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Barbara Fabricius-Exner

Stadtrundfahrt


Ich lebe gerne auf dem Land. Ich geh aber gerne mal in die Stadt. Schließlich will ich ja kein Landei sein. Mit dem Auto geht das ruckzuck. In 10 Minuten bin ich in einer netten Kleinstadt. In einer Viertelstunde in der etwas größeren und in einer halben in der großen Stadt. Alles da. Klein und mittel ist ok, da kenn ich mich aus wie in meiner Westentasche, weiß, wo ich abbiegen, mich rechtzeitig einordnen oder eine Abkürzung nehmen kann. Kritisch wird es erst, wenn ich mal in die unbekannteren Ecken der Großstadt muss. Dann kommt der Faltplan zum Einsatz, meine Waffe gegen plötzlich auftauchende Einbahnstraßen und den Hinterhalt der gemeinen Sackgasse.
Im Laufe der Zeit hab ich da meine eigene Methode gefunden: Ich studiere den Stadtplan, notiere Punkt für Punkt auf einen Haftzettel und klebe den dann aufs Lenkrad. Ich bin zwar immer etwas nervös, wenn ich im unbekannten Stadtdschungel unterwegs bin, aber irgendwie komme ich ans Ziel.

Schlimmer ist es allerdings, wenn ich Beifahrerin bin. Männer haben keine Angst. Männer haben ein klares Ziel vor Augen und stellen sich der Herausforderung ohne Zögern. Meiner auch.
Aber er kennt sich genauso wenig aus wie ich. Also sagt er - denn Männer können meistens auch gut delegieren - nimm doch mal geschwind den Stadtplan und guck, wo wir lang müssen.
Grundsätzlich bin ich ein guter Scout. Ich führe uns problemlos auf dem kürzesten Weg von Pforzheim nach La Rochelle. Ich habe uns mit dem Kompass durch Anatolien geleitet. Kein Problem. Aber der Weg von der Theodor-Fischer-Str. auf B4 zur Otto-Schmöker-Allee auf P17 bringt uns an den Rand eines Ehedramas.
Ich entfalte den Plan, soweit das im Sitzen geht. Aha, hier sind wir, da wollen wir hin. Eingenordet.
Gut, sag ich, fahr jetzt die 3. Straße rechts, kleiner Kontrollblick nach unten, ja, stimmt. Er fährt. Er fährt vorbei. Wieso fährst du vorbei, du hättest abbiegen müssen. – Das war nur eine Einfahrt in den Hinterhof. – Nein, nein, du hättest da reinfahren müssen. OK, wende halt da vorne. Er wendet, fährt zurück, biegt ab. Siehst du, und jetzt da vorne wieder rechts. – Das ist eine Einbahnstraße, kannst du das nicht auf deinem Plan sehen? – Wieso mein Plan? Hier steht nichts. Fahr halt die nächste rechts, das geht auch. Er fährt. Wir kommen an eine sternförmige Kreuzung, er fährt hinein, bevor ich mich im Plan orientiert habe. –Was jetzt, wo muss ich hin, fragt er ungeduldig. Hinter uns hupt jemand. – Da drüben, halb rechts, die zweite von hier. – Geht nicht, sagt er, ich bin auf der falschen Spur. Er fährt weiter in die falsche Richtung. Ich sehe auf den Plan. Das ist aber jetzt ganz dumm. Wir sind auf dem Zubringer zu einer Schnellstraße und die nächste Abfahrt ist etwa einen Kilometer weiter. Mist, sag ich, fahr die nächste Möglichkeit runter. Er fährt, die Luft im Auto füllt sich mit Unmut. Er fährt ab, wendet, fährt zurück, biegt in eine Straße ein, von der ich nichts gesagt habe. – Was soll das jetzt? – Die Richtung stimmt, sagt er, garantiert. Irritiert sehe ich auf den Plan, ah, ja dort. Wir müssen gleich rechts in die Wielandstraße, ich sehe hoch, wir sind bereits an der Wielandstraße vorbei. – Du fährst zu schnell, sag ich, du bist schon vorbei, ehe ich es gefunden hab. – Du bist zu langsam, erwidert er gereizt. – Fahr doch einfach mal rechts ran, dann gucken wir in Ruhe, schlage ich vor. – Siehst du nicht, dass ich hier nicht anhalten kann? Muss ich alles selbst machen? Er ist jetzt richtig ärgerlich. Ich auch. So nicht. Nicht mit mir. Weißt du was, sag ich, ICH muss gar nicht in diesen blöden Fahrradhandel, sondern du.
Jetzt hör aber auf, schnaubt er, nur weil du die verdammte Karte nicht lesen kannst! – Moment, DU fährst hier wie blind, nicht ich! Jetzt reicht’s. Ich lass das Fenster herunter und werf’ die Karte raus. Siehe da, plötzlich kann er sogar anhalten.
Wir holen die Karte nicht zurück. Wir fahren nicht in den Fahrradhandel. Wir gehen in ein Cafe und trinken einen Cognac. Das war nicht der erste Streit dieser Art.

Seit kurzem besitzen wir eine Navi, ein Satellitengesteuertes Navigationssystem. Mit sanfter beruhigender Stimme, die keinen Widerspruch duldet, gibt eine Frauenstimme Anweisungen wie: Ordnen Sie sich links ein – Biegen Sie JETZT ab – fahren Sie 200 m geradeaus. Perfekt.
Ich wohne gerne auf dem Land. Ich fahre gerne in die Stadt.
Nur mein Mann findet es schrecklich, dass die Navi immer Recht hat.