Home
Frauen Kinder Kueche Mail Impressum
Maenner Kultur Medi-Eck Anzeigen Links

Petra Plaum

Die Odyssee einer Berufseinsteigerin


(alle Personen außer meiner Wenigkeit sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind jedoch erwünscht ;-))

"Mama, ich sattle um. Beruflich, meine ich". Meine Mutter sollte die erste sein, die es erfuhr. "Ich werde Hausfrau, so wie Du." – "Suuuuper!" kam es spontan aus dem Telefonhörer. "Genau wie ich? Na, dann lass Dir zur Hochzeit schon mal einen Trockner, eine Mikrowelle und eine große Tiefkühltruhe, eine Spülmaschine und einen Bestellgutschein für Bofrost schenken. Finde schnell
heraus, wer billig und gut Deine Wäsche bügelt und such Dir beizeiten eine tolle Putzfrau und einen Gärtner. Oh, und eine Kinderfrau wirst Du natürlich auch benötigen! Schatz, wie viel verdient dein Verlobter noch mal?"

Oje. Meine Mama konnte ich als Vorbild schon mal abhaken. Männes Gehalt würde ihn, mich und unser Baby zwar satt kriegen, aber das war’s dann auch schon.
Leider war ich begabungstechnisch ganz die Mama – nicht wirklich zur Superhausfrau geboren. Von Geburt an kurzsichtig, hatte ich bald gelernt, bei Schmutz in meiner Wohnung einfach die Brille abzusetzen. Schwuppdiwupp, verschwunden waren Wollmäuse und Flecken. Von meinen Zimmerpflanzen überlebten allein die Kakteen und Orchideen – die fanden es prima, nur alle zwei Wochen mal einen Schuss Wasser abzukriegen.
Armaturen bekam ich nie kalkrand- und Fenster keinesfalls streifenfrei, egal, wie versessen ich an ihnen herumwienerte.
Mit der Zeit putzte ich immer seltener – wer rackert sich schon gerne ab ohne Hoffnung auf ein gutes Ergebnis? Meine Bügelwäsche mochte mich auch nicht, die Blusen warfen unter meinem Eisen die hässlichsten Falten, sodass ich irgendwann auf Stretchmode umstieg.
Und das Essen? Tja, Ravioli und Tiefkühlpizza sei Dank, hatte selbst ich bisweilen etwas Warmes auf dem Teller. Meine selbst gebackenen Brote wurden dagegen meist so hart, dass ich eine Straße damit hätte pflastern können.
Im Brotberuf zeigte ich zum Glück mehr Talent, und dies wurde entsprechend honoriert. Meist ging ich bis acht Uhr abends arbeiten und anschließend gepflegt essen. Kam ich schließlich nach Hause, war es dunkel, zum Schlafen brauchte ich keine Sauberkeit, und morgens floh ich vor dem Dreck ins Büro, das bis dahin die Putzfee schon gereinigt hatte. Das würde nun anders werden –
anders werden müssen. Ich war verliebt, ich war schwanger und ich hatte mir in den Kopf gesetzt, mein Baby selbst großzuziehen. Außerdem sollte es ja kein Einzelkind bleiben... "Ich nehme übrigens Elternzeit, die vollen drei Jahre", kündigte ich im Kollegenkreis an. Keiner dort hatte ein Kind, allen fiel die Kinnlade herunter. "Wie schööön für dich!", flötete Lollo. "Ich beneide dich Ja so! Morgens ausschlafen, dann heiti-teiti mit dem Kleinen, mittags gemütlicher Klatsch im Café und abends gemeinsames Spielen mit dem stolzen Papi. Ich will endlich auch ein Baby..." – "Lass mal, Lollo", Nina grinste irgendwie giftig. "Die kommt eh bald zu uns zurück. Ist doch todlangweilig, so mit Baby allein zu Haus. Nichts zu tun außer Spielen und ein wenig Haushalt. Eine Frau von heute fordert das doch nicht". – "Und sieh dich nur vor, dass du am Ball bleibst in Sachen Arbeit", ergänzte Jan. "Regelmäßig Fortbildungen besuchst, Krankenvertretungen schmeißt und vielleicht den einen oder anderen Abend aushilfst. Du weißt ja, die Konkurrenz schläft nicht, und wer will schon ein halbverblödetes Hausmütterchen, das technisch nicht mehr auf dem neuesten Stand ist?"
Was ich wollte? Erst mal Hausfrauenkenntnisse, und zwar schnell. Ich wählte die Nummer meiner alten Freundin Ina. Sie hatte schon ein Schulkind und somit jede Menge Erfahrung. Glaubte ich. Ina lud mich sofort ein, und so rückte ich mit Geschenk fürs Kind und Blumenstock bei ihr an. "Hallo Süße!" Ina freute sich wirklich, mich zu sehen. "Wir können gleich essen. Wenn du beim Spülen mit anpackst, haben wir sogar Geschirr dafür. Du weißt ja, Ludger und ich basteln grad an unseren Dissertationen und da hat das bissel Geld noch nicht für die Spülmaschine gereicht..." In der Küche stapelte sich der Abwasch mindestens zweier Wochen. Die oberen Teller zierte bereits ein kleines
Biotop. Auf dem Weg zur Spüle wäre ich fast über einen undefinierbaren Haufen gestolpert. "Vitus-Korbinian hat seine Wäsche gerade mal wieder in den Gang gefeuert. Ich versuche jeden Tag, ihn zum Kooperieren mit den elterlichen
Ordnungsvorstellungen zu überreden, doch es hat noch nicht gefruchtet", sagte Ina seufzend.
"Wo ist Vitus-Korbinian denn?" fragte ich.
"In der Nachmittags-Eurythmierunde. Seine Aura hat sich schon sehr verbessert, seitdem er da ist", erzählte Ina. Ich musterte sie – die vielen Flecken sah man sogar auf ihrer Batikbluse, ihr Haar war vermutlich fünf Tage nicht gewaschen worden und ihr Rock hatte ein sichtbares Mottenloch unten links. Ina konnte ich als Vorbild für einen gepflegten Haushalt also auch vergessen.

