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Raphaela Kreitmeir

Hilfe, mein Kind isst weder Fleisch noch Gemüse


Eigentlich sollte der Speiseplan, laut Empfehlung des Forschungsinstituts für Kinderernährung, inzwischen Obst, Getreideprodukte, Kartoffeln, Gemüse, Fisch und Fleisch umfassen. Und zwar lediglich in zerdrückter Darreichung. Der Pürierstab habe für ein 12 Monate altes Kind ausgedient. Ausdrücklich wird der jungen Mutter beim Ausprobieren neuer Gerichte geraten, die angeborene Neugierde des Kindes zu nutzen. Aber unser Kind ist nicht neugierig. Ganz und gar nicht. Zumindest wenn es um die Nahrungsaufnahme geht. Sie will genau das auf dem Warmhalteteller haben, was es auch gestern gab und vorgestern und vorvorgestern sowie an den vielen Tagen zuvor. Und das ist Obst. Bevorzugt Apfel, zur Not auch Birne oder Banane. Nicht zerdrückt, sondern sämig püriert. Angereichert um eine Handvoll zarter Haferflocken, in Wasser matschig gekocht. Das schmeckt ihr. Morgens, mittags, abends, eigentlich immer. Aber sonst nichts, gar nichts!

Dabei habe ich mich ganz genau an die Rezepte von Deutschlands Zwergen-Gourmet-Bibel gehalten. Dagmar von Cramm verspricht in ihrem Küchen-Ratgeber "Für Babys - Was schmeckt und gut bekommt!" viele bunte Rezepte, die dem Kind Spaß am Essen beibringen. Bunt sind sie die Rezepte, immerhin sind alle in Farbe abgebildet. Aber Spaß am Essen verspürt unser Fräulein gar keinen bei Rahmkartoffeln mit Blumenkohl, Kohlrabi Zweierlei oder Nudeln mit Fleischsause. Sie reagiert mit Protest, lautem Protest. Wenn ich mich dennoch erfreche, einen Löffel zwischen die fest geschlossenen Lippen zu zwängen, wird sie handgreiflich. Mit gekonntem Handkantenschlag bringt sie den Teller zum Fliegen. Gleich einer Frisbeescheibe sirrt er durch die Luft und verteilt Kohlrabi, Rahmkartoffeln oder wahlweise Fleischsause kreisrund im Zimmer. Die Wände in der Küche legen farbig davon Zeugnis ab.

Als Mutter darf man sich ja von solch kleinen Rückschlägen nicht irritieren lassen. "Wenn es nicht gleicht klappt mit dem Gemüse, kann man den ungewohnten Geschmack zum Beispiel mit Banane verstecken", weiß Frau von Cramm Rat. Also dann halt so. Denn auch unser Fräulein braucht Gemüse und Fleisch für ihre gesunde Entwicklung und weiteres Wachstum. Die gesunde Entwicklung der Geschmacksnerven stellte ich bei der Kombination Kartoffeln-Karotten-Hühnerfleisch-Brei mit Banane zugegebenermaßen hintan. Der erste pürierte Löffel gelang, der zweite traf auf Unbehagen, beim dritten war der Betrug offenbar: Der Warmhalteteller nebst dickflüssigem Inhalt in orange-ocker landete gezielt auf meiner Brust. Bei den nächsten Versuchen schützte ich mich durch Überstreifen einer gelben Regenjacke. Allerdings lernt unser Kind schnell. Allein der Anblick der gelben Jacke entlockt ihr schrille Empörungsrufe und wildes Handkantenschlag-Gestikulieren.

Weitere Versuche mit den leckeren Gläschen-Kindermenüs, vorgekocht von Onkel Hipp, Tante Milupa oder ganz biodynamisch von Rapunzel, erzeugten erst schrille Heiterkeit im Kinderhochstuhl und dann tätlichen Protest.

So isst unser Kind also weiterhin Äpfel, Birnen oder Bananen mit einer Handvoll Haferflocken. Nicht zerdrückt, sondern sämig püriert. Dafür braucht sie übrigens gar kein Lätzchen. Jeder Löffel landet zielgenau in dem weit geöffneten Mund. Das kann sie, immerhin ist sie ja auch schon ein Jahr alt. Was sie wohl einmal macht, wenn ihre Klassenkameradinnen kraftvoll in ihr Pausenbrot oder eine Pizza beißen? Ob sie dann ihre Warmhaltedose öffnet und den vorgekochten Obstbrei löffelt? Wenn ja, dann hoffentlich mit viel Selbstbewusstsein. Denn für irgend etwas muss meine Erziehung schließlich gut sein.