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Marie Theres Kroetz Relin
Vortrag für den DJV zum Journalistinnentag "Frau macht Medien 2005"
am 04.03.05 in Berlin zum Thema
"Frauenbilder oder die Frau im Bild von 1975- 2005".


Frauenbilder oder die Schublade im Hirn

M.Th. mit Fernbedienung in der Hand, nimmt Platz und beginnt zu sprechen wie eine Fernsehmoderatorin:

Guten Abend, sehr verehrte Damen, anlässlich des Journalistinnentages in Berlin starten wir heute mit einer Serie interessanter Beiträge zum Thema "Frau macht Medien 2005",
Frauenbilder oder die Frau im Bild von 1975- 2005.
Sie sehen nun zur Einstimmung den Beitrag: Weibsbilder oder die Schublade im Hirn.

M.Th. schaltet um:

Ich frag mich oft, wenn ich abends so vor der Glotze sitze: welches Bild nimmt die Frau in den Medien eigentlich ein? Wie viel ist von der Emanzipation noch übrig geblieben? Viel oder wenig? Und welches Bild hat die Frau denn nun in der Gesellschaft? Oder welchen Einfluss haben diese vorgeprägten Medien- Bilder auf uns und somit wiederum auch auf die Gesellschaft?
Hat sich denn wirklich etwas verändert oder wurden wir Frauen nur geschickt "verdeckt" und allesamt in diverse Schubladen gesteckt?


M.Th. zappt:

Ach, da läuft ja ein Film mit meiner Mama. Gervaise von René Clement, ein wunderbarer Film mit einer großen Schauspielerin. Aber Maria Schell wurde von den Medien schnell in die Heile-Welt-Schublade gestopft und durfte nur noch als "Seelchen" zum Vorschein treten, immer mit dem "chen" im Schlepptau. Dabei ist sie eine der wenigen deutschsprachigen Weltstars: wer kann schon von sich behaupten mit Visconti, Gary Cooper, Yul Brynner u.s.w. gearbeitet zu haben? Sicher nicht viele.

Auch mich steckt man gerne in so eine Schublade, genannt "Tochter von".
"Sind Sie nicht die Tochter von...?" wurde ich gerade am Flughafen angesprochen. "Ja, die bin ich." gebe ich mit einem mit einem professionellen Lächeln retour. "Hab ich es mir doch gleich gedacht, dass Sie die Tochter sind! Das finde ich aber schön, dass ich Sie mal sehe. Wissen Sie, ich habe Ihre Mutter immer so verehrt. In den vielen Filmen..." sprudelt es aus der Frau heraus. "Das freut mich!" sage ich dann schon etwas strenger. "Ganz wie die Mama!" beginnt die Frau wieder "Die gleichen Augen, die gleiche Stimme... und genauso nett, wie die Frau Mama!" und klopft mir liebevoll auf die Schulter. "Dankeschön!" schlucke ich und will entfliehen.
Das merkt die Dame."Dann will ich nicht weiter stören. Liebe Grüße an die Frau Mama... von einer Verehrerin!" sagt sie schmunzelnd, ist im Begriff zu gehen, dreht sich noch einmal kurz um fragt: "Ach und wie heißen Sie gleich noch mal?"

Ja, ich bin eben, das "chen" vom "chen" - eine "echte Von". Und wenn ich nicht als die "Tochter von" identifiziert werde, dann zur Abwechslung als "Nichte von" oder als "Frau von". Nö, nicht als Frau von dem Dramatiker Franz Xaver Kroetz, der mehr als 60 Theaterstücke geschrieben und gerade in den 70 zigern und 80 zigern die Theaterlandschaft durch seine sozialkritischen Dramen geprägt hat- aber nein, iwo, man identifiziert mich als Frau vom Baby Schimmerlos!
6 Stunden gutes Fernsehen und schon hat mein Mann sein Fett abbekommen und steckt auch in so einer Schublade - Lebenswerk hin, Lebenswerk her.

