Ghita Cleri - Telefongespräch

Datum 25.06.2009 13:30 | Kategorie: Texte

Lebenshilfe unter Freundinnen


- Kerstin, hast du Zeit?
- Hallo Gabi, wie geht es dir? Sag mal, weinst du? Was ist geschehen?
- Ach, du wirst es nicht glauben….
- Sag an…!
- Stell dir vor, Kerstin, Fred kommt nach Hause mit einer neuen Brille und einer Frisur, da bleibt mir die Spucke im Hals stecken.
- Langsam, Gabi, langsam, du kriegst ja keine Luft. Was regst du dich auf. Dein Mann hat eine neue Brille, na und. Braucht jeder mal ab und zu, besonders über 50. Und dass er eine neue Frisur hat ist bestimmt nicht von Schaden, denn so toll war seine alte Frisur auch nicht. Was ist los mit dir?
- Verstehst du denn nicht, ich war nicht dabei als er eine Brille kaufte!
- Und was ist daran schlimm? Er ist doch erwachsen.
- Ach komm, Kerstin, du weißt doch, er schleppt mich überall mit, wenn es ums einkaufen geht. Sogar für den neuen Fernseher hat er meine Meinung haben wollen. Und das vor dem Verkäufer.
- Tja, dann ist er halt allein losgezogen. Wann war das denn, wann hat er sie gekauft?
- Woher soll ich das wissen! Er kam heute grinsend nach Hause und auf der Nase prangte eine Brille, ich sag dir, so was würdest nicht einmal DU tragen.
- Was heißt das, meine Liebe, so was würde nicht einmal ICH tragen?!
- Ach komm, Kerstin, das weißt du doch! Du bist doch die Modischste von uns allen. Du trägst verrückte Klamotten und genauso verrückte Accessoires.
- Ach, und nun trägt dein Göttergatte auch ein verrücktes Accessoire? Gönnst du es ihm etwa nicht?
- Es STEHT IHM NICHT!
- Warum?
- Warum, warum? Es ist nicht seine gewohnte Art. Er trägt normale Brillen, nicht so ein farbiges Ding mit Ecken und Kanten wo sie nicht unbedingt hingehören. Außerdem frage ich mich, was so ein Ding überhaupt kostet. Weißt du das vielleicht?
- Ich weiß doch nicht, welche Brille er gekauft hat! Gucci, oder Versace vielleicht?
- Na, das würde ja noch fehlen. Mir macht er die Hölle heißt weil ich mir ein paar Slippers von 150 Euros geleistet habe und er kauft sich Gucci-Brillen. Na warte!!
- Gabiiiii, ich habe doch nur gemutmaßt. Es kann ja auch ein Aldi-Gestell sein.
- Seit wann macht Aldi Brillen?
- Gabiiiiiiii! Das war nur so daher gesagt. Versteh doch was ich meine, es gibt ja auch vielleicht verrückte Null-Euro Brillen.
- NULL EURO? Das glaubst du nie im Leben, wenn du ihn siehst.
- GABI, komm runter. Lass ihm seine Brille. Er wird schon wissen, was er tut. .
- Ja, nimm ihn nur in Schutz. Du wolltest ihn damals haben und er hat mich gewollt! Das vergesse ich nicht.
- Sag mal, fängst du schon wieder damit an? In der Zwischenzeit seid ihr dreißig Jahre verheiratet und ich 3 Mal. Hör auf damit, Gabi, sonst werde ich langsam wirklich ärgerlich, egal wie gut wir befreundet sind. Sag mir lieber, was wirklich mit dir los ist.
- Kerstin, er hat doch auch noch ‚ne neue Frisur. Verdammt, wo sind denn schon wieder die Taschentücher? Warte, Kerstin, ich hol welche, sonst schnief ich die ganze Zeit ins Telefon………………………………….
Bist du noch da?
- Ja!
- Stell dir vor, Fred war beim Frisör.
- Davon bin ich ausgegangen, nachdem du mir erzählt hast, dein Mann hätte eine neue Frisur. Wie sieht er denn aus?
- Anders, ganz anders.
- Anders als was?
- Doofe Frage, anders als sonst üblich.
- Gefällt es dir?
- Ich weiß nicht.
- Was weißt du nicht, ob es dir gefällt? Ach Gabi, wer soll es denn sonst wissen. Komm schon, wie sieht er aus?
- Er hat sich die Haare färben lassen.
- WAS, FRED?? Aber so viele Haare hatte er doch nicht mehr?
- Eben.
- Was heißt das, eben?!
- Er hat sich ein Toupet auf die Glatze kleben und die Resthaare dazu färben lassen. Blond, strohblond.
- Du machst ‚nen Witz!
- Was glaubst du, warum ich die ganze Zeit schon heule?! Aus Jux vielleicht?!
- Hoppla, neue Brille, neue Haare, neue Farbe……war er vielleicht auch im Kosmetikstudio?
- Woher soll ich das wissen?
- Sind seine Wimpern auch gefärbt?
- Ich habe ihm nicht auf die Augen geschaut. Soweit kam ich nicht, zuerst die Haare, dann die Brille. Für mehr reichte es nicht, ich hatte davon schon genug.
- Hast du ihn darauf angesprochen?
- Na ja….
- Was heißt das: "na ja"?
- Er kam fröhlich nach Hause und fragt mich schon im Flur wie ich seine Brille finde, dreht sich um die eigene Achse und gleichzeitig zeigt er dämlich grinsend auf seinen Kopf.
- Und dann…
- ..bin ich in Tränen ausgebrochen und nach oben gerannt um dich anzurufen.
- Gabi, leg jetzt sofort auf und geh zu deinem Mann und sprich mit ihm!
- Was soll ich ihm denn sagen??
