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Sibylle Schäfer

Umwege oder Wer kennt den kleinen Mann im Ohr?

Wer kennt den kleinen Mann im Ohr?
er flüstert Dir ganz leise vor:
vergiss den sichren, geraden Weg,
geh einfach anders, geh mal schräg,
es lohnt sich auch dort hinzuschau’n
und auf die Zukunft stets zu bau’n!
Ein Umweg ist voll Müh und Plag,
doch auch Erfolg er bringen mag.

Wie stellt man sich anderen Menschen vor, ohne den Leser zu langweilen? Als ich darüber nachdachte, wurde mir klar, dass der Titel meines Lebenslaufes UMWEGE lauten muss!

Idylle
Geboren wurde ich am 27.07.1969 in Bad Urach, am Rande (nicht auf :-)) der Schwäbischen Alb. Meine Kindheit war dem idyllischen Ort angemessen. Also weitgehend unbeschwert und als glücklich zu bezeichnen. Meine Mutter war und ist eine junge Mutter, darüber war ich als Kind immer besonders glücklich, man konnte einfach (und kann immer noch) viel mit ihr erleben. Meine Eltern lebten ohne Trauschein zusammen. Sie waren für die damalige Zeit sozusagen noch "Pioniere" der nichtehelichen Lebensgemeinschaft.

es ist aus und vorbei
Mit dem Erwachsenwerden brauten sich dann die ersten Gewitterwolken zusammen: Abitur, Studienbeginn Jura, Irrungen und Wirrungen, Drama: väterliche Firma bankrott, Vater wird Alkoholiker und medikamentensüchtig, Selbstmordversuch des Vaters, Existenz verloren, Geld verloren, Heimat verloren... und den Vater. Ich habe ihn seither nicht mehr gesehen. Das war’s dann!

Stud. phil.
Schnitt - Neuanfang: Erste äußere Schritte: Umzug und Wechsel zum Studium der Literaturwissenschaften. Mit diesem Studium hatte ich nicht nur einen wichtigen Neuanfang gemacht, sondern auch meine wahre akademische Heimat gefunden, die mich bis heute begleitet, auch als Hausfrau.

Bei den Neuphilologen habe ich meinen Mann kennen gelernt. Er war bereits Vater einer kleinen Tochter und gerade auf dem Weg zum Dr. phil. Nachdem wir uns eineinhalb Jahre kannten, haben wir geheiratet. Da er selbst schon eine 6jährige Tochter hatte und in seinem Freundeskreis viele Kinder zu finden waren, erfasste mich der "Kinderkriegenwollenvirus" sehr schnell. Um die 30 ist man da ja "eh so gefährdet". Mein Studium lief hervorragend, ich hatte nebenher zwei gute Jobs, ich arbeitete bei einer tollen Chefin als Buchhalterin und betreute in der BG-Unfallklinik die Patientenbücherei.

Die Auswirkung des "Kinderkriegenwollenvirus
Trotzdem saß dieser kleine Mann in meinem Ohr und flüsterte ohne Unterlass:

vergiss’ den sichren, geraden Weg,
geh einfach anders, geh mal schräg,
es lohnt sich auch dort hinzuschau’n
und auf die Zukunft stets zu bau’n!
Ein Umweg ist voll Müh und Plag,
doch auch Erfolg er bringen mag.

Wer seine vorherige Existenz verliert, neigt eben dazu, eine umfassend neue gründen zu wollen. Da ich nun schon einmal zu einem Umweg gezwungen worden war, wieso konnte ich nicht noch mal einen einbauen? Von der Tochter meines Mannes begeistert, warf ich alle Bedenken bezüglich "Lebensabsicherungsmaßnahmen" über Bord.

Familienleben
Kaum war ich als frischgebackene Mutter wieder auf meine wackeligen Beine gestellt, zeigte sich die Flexibilität des Lebens in den Bereichen Kinder, Bildung und Arbeitswelt in Form einer gähnenden Leere! Vor der Geburt meines Sohnes hatte ich noch geglaubt, Familien würde geholfen. Jetzt weiß ich, Familien müssen mehr kämpfen als andere, um überhaupt überleben zu können. Natürlich war mir das Unverständnis der Umwelt gewiss. "Da hätte sie ja auch noch warten können, das Studium fertig machen und dann erst ein Kind bekommen". Nun hat dieses Argument sicherlich vieles für sich, aber meine Angst, für ein Kind zu alt zu werden und womöglich am Ende gar keines mehr zu bekommen, war größer gewesen. So hatte ich, diesmal freiwillig, wieder den "unbequemen" Weg gewählt.

Das Kind der Akademikerin
Mein Mann wurde gleich arbeitslos, als unser Sohn ein halbes Jahr alt war, und er blieb dies gleich mal ein Jahr lang. Wahrlich ein sehr "gelungener" finanzieller Start zum Aufbau einer Familie! Wie sagte ein Bekannter von mir, immerhin ein aktives Mitglied der Grünen-Partei in Tübingen: "Ab einem gewissen Punkt sind in unserem Lande Familie und Karriere nicht mehr miteinander vereinbar." Ah ja! Kein Wunder, dass immer weniger Akademikerinnen Kinder bekommen. Dann endlich fand mein Mann eine Stelle als Redakteur in Stuttgart. Wir konnten darangehen, unsere Mini-Wohnung in Tübingen zu verlassen und eine neue zu suchen.

Dreimal umgezogen ist wie einmal abgebrannt
Dieses Unternehmen beförderte uns beinahe noch in das Guiness-Buch der Rekorde. Im darauf folgenden Jahr sind wir dreimal umgezogen. Die erste Wohnung war von Schimmel befallen, in der zweiten Wohnung entpuppte sich die vorgeschobene Kinderfreundlichkeit der Vermieter als Überwachung auf Schritt und Tritt. Es war unmöglich, sich dort einigermaßen frei zu bewegen. Wir wagten kaum noch, es Verwandten und Freunden zu sagen. Schließlich zogen wir nochmals um. Die Mühe hat sich gelohnt: Nun haben wir eine schöne Wohnung mit riesigem Garten auf dem Lande. Optimal für Kinder!

Prinzip Hoffnung
Nach all den Mühen sind wir nun seit einem Jahr hier im Schwarzwald und leben ein ruhiges "Landleben." Finanziell hat sich der lange Ausbildungsweg meines promovierten Mannes bisher nicht gelohnt. Sein Gehalt ist sehr bescheiden. Mein Studium ist zwar bisher nur zur Hälfte geschafft, aber ich hoffe, wenn unser Sohn erst einmal größer ist, dies neben meinem Hauptberuf Hausfrau vollenden zu können. Kinder- und Jugendliteratur und Frauen in der Literatur(geschichte) sind meine Spezialgebiete.

Finale
Die HFR habe ich vor zwei Wochen entdeckt. Sie hat meinem Leben wieder neuen Auftrieb gegeben. Mal sehen, wo das hinführt. Ein Umweg? Immerhin hat mich die HFR auch wieder intensiver zum Schreiben gebracht. Dafür kann ich persönlich schon Danke sagen...

"Mami", mein kleiner Sohn steht plötzlich hinter mir und unterbricht meine Schreibarbeiten. "Wenn die Sonne am Himmel steht und es so schnuckelig warm ist, ist es wie wenn eine rieeesige Heizung am Himmel angestellt ist." Na also, dafür hat sich doch alles gelohnt!

... ein Umweg ist voll Müh und Plag,
doch auch viel Glück er bringen mag!