befürchtung, daß die Personen, die außerhalb der kapitalistischen Kategorien ihre Arbeitskraft veräußern von den herrschenden Industriekultur als billige Sozialversicherung mißbraucht und marginalisiert werden.

Doch auch eine andere Sichtweise ist möglich: Dieser Sektor, ob nun mit Reproduktion, Hausarbeit oder Subsistenz betitelt, bis jetzt in erster Linie von Frauen besetzt und gestaltet, ist die unausgesprochen tragende Voraussetzung unserer Gesellschaft.

Daher stellt sich die Frage nach einer Umverteilung des öffentliche Haushaltes: relatives Einfrieren von Männergehältern bei gleichzeitiger Bewertung der "anderen Arbeit" durch Frauen und somit Steigerung ihrer Gehälter (auch in Teilzeit), Erhöhung der Sozialleistungen für Frauen vor allem im Alter, Einführung einer gesellschaftlich akzeptablen Form von Mindesteinkommen für alle, die aus der Lohnarbeit ausgegrenzt werden und ein eigenes Einkommen brauchen.



Die Auflösung der Lohnarbeit als Bedrohung der westlichen Kapitalismus birgt für die Frauen die Gefahr, weiterhin auf die hintersten Plätze verwiesen zu werden. Die Chance, ein neues Modell der Verteilung und Bewertung der Arbeit zu entwickeln, darf dabei jedoch nicht übersehen werden:




"Eine Alternative ist nur in Sicht, wenn wir es schaffen, auf die Dauer nicht einfach nur den Lohn, sondern viel mehr, nämlich unsere Produktionsmittel wiederzubekommen: unsere Körper und unsere Kinder, unsere Häuser und unser Land, unser Wissen, unsere Kreativität und die Resultate unserer Arbeit[...] Dazu brauchen wir allerdings nicht nur keine Proletarier, sondern auch keine Hausfrauen (v.Werlhof, S. 131)



Es gilt also, eine Perspektive zu entwickeln, die sich sowohl weltumfassend als auch individuell mit den Bewertungs- und Verteilungskriterien von Arbeit auseinandersetzt. Es bedarf dazu der Überwindung von Kapitalismus und Patriarchat, um eine Gesellschaft zu errichten, die allen Mitgliedern ein emanzipiertes Leben im Sinne von Befreiung und Gleichberechtigung ermöglicht. Individualismus, das Recht auf selbstbestimmte Lebensformen, Aufhebung der Geschlechterdifferenzierung und Ende von Unterdrückung und Ausbeutung sollten kennzeichnend als Ideal verfolgt werden.

Es sollte deshalb ernsthaft verfolgt werden, Lösungen zu vermitteln, die ein humanistisches Miteinander der Weltgemeinschaft als Ziel propagieren, Profitdenken abbauen und Ausbeutungsverhältnisse aufheben.

Literatur

BENNHOLDT-THOMSEN, Veronika: Marginalität in Lateinamerika - eine Theoriekritk, in: dies. u.a. (Hrsg.), Lateinamerika, Analysen und Berichte 3, Berlin 1979, S.45-85

BENNHOLDT-THOMSEN, Veronika: Zur Bestimmung der geschlechtlichen Arbeitsteilung im Kapitalismus, in: BENNHOLDT-THOMSEN, Veronika / MIES, Maria / v.WERLHOF; Claudia: Frauen, die letzte Kolonie. Zur Hausfrauisierung der Arbeit. 3. unveränd. Neuaufl., Zürich 1992, S.194-212

BENNHOLDT-THOMSEN, Veronika / MIES, Maria / v.WERLHOF; Claudia: Frauen, die letzte Kolonie. Zur Hausfrauisierung der Arbeit. 3. unveränd. Neuaufl., Zürich 1992

JACOBI, Carola/ NIEß, Theresa: Hausfrauen, Bauern, Marginalisierte: Überlebensproduktion in der Dritten und der Ersten Welt. Saarbrücken 1980 (Bielefelder Studien Bd. 10)

MAIER, Friederike: Zwischen Arbeitsmarkt und Familie - Frauenarbeit in den alten Bundesländern, in: HELWIG; Gisela; NICKEL, Hildegard Maria (Hrsg.): Frauen in Deutschland 1945-1992, Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Bd.318, Bonn 1993, S.257-279

MIES; Maria: (1983) Subsistenzproduktion, Hausfrauisierung, Kolonisierung, in: Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis, Bd. 9/10, Zukunft der Frauenarbeit, Köln 1983, S.115-124

MIES; Maria: (1990) Patriachat und Kapital. Frauen in der internationalen Arbeitsteilung. 3. Aufl., Zürich 1990

MIES; Maria: (1992) Kapitalistische Entwicklung und Subsistenzproduktion: Landfrauen in Indien, in: BENNHOLDT-THOMSEN, Veronika / MIES, Maria / v.WERLHOF; Claudia: Frauen, die letzte Kolonie. Zur Hausfrauisierung der Arbeit. 3. unveränd. Neuaufl., Zürich 1992, S.86-112

MIES; Maria: (1992b) Gesellschaftliche Ursprünge der geschlechtlichen Arbeitsteilung, in: BENNHOLDT-THOMSEN, Veronika / MIES, Maria / v.WERLHOF; Claudia: Frauen, die letzte Kolonie. Zur Hausfrauisierung der Arbeit. 3. unveränd. Neuaufl., Zürich 1992, S.164-193

NEW INTERNATIONALIST (Hrsg.): Frauen - ein Weltbericht, Berlin 1986

OAKLEY, Ann: Soziologie der Hausarbeit, Frankfurt a.M. 1978

SCHLEBUSCH, Conny: Bevölkerungspolitik als Entwicklungsstrategie. Historisches und Aktuelle zu einem fragwürdigen Argument. Frankfurt a.M. 1994

SHIVA, Vandana: Das Geschlecht des Lebens. Berlin 1989

v.WERLHOF, Claudia: Der Proletarier ist tot. Es lebe die Hausfrau? in: BENNHOLDT-THOMSEN, Veronika / MIES, Maria / v.WERLHOF; Claudia: Frauen, die letzte Kolonie. Zur Hausfrauisierung der Arbeit. 3. unveränd. Neuaufl., Zürich 1992, S.113-136

WICHTERICH, Christa: Feminisierung der Armut in der Dritten Welt, in: Deutsches Übersee-Institut Hamburg (Hrsg.), Jahrbuch Dritte Welt 1986. Hamburg 1986, S.49-59

WICHTERICH, Christa: Die Flexibilisierung der Frau und ihrer Arbeit, in: dies.: Frauen der Welt. Vom Fortschritt der Ungleichheit. Göttingen 1995

Mit freundlicher Genehmigung von Petra Höfels http://www.zpr.uni-koeln.de/~petra/hausfrau.html




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