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Barbara Bogon

Ein Versuch zum Tod von Maria Schell


Ein Versuch, Dir das zu sagen, wofür mir die Worte fehlen.
Liebe Marie Theres,
Ich stelle fest, dass Sitcoms – im Gegensatz zu allen anderen einseitigen Kommunikationsformen – die erfrischende Eigenschaft haben, von allem Denken zu befreien. Ich würde so gerne versuchen, die Dinge der Vergangenheit hinter mir zu lassen und jeden Tag in ein langes Wochenende zu verwandeln. Aber dieser Enthusiasmus währt ab diesem Moment nur 2,5 Sekunden: es ist das gleiche, wie wenn man die SPIEGEL-Bestsellerliste in einer Woche abarbeitet: es führt zu nichts. In mir werfen sich schwierige Fragen und Gedanken auf – und es fällt mir schwer, die Worte zu finden und etwas konstruktives dazu zu denken. Douglas Adams kann es auch nicht, er ist tot. Immerhin lässt er einen Ansatz vermuten: Vom Standpunkt des scheinbar Absurden aus möglicherweise einen Blick – für einen Bruchteil einer Sekunde – auf die Realität erhaschen. Dann wird offenbar, wie absurd der ganze Rest ist. Die Realität extrapoliert aus einem Stück Sahnetorte. Was dann? Nichts weiter. Nur die lästige Erkenntnis, zu wissen, wie es ist. Ich bin sprachlos und versuche mich in Lächerlichkeiten und unwichtigen Unsinn zu flüchten und bin mangels Alternativen der Überzeugung, dass der Sinn vom Leben und dem Universum und dem ganzen Rest 42 ist. Dahinter kann man, verteilt über den Tag, eine ganze Menge verstecken. In Wirklichkeit krampft sich mir der Magen zusammen, weil ich Dir so gerne etwas stärkendes, sinnvolles würde schreiben wollen...es fehlen die richtigen Worte. Ein Kloß im Hals, den ich mit einem Becks runterspülen will. Solange es keine Pillen gegen Sinnentleertheit gibt, kann man wohl nicht viel machen, außer etwas Zeit darauf zu verwenden, den Inhalt des Fluchtkoffers (mit einem Grinsen) zusammenzutragen; ein Berg Bargeld, ein zweiter Berg Reisechecks, die gut gedeckte Kreditkarte, Paß und Fotoapparat. Touristenausrüstung. Zum Koffer greifen, die Sicherung rausdrehen, abschließen und den Schlüssel in den Briefkasten werfen, nach einem Taxi winken und „zum Flughafen, bitte“ sagen, es ist so gut einstudiert, dass es wie eine einzige Bewegung erscheint. Und dann: Man stolpert auf der Haustürschwelle und legt sich hin. Das ganze noch mal in Zeitlupe, diesmal sind am unteren Rand der Mattscheibe die Zehntelsekunden eingeblendet. Lounge-Musik und Zoom auf das verblüffte Gesicht. Fünf Putzfrauen in voller Montur und ein UPS-Mann mit digitalem Schreibblock halten die Wertungen hoch: insgesamt leider nur 29,3 Punkte. Irgendwo hin, die Landschaft angucken, versuchen, den Kopf frei zu bekommen. Warmer Wind im Gesicht, sich nett fühlen und nicht wissen warum...vielleicht. Was, außer Tourist sein, gibt denn die Gelegenheit, Dinge neu zu betrachten und sich sogar zu wundern? „Trag mich davon, Waggon; Entführe mich, Fregatte. Der Schmutz in dem wir sind, ist aus unseren Tränen.“ Ich finde den schnell süchtig machenden Entwurf verlockend: diese Anonymität, wie sie in Sophie Coppolas Film „Lost in Translation“ mit einem brillianten Bill Murray dargestellt wurde. Hochautobahnen in der Stadt, Lichter in irgendwelchen 300-stöckigen Hochhäusern, ausgesucht freundliches Personal in den Hotels der Kette Mandarin Oriental, dass dafür sorgt, dass man sich sofort wie zu Hause fühlt – leider sieht es in Deutschland an keinem Ort – nicht einmal in der Micky-Maus-Weltstadt Berlin so aus -, obwohl diese Bilder ja die Entsprechung von Anti-Sozialität und Privatheit zu sein scheinen. Großartig: ein Leben zwischen Shampoo und Spülung, portioniert für die einmalige Anwendung, und aseptischen verglasten Flughafenterminals und horizontalen Rolltreppen, Lichtreklamen, die Verbannung persönlicher Artefakte, bis auf die, die man noch im Frogtrolley bei sich zu führen wagt...was bringt es sich zu ärgern.
Ach, entschuldige das wirre Zeugs, diese Kakographie, wohlmöglich Abziehbildchen meiner Anomie und des Wunsches, mich in Oberflächlichkeiten zu flüchten und Verletzlichkeiten nicht eingestehen zu können. Stattdessen: einfach spochesk eine Augenbraue hochziehen und sich unbeteiligt am YSL-Sakkoknopf zupfen; nicht vergessen zu lächeln. Aber nichts zu sagen und nichts zu tun hilft ja nicht, genauso wenig, wie darauf zu hoffen, beim Lotto die monatliche Sofortrente von 5000€ einzustreichen.
Was schreibe ich da? Es ist der Versuch, meinen Gefühlen eine geistige Entsprechung zu geben.
Mag sein: Das Internet gaukelt mir eine Vertrautheit vor, die es vielleicht nicht gibt. Mag sein, dass Du mit diesem Durcheinander nichts anzufangen weißt. Letztlich ist es der klägliche Versuch, Dir mitzuteilen, ja, was eigentlich? Der Versuch, Dich zu trösten... und da stehe ich vor meiner eigenen Sprach- und Hilflosigkeit, die mich einfach drauf los schreiben lässt. Vielleicht kannst Du zwischen den Zeilen lesen?!
Ich wünsche Dir auf jeden Fall einen immer gepackten Fluchtkoffer, die Stadt, in der Du in die Anonymität abtauchen kannst, wo Du Deine Gefühle leben kannst, Deinen Schmerz, Deinen Kummer.
Ich bin ein kleines Licht, neu in der HFR, vielleicht auch unbedeutend. Dennoch hoffe ich, Du kannst meine Worte annehmen, auch wenn sie ins Nirgendwo gehen, vom Nirgendwo kommen... von einem kleinen Ort in Westfalen, von einer kleinen Studentin, die ewig vor ihrem Computer saß, um die richtigen Worte zu finden. Vielleicht bin ich kitschig, wenn Du willst auch gefühlsduselig... aber ich denke an Dich, umarme Dich und wünsche Dir Kraft und Zuversicht und die Stärke, schwach sein zu können.

Babsi