
Ursula Tallafuß - Jungs und Kräne
Datum 21.02.2008 21:53 | Kategorie: Texte
| „Ach Lilly, komm doch mit, die Jungs sind nett. Sei einfach du selbst, das reicht schon.“ Ich muss wohl ja gesagt haben, sonst wäre ich jetzt nicht hier, und müsste nicht die Abkürzung über die Baustelle nehmen. Die netten Jungs gehen natürlich voran, es wird ja auch schon dunkel. Zero hat sich bei einem untergehakt und ich lasse mich zurückfallen. „Hab einen Stein im Schuh! Weitergehen bitte!“ Mein Plan geht nicht auf, ich sehe sie vorne unter der Lampe warten. Gleich neben dem Kran. Die Jungs sind wirklich nett, sie haben ein nettes Leben und mir macht es Spaß mich mit ihnen drüber zu unterhalten. Und ihnen macht es wohl auch Spaß, wieso gehen sie also nicht einfach weiter? „Geht doch weiter!“ „Nein, kein Problem, wir warten!“ „Kein Problem, kein Problem“, murmle ich, klettere mit erhobener Hand durch das Loch im Zaun und sie denken bestimmt auch noch ich winke ihnen. Ich winke aber nicht ihnen, ich winke ihm. Vielleicht grüßt er mich dann ausnahmsweise heute mal nicht. Der blonde Junge reicht mir die Hand, hilft mir über das Rohr zu klettern und ich denke noch, vielleicht bemerkt er, dass ich mich für einen Augenblick verändert habe, aber er bemerkt er nicht. Und er bemerkt auch nicht, dass ich nicht begrüßt werden will, dazu ist er wohl zu „erhaben“. Jetzt beginnt die unvermeidliche Quietscherei. Laut, schrill. Meine Begleiter erschrecken. Der Blonde will mich mitziehen und ich sehe dass er Angst hat, als ich ihn bestimmt abschüttle. „Quietsch“. „Alles klar bei dir da oben?“ „Quitesch!“ „Na, das tut mir leid, aber bis Montag ist wieder alles in Ordnung?“ „Quitesch, quietsch, iiiiiiiiii!“ „Ich muss, jetzt, dann bis dann!“ Er schwenkt seinen Arm hin und her und ich sehe mich nach meinen Begleitern um, bis ich drei Augenpaare in dem Betonrohr finde. „Gehen wir weiter?“ Ja wir gehen weiter. Nur, irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass sie jetzt nicht mehr so nett plaudern wollen. „Äh, ja was das war? Eh nichts. Auf Baustellen grüßen die Kräne von oben herab. Manche zumindest, manchmal halt.“ Mein Blonder klopft sich den Staub von der Hose. Er sieht mich nicht an. „Komm doch mit und sei einfach du selbst, das reicht schon“, blaffe ich Zero an. Zero grinst und schüttelt sich ebenfalls Staub aus den Haaren. Dann sagt sie zu den Jungs:“ Hey wollen wir auch noch über den Friedhof gehen. Lilly kennt dort ein paar feine Leute.“ „Tut mir Leid, Zero“, sage ich später schlürfend durch den Halm meines Cocktails. „Jaja“, meint sie nur und: „Die Jungs waren doof, soll es geben sowas... Aber echt schade, dass dein Großer so gelbe Zähne hat.“ „Hm, shade.“ Ich bestelle noch zwei Cocktails. Und verzichte darauf die Kirschen zu grüßen.
© Ursula Tallafuß
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