M.Th. zappt wieder:

Apropos sozial-kritisch: Haben sie sich schon mal die Politikerinnen in den Medien genau angeschaut? Die kommen ohne das kleine Latinum gar nicht mehr aus. Ja, selbst eine deutsche Familienministerin, kann nur noch zwischen Real- und Humankapital unterscheiden. Das Wort "Kinder" fällt der Mutter von 7 Kindern wohl nicht mehr ein. Eine simple Hausfrauentätigkeit in Politikerslang übersetzt, klänge das so:
In einer funktionierenden Symbiose vieler verschiedener Individuen ist es nur allzu verständlich, dass der Orkus periodisch von den (jedesmal enormen und lemurenhaften) Fäkalien gereinigt werden muss. Ich weiß, was Fakt ist: diese Arbeit ist ebenso stupide wie substanziell, ergo beginne ich das Objekt mit gerade noch akzeptablem Optimismus zu reinigen. Zwar ruft der intolerabel intensive, ja bestialische Geruch der menschlichen Exkremente einen inneren Disput, um nicht zu sagen Würgereiz in mir hervor, doch professionell überwinde ich diesen psychischen und physischen Konflikt, indem ich mit einer Dosis Domestos nachhelfe. Auch die Gäste des heutigen Abends werden das Inventar meines Bades aufsuchen und als Prinzipalin des Domizils achte ich sehr darauf, dass neben dem leiblichen Wohl auch für eine adäquate Suspension der Genüsse gesorgt wird. Ja, ich bin eben eine Frau der Superlative: individuell, intelligent, intuitiv und natürlich mit dem nötigen Charisma einer attraktiven, sympathischen und modernen Frau von Heute versehen. Nein, ich werde nicht der Staubsauger-Lethargie beiwohnen, der sich so manche apathische Hausfrau hingibt. Ich schrubbe pedantisch mit der Klobürste und ärgere mich schon insgeheim, dass die männlichen Personen meines Haushaltes, also die Machos, ihre Virilität nicht in den Griff bekommen und somit meine Reinigungsaktionen heute wieder mal ignorieren werden. Ich hasse Stehpinkler! Und besehe mir das Resultat:
"Ein so schön sauberes Klo!"

- ja, das gleiche könnte frau auch einfacher beschreiben. Nicht wahr?

M.Th. zappt wieder:

Das Fernsehen besteht eigentlich nur noch aus Talkshows und TV- Serien. Upps und was uns da an Weiblichkeit entgegenschwappt- na da schüttelt es mich des Öfteren. Haben sie schon mal bedacht, welchen Einfluss diese TV- Frauenbilder auf uns, unsere Männer und vor allem unsere Kinder haben werden? Welche Macht haben die Medien auf uns? Ich meine, man kopiert doch immer unterbewusst seine Vorbilder und landet dann eventuell im kopierten Leben.
Total TV- geschädigt schrieb ich diese Kolumne für die Neue Revue (erschienen am 10.03.05):

Früher dachte ich immer, das Leben schriebe die besten Geschichten.
Ich bin gerade dabei, mühevoll mein "Kolumnen-Ei" zu legen und werde beim "Brüten" wieder einmal gnadenlos von der Realität unterbrochen: es klingelt. "Hört mal, wer da hämmert", denke ich und öffne. Um Himmels willen, meine Nachbarin steht vor der Tür. Sie lächelt mich an und überreicht mir ein Kuchentablett mit den Worten: "In aller Freundschaft". Ich bin gerührt: "So ist das also: Selbst in der Lindenstrasse findet man Freunde fürs Leben!"

Eigentlich müsste ich ja schreiben, will Ihr das auch möglichst höflich vermitteln, da entdecke ich die Träne in ihrem Auge. Sofort erwacht die Kommissarin in mir: "Ganz Unter uns: Was ist los, Bianca - Wege zum Glück endgültig verlassen?" Jetzt fließen die Tränen und umgehend bereite mich auf den Einsatz in 4 Wänden vor. Ich schiebe sie als Agentin mit Herz in meine Küche. "Du hast eine himmlische Familie, ich hingegen habe ein Leben hinter Gittern- ein Frauenknast!" heult sie. Ich überlege kurz und entdecke bei meiner XXL - Abenteuer Großfamilie eher Ähnlichkeiten mit der Addams Family! "Wir erleben doch alle gute Zeiten, schlechte Zeiten!" versuche ich die weinende Frau zu trösten "Und außerdem sind wir doch Supermama, Supernanny und Charmed - Zauberhafte Hexen in Einem! Um was geht es eigentlich?" frage ich weiter, "Um eine verbotene Liebe oder Schönheit um jeden Preis, letzte Hoffnung: Skalpell?" "Nein" schluchzt sie, "um mein Leben bei diesem Aufpasser, immer mit Herz und Handschellen!"
Sofort wird mir klar: dies ist Akte X - die unheimlichen Fälle der Desperate Housewifes, schon halb auf dem Weg zum Familiengericht. "Dein Alter will also mit Liebe an der Macht bleiben- oder umgekehrt?" Sie nickt.
"Pass auf, ich hab immer einen Emergency Room- eine Notaufnahme für Dich! Sei getröstet Freundin - das Leben geht weiter! Echt, Du bräuchtest mal wieder Sex and the city! " "Danke" haucht sie und bleibt.
Und worüber schreibe ich jetzt?
Explosiv: TV Total!