- FRAGEN, du sollst ihn fragen was ihn zu dieser Veränderung bewegt hat.
- Bestimmt eine andere Frau, ich fühl das. Er wird mich verlassen wollen. Ich kenne ihn. Er war in letzter Zeit schon so eigenartig. Ich hätte mich mehr um ihn kümmern müssen, hätte mehr auf ihn achten müssen. Ach Kerstin, was soll ich tun? In meinem Alter finde ich doch so schnell keinen andern Mann mehr!
- Jetzt spinnst du total. Er hat bloß eine neue Brille und eine andere Frisur. Wie kommst du denn auf dieses schmale Brett? Hey, reiß dich zusammen!
- Du hast gut reden, du bist Trennungen gewohnt. Fred und ich aber, wir sind so lange schon zusammen, dass ich mir das Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen kann.
- So sehr liebst du deinen Mann noch?
- Lieben? Wie, lieben? Was hat das damit zu tun? Es ist halt Gewohnheit. Ja, ich bin an ihn gewöhnt. Wie soll ich das denn schaffen, wenn wir das Haus verkaufen müssen? Wie soll ich es den Kindern erklären?
- Gabi, deine Kinder sind erwachsen, du wirst Oma in wenigen Monaten. Du hast einen Job und du hast Freunde. Du würdest es schaffen, aber mach jetzt mal kein Drama aus der Sache. Wer redet denn so schnell von Scheidung?! Rede lieber mit Fred, Gabi. Rede!
- Ein Glück, dass ich dich noch habe, ich würde sonst zu Grunde gehen. Du bleibst mir erhalten auch nach der Scheidung, nicht wahr?
- Du nervst. Geh zu deinem Mann, frage ihn was das Ganze soll und dann ruf mich zurück.
- Kerstin, bitte bleib dran, ich muss wissen, dass ich nicht allein bin. Wenn er mir erzählt, er hätte ‚ne Andere, dann will ich wissen, dass du sofort für mich da bist. Verdammt, warum wohnst du auch nicht hier in der Nähe. Bitte, bitte, bleib dran.
- In Ordnung, ich warte, aber geh jetzt!!!
……………………………
- Kerstin.
- Endlich!
- Kerstin, du wirst es nicht glauben!
- Sag schon, was werde ich nicht glauben?
- Er hat mir alles erzählt.
- WAS denn?!
- Na ja, von der Frau.
- FRAU? Er hat wirklich eine andere Frau?
- Eine ANDERE Frau? Kerstin, ich bitte dich, doch nicht Fred. Wie kommst du denn darauf, das hätte ich nicht gedacht von dir. Willst du mir weh tun?
- Gabi, reiß dich zusammen, was war denn nun?
- Diese Frau, seit drei Wochen ist die in der Firma von Fred.
- Ja und?
- Ja, und sie hat ihn dazu bewegt, diese Veränderungen wahr zu nehmen. Sie hat ihm wohl klar gemacht, dass er ihr so besser gefallen würde.
- Hoppla, ER würde IHR dann besser gefallen?! Wie soll ich das verstehen?
- Musst DU nicht! Er hatte auch einen Kosmetiktermin, OHNE gefärbte Wimpern. Soweit, seine Wimpern färben zu lassen, würde er nicht gehen, sagte Fred mir.
- Aha, soweit geht er nicht. Wie weit ist er denn gegangen, mit dieser Dame?
- Kerstin, was soll diese Unterstellung?
- Es war nur eine Frage, Gabi. Wohin sind sie den nun gegangen?
- Nirgends hin. Die beiden sind nirgendwohin gegangen. Wie kommst du nur darauf?!
- War halt so ‚ne Frage. Was haben die denn nun zusammen angestellt?
- Hör auf, was soll das? Was unterstellst du meinem Mann?! Ich hör jetzt sofort auf zu reden!!
- Kommt runter, Gabi, du wolltest mir erzählen, wer oder was den Look-Wandel von deinem Angetrauten bewirkt hat. Dann tu das endlich!
- Na die Frau eben! Sibylle heißt sie. Sagt Fred.
- Gut, dann eben Sibylle. Was hat die denn nun mit Fred?
- Nichts, gar nichts.
- Ach Gabi, lass dir doch die Würmer nicht aus der Nase ziehen, das nervt. Sag schon…
- Sie ist als Typberaterin eingestellt und soll Männer in gehobenen Positionen helfen, ihren Typ zu verbessern. Kundenfreundlicher, moderner, offener - wie das Unternehmen sich neuerdings auch darstellen will.
- Gabi, sag dass das nicht wahr ist………!
- Was, du willst mir sagen, ich soll Fred nichts glauben?!
- Nein, aber dass du dich schon als Geschiedene gesehen hast.
- Finde ich nicht nett von dir, Kerstin, mir solche Sachen zu unterstellen. Warum sollte ich mich von meinem Mann scheiden lassen? Er hat endlich eine neue Brille die ich umwerfend toll finde und mit dem flotten Haarteil und der frischen Haarfarbe sieht er um zehn Jahre jünger aus.
- …………………
- Kerstin? Hallo??!
- Oh, Hallo Gabi, was hast du erzählt, hat dein Mann etwa endlich eine neue Brille? Und er war beim Frisör? Das freut mich aber……..
- Ja, nicht wahr, wurde auch endlich Zeit. Hab ich doch schon immer gesagt.
- Schön, wenn er dir gefällt, Gabi…..
- Ja, und wie. Sag mal, Kerstin, hast du vielleicht die Adresse von diesem tollen Typberater, von dem du mir letztes Mal so viel erzählt hast….?! Wie hieß der doch noch.....?=!


© Ghita Cleri



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