Home
Frauen Kinder Kueche Mail Impressum
Maenner Kultur Medi-Eck Anzeigen Links

Anita Gertenbach

Kleine Anleitung zum Selbstbewusstsein


Gehören Sie auch zu den Frauen, die sich als Kind mehr Selbstbewusstsein wünschten und sich damit trösteten, als Erwachsene das Ersehnte quasi auf natürliche Weise zu erreichen, so wie der Busen auch von selbst wächst?
Und, warten Sie auch noch darauf?

Seien wir ehrlich: Auch noch mit 40 gerate ich ständig in Situationen, in denen ich wie eine Neunjährige schlucke, wortlos nicke und mich dafür in den Hintern beißen könnte. Wer erinnert sich nicht an unerquickliche Gespräche mit Lehrern, die bereits nach sage und schreibe vier Wochen „aufgrund ihrer pädagogischen Erfahrung“ die Wurzel allen Übels ausgemacht haben? Ja, sie haben recht, die Wurzel bin natürlich ich, die Mutter des Kindes. Diese Feststellung allein lässt mich schlucken, wortlos nicken und Besserung geloben. Trotz des ohnmächtigen Gefühls ist es vermutlich sogar die richtige Entscheidung, da wir besagten Lehrkräften noch längere Zeit auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind.

Aber neulich, da hätte ein bisschen mehr Selbstbewusstsein meinen Tag gerettet. Es war Sonntag, mein Sohn hatte um acht Uhr am Marktplatz zu erscheinen, um dort mit dem Kleinbus zum Schwimmwettkampf zu fahren, mein Mann war beruflich unterwegs und ich freute mich unbändig auf einen geruhsamen Tag mit Wellness-Programm und anschließend einem guten Buch auf dem Sofa. Leider hatte das vereinseigene Vehikel nach Jahren voller müffelnder Sportsachen den Dienst quittiert, ich hörte, schluckte, nickte wortlos und kutschierte anschließend vier johlende hoffnungsvolle Talente dem Ort ihres Triumphes entgegen. Dort fand ich mich zwei Stunden später wieder, umgeben von ehrgeizzerfressenen Eltern, wichtig drein-schauenden Kampfrichtern, heftig gestikulierenden Trainern und einer unüberschaubaren und vor allem unüberhörbaren Schar von badebemantelten Kindern in Addiletten. Stunde um Stunde harrte ich aus am Beckenrand, während mir die Pfeife des Schiedsrichters, dreimal kurz, einmal lang, in den Ohren gellte. Vor lauter Lärm verpasste ich den Start meines Sohnes, der mir mit einem vorwurfsvollen „Du hast überhaupt nicht angefeuert!“ und einem weidwunden Blick aus chlorwassergeröteten Augen die Schuld an seinem drittletztem Platz gab.

In diesen Stunden grübelte ich nur über die eine Frage nach:

Wie bekomme ich genug Selbstbewusstsein, um endlich auch mal nein sagen zu können?

Meine Freundin, die davon so viel hat, dass sie eigentlich etwas zeitweise verleihen könnte, stellte mir tags darauf ein Lernprogramm auf, das ich Ihnen nicht vorenthalten will:
Steh beim nächsten Elternabend auf und teile allen Anwesenden einschließlich Lehrern unmissverständlich und ohne weitschweifige Erklärung mit, dass du keinesfalls gewillt bist, weihnachtliche Strohsterne zu basteln und schon gar nicht als Schülerlotse zur Verfügung stehst.
Gib dem fragwürdig erscheinenden Mann an der Haustür klar zu verstehen, dass du sehr wohl etwas gegen ehemalige Kriminelle hast und er sich sein Abo an den Hut stecken soll, und zwar pronto. Verweise dabei keinesfalls und schon gar nicht mit entschuldigendem Unterton auf die Reihe Abos, die du dir bereits vor Monaten hast andrehen lassen.
Lade dir einen Vorwerk-Vertreter ein, um Staubsauger, Dampfreiniger und Teppichshampoonierer vorführen zu lassen. Wenn du auf diese Weise dem Wohnzimmer einen gründlichen Frühjahrsputz hast zukommen lassen, mach den Mann darauf aufmerksam, dass die Geräte, die du letzten Monat bei der Konkurrenz erworben hast, mindestens ebenso gut reinigen und das zum halben Preis.
Begib dich allein zum nächsten Autohändler und lass dir bis ins Kleinste erklären, wie ein Vergaser funktioniert; und zwar so lange, bis du es tatsächlich verstanden hast. Je mehr Termine du dafür vereinbaren musst, um so besser für dein Selbstbewusstsein.

Probieren Sie es doch mal aus und schreiben Sie mir, ob es geklappt hat.

Ich?? Äh, nein, ich trau mich schon nicht auf den Elternabend seit herauskam, dass ich zuständig bin für die Erziehung des Schmierfinks, der unanständige Worte mit Kreide auf die Klotür kritzelte.