M.Th. zappt wieder:

Diese Serien oder auch jeder gute TV-Film, werden natürlich immer und am liebsten bei Spannung pur, Erdnussflips in der Schale, Gänsehaut im Hirn - durch das brainwashing der Industrie unterbrochen: Werbepause.
Tja, und mit der Werbung springt uns das eigentliche Bild der Frau in den Medien ins Gesicht – das, welches was man am Besten verkaufen kann. Echt, da könnte ich nur noch kot...nein, das lass ich lieber.

Aber, sehen Sie mal genau hin, in der Werbung werden wir Frauen in "Klassen" eingeteilt-
Mann will uns splitten!
Da hätten wir:

a) die feschen Miezen, allesamt von der Vereinigung "tolle Karriere- Powerfrauen - we make it mit Links!" die uns irgendeinen Alkohol, Autos, Klamotten, ja selbst Binden anpreisen.

und

b) Die gute "Mutti in der Werbung". Und jetzt wird es zappenduster um das Frauenbild! Oje! Da spricht man immer von dem prägenden (und unterdrückten) Bild der Hausfrau in den 50er und 60er Jahren und wie sind wir Hausfrauen heute in der Werbung repräsentiert?
Haben Sie schon mal den Spot von der wild gewordenen Werbe-Hausfrau gesehen, die so begeistert über ihr Antiallergie-Spray für Möbel ist, dass sie wie von der Tarantel gestochen von Sofa zu Sofa hüpft um daran zu riechen? Im Anschluss stolpert dann Mutti durch das Maggi-Kochstudio weil sie zu blöd ist zum kochen, putzen kann sie auch nicht, hat aber zum Glück- männliche- Putzhilfen à la Meister Proper und wenn sie Pech hat, rückt ihr auch noch das Lenorgewissen auf die Pelle!
Und um die Hausfrau noch mehr zu diskriminieren, gibt es als krönenden Abschluss zwei als Muttchen verkleidete Männer, die bei dem verzweifelten Versuch, den Haushaltstuch-Putz-Wettbewerb zu gewinnen, über Küchenkästchen, Ceranfelder, Spülbecken und Backöfen springen! Dann folgt noch die "Revolution der Feinwaschmittel oder der putzenden Hausmänner" und zwischen durch freut sich Mutti, dass die Milchschnitte so locker und leicht im Haferl schwimmt.
Das kann doch nicht wahr sein, wie wir Hausfrauen in der Gesellschaft dargestellt werden!

M.Th. zappt wieder:

Ach, die Hausfrau....ja,ja. Wir sind entweder mit den drei "B’s" gesegnet, sprich "blond, blöd und bieder" oder werden als "Schlampen" abgestempelt.
Wobei die Prostituierten schon das erreicht haben, wovon wir Hausfrauen nur träumen können: Entlohnung, Sozialversicherung, Arbeiten auf Lohnsteuer-Karte, etc...
Die Hausfrau als Schlampe- echt wahr! Haben Sie schon mal im Internet, z.B. bei google, das Wort Hausfrau eingegeben? Nein? Dann tun Sie das einmal, sie werden Augen machen und Mühe haben einen seriösen Link über Hausfrauen zu finden! Im Internet findet, dank der Sex-Industrie, mittlerweile fast ein gesellschaftliches Mobbing gegen uns Frauen statt!
Meine "Hausfrauenrevolution" ist eine wichtige Anlaufstelle im World Wide Web geworden und auch mit vielen Klicks gesegnet. Und die Klicks, die zählen- für die Sex- Anbieter:
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Das war ein Auszug, klickt man das an, landet man bei einer Pornoseite! Nett, nicht wahr?
Es hat mich schon viel Nerven, Arbeit und auch Geld gekostet, gemeinsam mit meinem Rechtsanwalt, Erwin Brandl, die "Hausfrauenrevolution" - Sex-Link-frei zu bekommen!
Gegen über 20 "Namens- Missbraucher" hab ich mich erfolgreich gewehrt- tausende von "Fehlverlinkungen" wurden entfernt.
Aber alle Webseiten, die das Wort "Frau" beinhalten, sind davon betroffen!
Die Medien schweigen dazu, der Staat und die Gesellschaft auch und Frau ist machtlos gegen den perfiden Machtmissbrauch und zugleich der Verletzung der Würde!

