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Interview von Angelika Petrich-Hornetz mit Marie Theres Kroetz Relin
für das Online-Magazin Wirtschaftswetter.de
erschienen am 21.11.2004


1. Wo gegen revoltiert die "Hausfrauenrevolution ?

Das Wort Revolution bedeutet "Umwälzen". Die Hausfrauenrevolution will also eine Veränderungen des gesellschaftlichen Wertes der Hausfrau. Annerkennung soll erreicht werden, Vorurteile gekippt werden. Doch jede Veränderung beginnt bei uns selbst. Erst wenn wir eine Veränderung in uns zulassen, ein "umwälzen" unseres Ichs, können wir durch unser gestärktes Selbstbewusstsein auch nach Außen etwas bewirken.

2. Wie sind Sie auf die Idee zu diesem Projekt gekommen?

Ich war 35 als mir klar wurde, dass meine Zukunftsaussichten als "Managerin zum Nulltarif" sehr mager sein würden: kein eigener Verdienst, keine Rente, wenig Annerkennung, 24 Stunden-Job und berufliche Wiedereinstiegs- Chancen fast unmöglich. Und dann fragte ich mich: "Was mache ich wenn die Kinder groß sind? Mein Mann wird schreiben, inszenieren, die Kinder studieren und ihrem Leben nachgehen... Und ich? 5 x den gleichen Tisch putzen vor lauter Frust oder warten bis eins der Kids die Schmutzwäsche vorbei bringt? Nein, danke! Dazu kam, dass die Kreativität in mir schon lange gärte. Stellen Sie sich vor, ihr Kreativpotenzial steckt in einem Schnellkochtopf, aber leider haben Sie kein Ventil dafür gefunden. Die Folge des innerlichen Drucks: Vereinsamung am Herd und schlussendlich auch Krankheit. Ich wollte mein Leben verändern und begann mit meiner Hausfrauenrevolution, die jetzt ein Portal für Kreativität und Kritik an der Gesellschaft ist, verpackt in ein Augenzwinkern.

3. Hat sich ihre Hausfrauen-Situation für Sie persönlich durch die größer werdenden Kinder verändert?

Aber sicher doch! Mit "zunehmenden" Alter der Kinder verändern sich auch die Schwerpunkte in der Erziehung bzw. dem Hausfrauen- Alltag. Solang die Kinder klein sind, trägt Frau die ununterbrochene Verantwortung für die noch hilflosen Wesen. Je größer die Kinder werden und langsam in die Selbstständigkeit wachsen, desto mehr muss Frau sich im Loslassen üben... auch nicht so einfach!


4. Der Verband der Familienfrauen und -männer rechnet für eine Hausfrau mit zwei oder drei kleinen Kindern eine 72-Stunden-Arbeitswoche vor. Werden die Kinder älter nehmen viele Frauen eine Teilzeittätigkeit auf - nicht selten zusätzlich zur Arbeit zur Hause, die sie dann weiter fast allein bewältigen: Kommt eine Mutter nie aus der 72-Stunden Woche heraus?

Wer sich fürs Muttersein entscheidet, hat diese intensiven Arbeitszeiten eben an der Backe und das für einen langen Zeitraum bzw. Lebensabschnitt- mindestens 20- 30 Jahre. Und wenn man Pech hat, bei vielen Müttern nach dem "Ausgedient haben", landet man in der Sackgasse Altersheim.


5. Viele Frauen sagen, es seien gar nicht so sehr die Kinder, sondern neben der Suche nach vernünftiger Betreuung fehle es auffällig häufig an der Unterstützung durch den Partner: Wie sieht es bei Ihnen aus - kann Herr Kroetz Wäsche waschen?

Daran sind wir Frauen auch oft selbst schuld. Wenn wir unseren Partner nicht in die Mitverantwortung ziehen, brauchen wir uns auch nicht beschweren, wenn der "Herr" nicht die Wäsche wäscht. In einer Beziehung sollte man jede Arbeit nicht als Selbstverständlichkeit nehmen. Kritik geht uns allen allzu leicht über die Lippen, ein wohl verpacktes Lob im richtigen Moment, kann aber viel eher "Wunder" bewirken. Mein Mann übrigens hilft sehr im Haushalt mit, ohne ihn und seiner Unterstützung wäre ich mit meinen hausfrauenrevolutionären Tätigkeiten einfach aufgeschmissen. Aber ich bedanke mich auch für´s Wäsche aufhängen.

6. Etwa 15 Millionen "Nur-Hausfrauen" oder wie Sie sie auf der Webseite nennen: "Managerinnen zum Nulltarif" leben in Deutschland. Manche sind der Meinung, Frauen hätten selbst Schuld, wenn sie ihre frühere Berufstätigkeit hinschmeißen und in die finanzielle Abhängigkeit geraten. Was entgegnen Sie?

