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Brigitte Hieronimus

Schwarze Seide


Das Medaillon klemmt sich zwischen ihre schweren Brüste, als Mona sich vor den Schrank hockt, um nach Seidenstrümpfen zu suchen. Hastig durchwühlt sie die Schublade und findet ein Paar neue im hintersten Eck. Sie öffnet die Packung und zieht sie vorsichtig heraus. Jetzt bloß keine Laufmasche machen, denkt sie, spreizt ihre schmalen Finger und fährt behutsam in die schwarze Seide hinein. Als sie sich aufrichtet, brennt sich das Medaillon in ihre feuchte Haut. Lächelnd hebt sie es an ihre Lippen. Günthers abgenutztes Antlitz klebt darin. Günther, der ihr so nah wie sonst niemand gekommen war. Der sich mit siebzehn in ihre Brüste vergrub, ihr aber nie zwischen die Beine fasste. Von dem sie sich geliebt und geachtet fühlte, und für den sie so gerne ihre Unschuld bewahrt hätte. Ach Günther, warum hast du mich verlassen?, befragt sie sein Antlitz nun schon seit über zwanzig Jahren.
Mona schlägt die Tür hinter sich zu und setzt sich in ihren Smart. In einer halben Stunde wird sie im Atelier sein. Dort wartet Lilli, Günthers Frau, die eine begnadete Malerin ist. Seit einem halben Jahr sitzt sie bei ihr Modell. Lilli weiß nicht, dass Günther ihre erste Liebe war.
Monas Plan war schnell gefasst, als sie die beiden auf einer Vernissage sah. Ihr stockte der Atem und sie versteckte sich hinter einer Säule, während sie beobachtete. Zärtlich legte er seinen Arm um Lillis schmale Hüften und schob sie von Bild zu Bild. Sie neigte sich immer wieder zu ihm, hilflos und kindlich, so als ob sie von dem ganzen Rummel übermannt worden sei, und Günther sie retten müsste.
Mona wollte Günther wieder haben. Um jeden Preis. Sie wollte das Gefühl der reinen Liebe noch einmal kosten dürfen. Ein Gefühl, das verschollen war, seit er gegangen war. Günther, der sie aus den Klauen des Dämonen hätte befreien können, hat sie einfach verlassen.
Es war nicht schwer, Lilis Vertrauen zu erwerben. Zuerst muss man das Opfer in Sicherheit wiegen, dann in Abhängigkeit bringen. Das hat sie von Vater gelernt. Lilli war eine ungewöhnlich schöne Frau und lechzte wie alle Egozentrikerinnen nach Anerkennung. Es war leicht, Lili zu verführen.

Mona hat Vater nie ins Gesicht gesehen, wenn er sich ihr näherte. Er kam immer freitags gegen fünf, wenn Mutter bei Oma putzte.
An der Ampel spürt sie wieder diesen Würgreiz. Sie schaut auf die Uhr, gleich fünf. Sie muss sich beeilen.
Als sie Lilis Atelier betritt, spürt sie ein Stechen in der Herzgegend. Lilli kommt wie gewohnt, breit grinsend auf sie zu. "Grüß dich, meine Süße, wie geht es dir?", und umarmt sie zärtlich. "Zieh dich aus, aber lass wieder die Strümpfe an...", lächelt sie vieldeutig. Mona verschwindet aufs Klo, dort sucht sie in ihrer Tasche nach dem winzigen Röhrchen und lässt es in der breiten Spitze des Strumpfes verschwinden. Nackt betritt sie den kleinen Raum, in dem Lillis Staffel steht. "Setz dich, Mona Schatz", und zeigt auf den hölzernen Stuhl. "Dreh mir den Rücken zu", fordert Lilli sie auf, während sie den Pinsel eifrig in rote Farbe taucht. Rittlings hockt sie sich darauf und erschrickt vor der Kälte des Stuhls.
Im Keller musste sie sich jedes mal über den alten Stuhl beugen. Malkleckse klebten wie Konfetti daran und sie zählte sie alle. Jeden einzelnen. Erst wenn Vater gegangen war, ging sie in den Waschkeller und erbrach sich.
Nach einer Stunde wäscht Lilli die Pinsel aus, während Mona ihre Strümpfe richtet und das Röhrchen an sich nimmt. "Machst du mir noch einen Kaffee, du Schönste aller Frauen?" Monas Brustnippel richten sich auf, als Lillis Lippen sich den ihren nähert.
Wenn ich fort bin, wird die Droge bereits wirken. Lili wird sich dann auf der Autobahn befinden. Sie wird sich schwindlig fühlen und ihr wird schwarz vor Augen werden. Alles wird ganz schnell gehen. Morgen wird der Unfall in der Zeitung stehen, und dann werde ich mich bei Günther melden. Ich werde ihm bei stehen in der schweren Stunde, und nicht mehr von seiner Seite weichen. Ich weiß nun genug über ihn, um ihn für immer an mich zu fesseln. Nie mehr wieder wird er mich verlassen. Nie mehr...
"Komm näher Lilli, gib mir zum Abschied einen Kuss".


Autorin:
Brigitte Hieronimus



Brigitte Hieronimus
Schriftstellerin und Autorin
Seminarleiterin für Wechseljahre
Beratung und Coaching

www.brigitte-hieronimus.de