Also doch die Schwiegermama fragen? Ich atmete tief durch und wagte einen Anruf. "Hallo Elsi, ich bräuchte von dir mal ein paar Tipps in Sachen Haushalt..." – "Liebes, entschuldige, ich kann jetzt wirklich nicht lange reden. Die Teppiche sind noch nicht ausgeklopft, die Bettwäsche muss gebügelt werden und das Soufflé beizeiten in den Ofen, Walter kommt um fünf heim. Und – oh nein! Da oben ist ein Spinnennetz! Also, ich ruf dich dann mal zurück, wenn nicht so viel zu tun ist, gell, Liebes?!"
Sie rief nicht zurück, am nächsten und übernächsten Tag auch nicht.
Klar, ihr Haushalt für zwei ist ihre Berufung, bei ihr findet sich nirgends ein Stäubchen und das gesamte Anwesen schmückt jeden Monat eine neue, saisongerechte Dekoration. Im Gegensatz zu mir hat sie einfach ein Händchen für diese Dinge. Gut, dass mein Mann in spe so etwas nie wichtig fand – sonst hätte er sich ja nicht in mich verliebt. Wir brauchten also keinen Perfektionismus, ich brauchte aber Unterstützung. Vielleicht sollte ich es doch direkt mal beim Arbeitsamt versuchen? Den Mutterpass in der Hand, mein Bäuchlein demonstrativ nach vorneschiebend, stürmte ich das Büro des Berufsberaters..
"Womit kann ich Ihnen dienen?", fragte der freundlich lächelnde Beamte am Schreibtisch.
"Ich möchte umschulen. Auf Hausfrau", sagte ich direkt. "Gibt es dafür Kurse oder Seminare, die mich schnell fit machen? In sechs Monaten sollte ich bereits halbwegs klarkommen. . ."
Der Beamte runzelte die Stirn und musterte mich skeptisch über den Rand seiner Brille hinweg.
"Hausfrau? Hausfrau ist doch kein Beruf. Das macht eine Frau doch mit links! Das liegt Ihnen doch sozusagen in den Genen". – "Ja, aber, wenn ich’s nun wirklich gut machen will? Dafür muss es doch irgendeine Ausbildung geben! Vitaminreich kochen, Babies versorgen, schnell und effektiv
putzen. . ." –
Jetzt grinste der Beamter.
"Gute Frau, wenn Sie in Ihrem Alter noch nicht putzen können, lernen Sie’s auch nicht mehr. Säuglingspflege können Sie im Krankenhaus lernen, zwei mal zwei Stunden lang. Falls Sie Kochkurse suchen –die Volkshochschulprogramme liegen in Zimmer 413 aus..." –
"Vier Stunden Säuglingspflege und ein paar Abende Kochen sollen reichen, um einen Drei-Personen-Haushalt zu organisieren? Da wird man ja fürs Abkassieren bei MacDoof länger eingelernt!" –
"Tja, bei den Fastfoodketten gibt’s ja auch Geld für die Arbeit. Als Hausfrau dagegen..."
Er grinste schräg und gab mir die Hand zum Abschied.
Ich schlich entmutigt nach draußen, und kaum hatte ich die Tür hinter mir verschlossen, hörte ich ihn auch schon ins Telefon wiehern: "Kam da doch tatsächlich eine, die wollte sich zur Hausfrau ausbilden lassen! Klar, für so was braucht man heutzutage eine Ausbildung! Womöglich noch ein Unistudium, was? Hahaha, Hausfrau wollte die lernen..."

Inzwischen weiß ich natürlich, dass der Berufsberater unrecht hatte.
Hausfrau ist nicht nur EIN Beruf, sondern eher zehn in einem. Ein Studium wäre vielleicht gar keine schlechte Einführung – etwas Pädagogik, viel Psychologie, ein wenig Wirtschaft, Grundwissen der Medizin, Ernährungslehre und so weiter – aber wer studiert schon fünf Jahre lang für etwas, was nicht bezahlt wird?
Wird es vermutlich auch nie werden -- ein faires Gehalt könnte sich nämlich niemand leisten. Wie frau die ganzen Aufgaben erledigt, dafür gibt es zum Glück Hunderte von Möglichkeiten und ebenso viele Lehrmeisterinnen. Wer mit offenen Augen und weitem Herzen die Sache anpackt, kann jedenfalls zurecht kommen, auch ohne Talent und mit schlechten Augen. Mein Nachwuchs, mein Mann und ich jedenfalls leben und sind gesund, insofern muss ich doch ab und zu was richtig machen ;-) Und wenn’s im Rücken ziept, während sich im Kopf die Langeweile breit macht, dann logge ich mich bei der Hausfrauenrevolution und genieße den Kolleginnentratsch.