Im ersten "Wahn" des Verliebt seins und den rosa Zukunftsaussichten der " kleinen Familie", vergessen viele Frauen, auch an Ihre Zukunft zu denken. Was ist, wenn die Ehe scheitert? Daran wird im ersten Glück kein Gedanke verschwendet. Deshalb versuchen wir auch hier aufzuklären und die Frauen dazu anzuregen, sich für die Zukunft abzusichern. Etwas Unabhängigkeit tut jeder Ehe gut, denn dass uns der Staat in Notsituationen auffängt, darauf sollten wir uns nicht verlassen.

7. Aus welchen Gründen sind Sie in die Rolle der Hausfrau "abgetaucht"

Mit 21 war ich "zu blöd zum Verhüten" und wurde von meinem Dichter schwanger. Und mit 28 war ich dreifache Mutter und schon 4 1/2 Jahre Milchlieferantin. Ich schulte um auf "Nur- Hausfrau" - von da ab begann meine steile, dreifache "Karriere" als Mutter und ich lernte schnell, was es bedeutet "wirklich" zu arbeiten! Wer drei kleine Kinder zu Hause hat und diese "Wunderwerke" heranwachsen sehen will, ist mit dieser Aufgabe auch rund um die Uhr beschäftigt. Dabei stell sich die Frage nach einem "Abtauchen" überhaupt nicht mehr.


8. Wenn Sie das Zeitrad zurückdrehen könnten, würden Sie es noch einmal tun oder würden Sie alles ganz anders - etwas anders oder ein bisschen anders machen?

Ich würde das Zeitrad nicht zurückdrehen wollen. Alles hatte seinen Sinn in meinem Leben, das Positive wie das Negative. Die Erfahrungen die ich gemacht habe sind nun die Quelle meiner Kreativität. Was will ich mehr?

9. Was möchten Sie in den nächsten Jahren persönlich für sich mit "der Hausfrauenrevolution" erreichen und was für andere Mithausfrauen und -männer?

Der Weg ist für mich das Ziel. Ich kann nicht voraussagen, was wir alles umsetzen können. Ich kann immer nur träumen und mir verrückte Projekte ausdenken. Wenn von 10 Projekten eins klappt, dann bin ich zufrieden. Dabei möchte ich nichts Großes verändern, aber viel Kleines.
Und wenn ich "meine" Frauen dazu bringe, mit mir viel Kleines zu verändern, erreichen wir damit auch irgendwann etwas Großes.

10. Unterscheiden Sie zwischen kinderlosen und Hausfrauen mit Kindern, oder werden Sie von beiden Sorten "Null-Tarif-Managerin" aufgesucht?

Bei uns gibt es einfach alles: Nur-Hausfrauen, Mütter, kinderlose Frauen, Hausmänner, Kinder, berufstätige Frauen .....die Jüngste bei uns ist 12 und die älteste 75 Jahre alt. Gerade diese Vielfältigkeit macht den Austausch so spannend.

11 .Die Webseite "die Hausfrauenrevolution" ist gut gefüllt und gut besucht. Es gibt ein Forum, einen Chat, Treffen und jetzt auch ein Buch. Bleibt die Hausfrauenrevolution vor allem eine Community oder in welche Richtung möchten Sie das Projekt weiter entwickeln?

Unsere Community verlässt immer mehr den virtuellen Raum und wird lebendig durch unsere Treffen. Freundschaften entstehen. Wo uns das Ganze hintreiben wird, kann ich auch nicht voraus sagen. Aber ich könnte mir gut vorstellen, dass wir Hausfrauen es eines Tages schaffen, uns so zu organisieren, dass wir verstärkt präsent sind z.B. durch Revolutionshäuser.

12. Auf der Webseite schreiben Sie selbst und andere Autoren über ihre Erfahrungen, Gedanken, auch Gedichte uvm. - genügend Kreative sind also vorhanden. Warum geben Sie kein Print heraus?

Tja, ein Print würde ich schon herausgeben, aber da fehlt es derzeit noch am nötigen Kleingeld. Das Buch ist aber schon der erste Schritt in diese Richtung und wir arbeiten fleißig daran das "zielgerichtete" Schreiben umzusetzen, z.B. durch unseren regelmäßig erscheinenden Newsletter....


13. Zu Ihrem Buch, welches Anfang Oktober erschien: Was steht drin, wer sollte es lesen und warum?

Es ist ein Buch von Menschen für Menschen: Authentische Texte, mal heiter, mal nachdenklich, auch traurig, oft frech und sehr lebendig! Jede/r kann es lesen, vor allem, wenn er/sie etwas über Hausfrauen, Mütter, Beziehungen, Ehe, Erotik, den Alltag, die Einsamkeit wissen will. Jede/r wird sich irgendwo selber wieder finden in diesem Buch, denn jeder hat doch irgendwo auch eine Hausfrau daheim.

