Ursula Tallafuß - Pixie Power Wave

Datum 01.12.2006 09:55 | Kategorie: Texte

Ich muss zum Friseur, die Betonung liegt dabei auf „muss“.
Brav setze ich mich auf den Sessel und lasse Silvana vorerst eine Diagnose stellen. Mein Sohn wollte mich unbedingt begleiten. Er sitzt nun im Sessel neben mir und sieht sich ein Heft mit verschiedenen Haarschnitten an. Die Diagnose fällt nicht gerade gut aus. Die Spitzen sind struppig und Silvana outet viele meiner Haare schonungslos als grau.
Seufzend denke ich an alte Zeiten, damals als mir das Gefärbt und Geschnitten werden noch Spaß gemacht hat. Wie ein Pixie auf Berberitze habe ich diverse Salons verlassen; schön strubbelig und schön orange.
Heute will ich nichts als annähernd meinen Naturton wieder. Mein Sohn schaut aus der Zeitung hoch und sagt: „Die Mama Haare sind nicht grau, sondern silberig.“ Dafür könnte ich ihn küssen.
Eine viertel Stunde später langweilt er sich bereits und will unterhalten werden. Besser gesagt, er hat in seinem Heft eine Frisur gefunden, die ihm sehr zusagt. Entschlossen deutet er auf eine Blondine mit kleinen Locken und sagt: „Das will ich auch.“ Dann deutet er auf ihre lackierten Fingernägel und meint: „Und das auch.“
Leicht verzweifelt, da ich seine Hartnäckigkeit schon öfters kennengelernt habe, versuche ich ihn in Richtung Bürstenhaarschnitt zu manipulieren. Ungerührt winkt er all meine Igelgeschichten ab. Der kleine Finger zeigt auf den blonden Hochglanzhaarschopf und sagt: „Das!!“
Ich überlege. Keine normale Mutter würde ihrem Sohn eine solche Frisur erlauben und sei es nur für einen Tag. Eineinhalb Stunden mindestens werde ich hier noch sitzen, die werden hart. Mein Kopf lässt den inzwischen erwachsenen Sohn unter einer Diskokugel: „I will survive“ singen.
Ich schlucke. Dann lieber hart bleiben.
Plötzlich höre ich jemanden feixen und kichern. Ich sehe mich um – keiner da der kichert.
Jemand kichert aber trotzdem. Ich erkenne die Stimme. Es ist meine eigene. Der orangierte Pixie kichert da in mir: „Normale Mutter tut das nicht, hahaha, I´m not that stupid little person still in love with you, hohoho.“ „Halt den Mund du Gnom“, sage ich laut und Silvana sieht mich verwundert an. Ich entschuldige mich verlegen und denke über die Stimme nach. Früher wollte der Pixie nichts lieber als Mähnen zu zerzausen, heute setzt er sich für Löckchen ein und trotzdem ist er immer noch derselbe Wicht. Nach fünf Minuten habe ich gegen mich verloren und bitte das Lehrmädchen die kleinsten Wickler zu holen. „Ja, für meinen Sohn.“ Geduldig lässt er sich Strähne für Strähne umwickeln und als unsere Köpfe dann nebeneinander vereint unter der Trockenhaube verschwinden, zeige ich meinem Spiegelbild den Vogel.
Und während mir dann beim Augenbrauen zupfen die Tränen aus den Augen spritzen, werden seine Sandkistenfingernägel rosa lackiert. Ich sehe den Pixie zufrieden grinsen. Meine Tränen erweichen ihn kein bißchen.
Fertig. Ich muss zugeben, Sohnemann sieht absolut niedlich aus. Schmutzige Turnschuhe, fleckige Jeans, sauberes Hemd und himmlische Löckchen. Zufrieden schenkt er seinem Spiegelbild ein reizendes Lächeln. Er gefällt sich.
„Und das ist immerhin das einzige, was wichtig ist“, denke ich und bezahle.
Als sich dann auf der Straße seine gelackten Finger in meine Hand legen, und ihn die Leute sichtlich verwirrt ansehen, sage ich zu ihm: „Und du ladest mich dann auf eine Pina Colada ein, wenn es soweit ist, verstanden Gloria?“
„Nein“, sagt er prompt, „aber das macht nichts Mama, ich mag dich auch, wenn ich dich nicht verstehe.“
„Niedlich und klug, mein Sohn“, denke ich, als ich ihn anlächle und sage: „Und ich dich auch.“

(p.s. diese geschichte ist eine ausgedachte )



© Ursula Tallafuß



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