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Henrik Hieronimus

Auf den Hund gekommen


Es war einer dieser erbärmlichen Tage, wo man schon beim bloßen Gedanken, vor die Tür gehen zu müssen, schwitzte. Azurblauer Himmel ohne Wolken, mit einer gnadenlosen Sonne, die ihre Strahlen auf alles warf, was sich nicht rechtzeitig verkriechen konnte. Ich fuhr einen mit Rollrasen beladenen Pritschenwagen ins Industriegebiet, an verwilderten Wiesen und brachliegenden Hallen vorbei. Im Radio brachten sie was von Brahms.
Der Kapo hatte mir widerwillig den Job beim bekanntesten Bordell der Stadt zugewiesen, ein gewisser Herr Marone verlangte nach einem patenten Gärtner, weil er ein Problem mit seinem Rasen habe.
Ich hielt vor einem großen, Stacheldraht gekröntem Rolltor, von dem eine Videokamera eiserne Blicke auf die Straße warf. Dahinter eine Villa mit schwarzem Dach, an dem Satellitenschüsseln wie Mickey-Mouse-Ohren hingen. Ich stieg aus dem Wagen, ging zur Sprechanlage und drückte auf die Klingel. Das Tor schob sich langsam in die anliegende Hecke.
An der Tür des Hauses erwartete mich eine freizügig gekleidete Frau mit slawischen Gesichtskonturen und üppigem Busen. Sie warf mir ein Lächeln entgegen und sagte, ich solle schon mal in den Garten gehen, Herr Marone komme sofort. Ich schob eine Schubkarre mit Werkzeug durch ein von Rosen umranktes Gartentor über die Terrasse, wo sich drei Nutten ein Sonnenbad genehmigten.
Es war ein großes Anwesen, reichlich Rasen, gepflegter Pool, Grillrondell und Tennisplatz. Ich stellte die Schubkarre ab und besah mir die Mädchen. Ihre Gesichter waren brutal geschminkt, sie trugen Sonnenbrillen, hennafarbenes und kokainweißes Haar und kräftigen Lippenstift. Ich fragte mich, was sie kosten würden.
Plötzlich hörte ich eine Stimme hinter mir. Es war Marone. Ein dickwanstiger Mann mit Habichtvisage, Goldkettchen und feuchter Zigarre im Mundwinkel. An seiner Seite ein kläffender Köter, kniehoch und bullig, er trug ein Nietenhalsband, waberte auf mich zu und biss mir in den rechten Schuh.
"Das ist T-Bone.", sagte Marone.
"Hallo Bone."
"Sie sind der Gärtner, nehme ich an."
"Ja, der Gärtner."
Marone pfiff seinen Hund zurück. Der ließ meinen Schuh los und knurrte mich an.
"Es geht um den Rasen. Er sieht nicht gut aus. T-Bone hat die Angewohnheit überall hinzupissen, und dann entstehen so hässliche Flecken wie der hier!" Marone stocherte mit der Fußspitze herum. Dabei hatte er alle Mühe, das Gleichgewicht zu halten und zog leicht nervös an seiner Zigarre."Sehen Sie? Sehen Sie? Das darf nicht sein. Was denken denn bloß die Kunden?"
Die Nutten kicherten. Marone warf einen abfälligen Blick über seine Schulter, und sie wurden still.
"Das kann ich mir einfach nicht leisten, verstehen Sie?"
"Verstehe."
"Bringen Sie das in Ordnung."
Er stand noch eine Weile wie ein Gorilla da und sah mir beim Abladen des Werkzeugs zu, bis er schließlich im Wintergarten seines Palastes verschwand. Ich zählte an die vierzig braungelbe Flecken, über denen kleine Mückenschwärme kreisten. Flecken von Bone.
Nachdem ich auf Knien gekrochen, Plaggen ausgestochen und frischen Rasen eingesetzt hatte, kam eine der Nutten, ging vor mir in die Hocke und ließ einiges sehen.
"Soll ich dir was Kaltes zu trinken bringen, Süßer?"
"Ja, danke, das wäre nett."
"Cola, Fanta, Bier?"
"Ein Bier wäre gut."
Sie stellte zwei kalte Flaschen in den Schatten. Unbezahlbar, dachte ich, knackte eines der Biere und gesellte mich zu den Liegestühlen. Die Kokainfarbenen linsten unter ihren Brillen hervor, schmunzelten und drehten sich auf die Seite. Die Rothaarige musterte mich. Sie hatte diesen Blick drauf, der ein bisschen Blut in meine Hose pumpte.
"Willst du nicht dein Hemd ausziehen? Es ist doch fürchterlich heiß. Ich könnte dich mit dem Schlauch abspritzen."
"Nein, lieber nicht."
"Glaubst du, ich habe noch nie ´n Mann oben ohne gesehen?"
"Doch, doch, ganz bestimmt, aber ich habe zu viele Haare auf der Brust. Außerdem habe ich Angst vor Hautkrebs. Die Sonne scheint heute ziemlich stark. Das ist nicht gesund."
"Ach, hab dich nicht so ..."
Ich schüttelte den Kopf, kippte das kühle Nass hinunter und machte mich wieder an die Arbeit. Gottverdammter Köter. Gottverdammte Mücken. Gottverdammtes Wetter. Ich träumte von einer Badewanne voll Eiswürfeln. Die Rothaarige eingeschlossen. Vielleicht. Immerhin war ich in festen Händen. Aber diese gottverdammten Temperaturen ...
"Das sieht doch gar nicht mal übel aus", staunte Marone.
"Ich tu, was ich kann", gab ich ächzend von mir.
"Ja, er macht seine Sache gut", sagte die Rothaarige.
"Jetzt aber genug!" Marone klatschte in die Hände."Ihr geht sofort an die Bar."
Die Mädchen schnappten ihre Handtücher und räumten die Terrasse. T-Bone schwänzelte ihnen kläffend bis zur gläsernen Schiebetür hinterher, machte dann kehrt und kam zu uns zurück. Ein unförmiger Scheißkerl mit platter Schnauze.
"Sie machen das schon." Marone hastete den Mädchen nach und ließ T-Bone im Garten.
Auf den Parkplätzen trafen erste Kunden ein. BMW-, Mercedes-, Porsche- usw. Gelächter. Frauenstimmen. Darunter die Rothaarige. Ich fragte mich noch immer, wie viele Stunden ich für eine von ihnen arbeiten müsste. Durch den Wintergarten konnte ich erkennen, wie sie sich zu einem Drink an die Bar setzten. Männer in Anzügen. Frauen in Dessous. Ich ging wieder auf die Knie und besserte den Rasen aus. Das Bier war leer. Die Mädchen waren weg. Einzig die Mücken tanzten noch, während Bone übers Grün hechelte, und sein Bein hob.