Brigitta Pucher: Dreams of Chinese Tower

Datum 31.05.2006 14:05 | Kategorie: Texte

Endlich wiedermal in München, endlich wiedermal bei schönem Wetter, endlich wiedermal Biergarten: Chinesischer Turm im Englischen Garten!!! (Wir hatten von 1978 bis 1982 in München gelebt).
Am Vormittag wollten wir uns noch bei der Auer Dult treffen. Okay, darauf war ich nicht so heiss wie auf den Biergarten. Aber was soll’s, es ging ja darum, mit Freundinnen zusammen zu sein.
Mit Freundinnen zusammen sein? Auweia, genau das war mein Untergang, denn ich war bei meiner ehemaligen Nachbarin untergebracht, also auch bei einer Freundin.
Nachdem ihr Mann schon relativ früh ins Bett gegangen war, rauchten wir –zig Mal die letzte Zigarette ... bis es irgendwie plötzlich 7.00 Uhr in der Früh war. Du meine Güte, sofort ins Bett! Handy ausgeschaltet, denn es war klar, dass ich somit den Treff auf der Auer Dult ausfallen lassen musste. Ich brauchte meinen Schlaf, den ich zwar nun eh nicht mehr kriegen würde, aber immerhin einige Stunden musste ich noch auf die Matraze. (Zur Erklärung für diejenigen, die nicht Bescheid wissen: Ich habe Epilepsie. Schlafentzug ist das Schlimmste, was ein Epileptiker tun kann, beinahe schlimmer, als wenn man eine Dosis Medikamente nicht nimmt!).
Okay, ich schlief dann meinen Nicht-Unbedingt-Schönheitsschlaf. Beim Frühstück klingelte das Handy. Man erwartete mich im Biergarten am Chinesischen Turm.
Als ich dort ankam, sahen sie alle, dass ich überhaupt nicht ausgeschlafen war. Frage: „Hast du überhaupt geschlafen?“ Aber sicher hatte ich geschlafen! ... nur nicht genau und nicht zur richtigen Zeit. Ha, aber ich fühlte mich wunderbar, ich war unter Freunden und ich war endlich wiedermal am Chinesischen Turm!!! Es war alles bestens...
... nur entzieht sich meiner Kenntnis, wie lange das „dreamland Chinese tower“ anhielt, denn das Nächste, was ich mitbekam, war, dass ein Sanitäter mich aufforderte, mich auf eine Trage zu legen. Ich wollte auf’s Heftigste protestieren, meinte vom Gehirn aus, dass ich dies auch täte, aber anscheinend passierte vom Mund her nichts.
Im Sanitätswagen wurden allerlei Untersuchungen gemacht, auch meine Personalien wurden aufgenommen. Hallo, da war ich dann wieder voll da, als sie zu zweit an mir rumfummelten. Während der eine Sanitäter mir einen Fingerpiekser verpasste und „Unterzuckerung“ plapperte, steckte mir der andere gleich eine Infusion, sehr unprofessionell muss ich sagen, denn ich habe jetzt noch einen grün-gelblichen Fleck auf der Hand (3 Wochen später!). Sie fingen an von „Klinik“ zu reden. „Wie bitte? Ich geh’ in gar keine Klinik! Ich hatte wohl einen epileptischen Anfall, weiss auch ganz genau, warum ich den hatte. Ich habe letzte Nacht nicht geschlafen, d.h. ich bin erst um 7.00 Uhr in der Früh ins Bett, habe nur 4 Stunden geschlafen. Ich fühle mich jetzt wieder total okay.“
Die Sanitäter erklärten mir, dass sie mich in die Klinik bringen müssten, sonst würden sie ihre Jobs verlieren. Wenn sie jemand rufe, dann seien sie verpflichtet, ihren Job zu tun, der beinhalte eben erste Hilfe vor Ort, Transport in die Klinik. Wie bitte? Die Sanitäter waren gerufen worden? Wer, um alles in der Welt, hatte die gerufen??? Keine meiner Weibsen wollte so richtig raus mit der Sprache ... immerhin kamen zwei davon mit zur Klinik.
Spitze, dort sass ich dann dank Ärzte-Streik erstmal unbeachtet auf einem Stuhl, weil alle Liegen besetzt waren, es mir ja gut ging. Als nach einer mir als Ewigkeit vorkommenden Zeit eine Liege frei wurde, legte man mich da drauf. Die einzige anwesende Ärztin steckte mal den Kopf rein, erkannte, dass ich nicht im Sterben lag, verschwand wieder.
Der Pfleger kam, wollte mir hektoliterweise Blut entnehmen. „Kommt mir überhaupt nicht in die Tüte! Ich bin hier in München nur zu Besuch. Meine Krankenakte liegt in Barcelona bei meinem Arzt. Ich weigere mich, dass nun hier wegen einem Anfall, von dem ich weiss, warum er stattgefunden hat, eine Akte angelegt wird. Ich verlasse die Klinik wieder, wenn notwendig, unterschreibe ich auch, dass ich auf eigene Verantwortung gegangen bin.“ Er meinte, die Ärztin komme dann wieder, bevor er sich verzog.
Da ich bekanntlich unter Schlafmangel litt, schlief ich ein. Die Ärztin weckte mich ca. 2 Stunden später wieder. Sie habe gehört, dass ... blah, blah, blah. „Jawohl, ich gehe wieder!“ Ob ich nicht stationär aufgenommen werden möchte zur Beobachtung? Ach ne, nun auch noch stationär, das war ja was ganz Neues. Hatten wohl zwischenzeitlich realisiert, dass ich privat versichert bin und zwar bei einer deutschen Versicherung.
Langer Rede kurzer Sinn: Ich wurde dann auch ohne Unterschrift nach ca. 3 Stunden „losgelassen“. Hm, auf dem Weg nach draussen hätte ich mir gerne noch was Chirurgisches zugelegt. Der Notfall-Chirurg kam grad rein, madre mia, war der aber ein leckeres Kerlchen! Eine meiner zwei Freundinnen, die draussen auf dem Flur warteten, meinte auch, sie hätte noch ewig lange weiter gewartet, wenn dieser mein Arzt gewesen sei.

Na ja, kein Chirurg, aber gleich ins Café über die Strasse, um eine Zigi zu rauchen und meine „Freilassung“ zu feiern.
Brigitta goes Chinese Tower? Tja, ist wohl nix daraus geworden. Muss irgendwann wiederholt werden.
Was wollte ich eigentlich in München? Eine Freundin überraschen, die in München war an jenem Wochenende, meinte, ich könnte auf gar keinen Fall auch kommen. Ha, mindestens diese Überraschung hat geklappt, hallo, und wie die geklappt hat!!! Es mussten nur ein paar Leute „lügen“, haben sie aber gerne getan J.

© Brigitta Pucher lebt in Barcelona




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