14. Die fehlende Bezahlung von Familien-Managerinnen ist auch eins der Themen in Ihrem Buch: Welche Wege aus dem Dilemma sehen Sie?

Wir können kein Gehalt vom Staat fordern, aber wir können für bessere Lebensbedingungen für Frauen und Kinder kämpfen. Das wäre schon ein wichtiger Schritt. Und den Politikern das Unwort "Humankapital" als Bezeichnung für unser Kinder wieder "entreißen". Wie oben schon gesagt: Es wird höchste Zeit, dass wir uns selbst organisieren!

15. Der Wiedereinstieg als Hausfrau auf einem Arbeitsmarkt ist nicht einfach, dennoch gibt es Hilfen. Sehen Sie in Wiedereinstiegs-Programmen und besserer Kinderbetreuung einer Lösung?

Wir müssen lernen in unsere eigen Zukunft zu investieren. Durch wachsendes Selbstbewusstsein haben schon einige Frauen der Hausfrauenrevolution einen Wiedereinstieg in einen neuen Beruf gefunden. Die Kinderbetreuung in Deutschland ist ein großes Problem... auch da würde ich gerne mit den "kleinen" Dingen anfangen, wie z.B. einheitliche Schulzeiten. Damit wäre vielen Frauen schon geholfen!

16. Ist das Problem der kostenlosen Arbeitsleistung von Hausfrauen nicht schon hinlänglich bekannt und das Thema Hausfrauen-Gehalt endlos durchgekaut? Was fehlte Ihnen in der bisherigen Diskussion?

Die Anerkennung. Die fehlt. Oder müssen wir unsere Leistung immer nur über das Einkommen definieren?

17. Die Bundesregierung plant Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren auszubauen. Was denken Sie persönlich über Fremdbetreuung kleinerer Kindern?

Ich persönlich denke, dass kleine Kinder ihre Mama brauchen. Die ersten Entwicklungsjahre sind so entscheidend für ein Kind. Aber ich kann es mir leisten so zu denken, ich bin privilegiert. Neue Projekte werden von Politikern immer wieder vorgeschlagen, aber sie reden viel und tun wenig. Einheitliche Schulzeiten wären ein erster Schritt.

18. Immer weniger Akademikerinnen bekommen Kinder. Was meinen Sie, liegt es wirklich nur in den schlechten Betreuungsmöglichkeiten für berufstätige Mütter oder können Sie noch andere Kriterien in Deutschland entdecken, die vielleicht bei der Entscheidung eine Rolle spielen?

Eine junge, studierende Frau hat fast keine andere Möglichkeit. Ihr Studium dauert bis ca. 28, dann 5-6 Jahre im Beruf ein Standbein suchen und schon tickt die biologische Uhr. Die Realität ist doch, dass wir Frauen trotz Verhütungsmöglichkeiten gar nicht "frei" entscheiden können, wann wir ein Kind bekommen wollen. Und Deutschland ist und bleibt Familien-unfreundlich. Leider.

19. Einerseits erkannten auch Fachleute längst, wie wichtig der Vater in der Erziehung ist - auf der anderen Seite propagierten aktuell der Papst und einige EU-Politiker die sorgende Frau, die sich vornehmlich um Kindererziehung, Ehemann und andere kümmern solle. Was propagieren Sie?

Ich denke, beide Elternteile sind extrem wichtig für die Erziehung! Und was der Papst bzw. die Politiker sagen, interessiert mich reichlich wenig. Die meisten können bei der Erziehungsfrage ohnehin nicht mitreden: sie haben nämlich keine Kinder!

20. In das Bild der (deutschen) Mutter wird viel gedeutelt und projiziert. Durch welches Bild würden sie die vorhandenen und hinlänglich bekannten gern ersetzen?

Ich möchte gern das Wort Hausfrau und Mutter neu definieren. Ich glaube, jede von uns ist einzigartig. Und wenn viele einzigartige "Tropfen" auf den heißen Stein fallen, dann wird es auch kräftig zischen. Es liegt an uns, wie weit wir bereit sind, das verstaubte Bild neu aufzupolieren.

21. Und letzte Frage: Als Initiatorin der Hausfrauenrevolution sind Sie in der Öffentlichkeit wieder aufgetaucht. Können wir mit noch mehr öffentlicher Kroetz-Relin rechnen, vielleicht auch wieder mit der Schauspielerin?

Sicher können Sie mit mir in der Zukunft rechnen, auch in der Öffentlichkeit! Ich mach ab jetzt "Karriere als Hausfrau" - als Schauspielerin bin ich als Mutter von drei Kindern jedem Arbeitgeber eher ein Dorn im Auge. Macht aber nichts, die Hausfrauen sind mir eh viel lieber: denn wir leben das Leben und spielen es nicht.


Mit freundlicher Genehmigung von www.wirtschaftswetter.de und Angelika Petrich-Hornetz