M.Th. zappt wieder:

Einsamkeit betrifft uns alle und begegnet uns überall. Laut Lexikon bedeutet Einsamkeit, sich in einer menschenleeren Situation zu befinden.
Aber gibt es auch eine ungewollte Einsamkeit? Begegnen wir ihr nicht täglich gerade in "menschenvollen" Situationen?
Gott ist ein Kaufhaus (sagt F. X. Kroetz) - Konsumismus unsere Religion geworden. Wir rennen mit den Massen in die "Kathedrale Supermarkt", um dem persönlichen Dialog im Tante Emma-Laden zu entfliehen. Ich kaufe, also bin ich. Wir sitzen gemütlich vor unserem "Altar" Fernseher und "sehen" gebannt auf die Welt in dem kleinen Kasten. Wir inhalieren das Medienbild und verinnerlichen die von der Industrie vorgekauten Werte. Wir verarbeiten kaum noch die Hülle der Informationen. Wir sitzen stundenlang vor dem Computer, bewegen uns in virtuellen Welten, wie in Chats und Foren und versuchen in der Anonymität mit einer erfundenen Identität die eigene Sprachlosigkeit zu durchbrechen. Unsere Kinder wachsen in diese mediale Konsumwelt hinein und identifizieren sich über das Internet, den Gameboy, die Playstation, das Fernsehen und den Wohlstand, dem Trend hinterher eilend.
Können wir aus irgendeinem Grund bei diesem von außen suggerierten Medienbild nicht mitmachen, sei es durch Krankheit, Alter, soziale Ausgliederung z.B. durch finanzielle Not oder Sucht, missglückter Integration und nicht zuletzt fehlendem Selbstbewusstsein, rutschen wir schnell in die ungewollte Einsamkeit. Egal ob jung oder alt, wir landen im echolosen Raum.

M.Th. schaltet aus:

Frage an Sie, an mich: Was tun? Ich hab in dem Buch "Der lange Atem der Provokation" von Kristina Schulze über die Frauenbewegung in Deutschland 1968- 1976 eine nachdenkliche Antwort, merkwürdigerweise von einem Mann geschrieben, für Sie gefunden:

Tu will kämpfen lernen und lernt sitzen
von Bertold Brecht *

Tu kam zu Me-ti und sagte: Ich will am Kampf der Klassen teilnehmen. Lehre mich.
Me-ti sagte, setz Dich.
Tu setzte sich und fragte: Wie soll ich kämpfen?
Me-ti lachte und sagte: Sitz Du gut?
Ich weiß nicht, sagte Tu erstaunt, wie soll ich anders sitzen?
Me-ti erklärte es ihm.
Aber, sagte Tu ungeduldig, ich bin nicht gekommen, sitzen zu lernen.
Ich weiß, du willst kämpfen lernen, sagte Me-ti geduldig, aber dazu musst du gut sitzen und sitzend lernen wollen.
Tu sagte: Wenn man immer danach strebt, die bequemste Lage einzunehmen, und aus dem Bestehenden das Beste herauszuholen, kurz, wenn man nach Genuss strebt, wie soll man da kämpfen?
Me-ti sagte: Wenn man nicht nach Genuss strebt, nicht das Beste aus dem Bestehenden herausholen will, warum sollte man da kämpfen?


In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen schönen Abend!


*(Aus: Bertold Brecht. Gesammelte Werke 12, Prosa 2, Frankfurt 1967, 576. Suhrkamp Verlag)


Weitere Infos unter: www.djv.de