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Wolfgang Sréter

Im Unterland


An den Wirtshaustischen des Unterlandes, das im Winter verschluckt wird von den Donaunebeln, erzählt man sich, wenn man überhaupt erzählt, immer wieder folgende Geschichte.

An einem Palmsonntag, während die Männer vor der Kirche auf das Glöcklein warteten, das ihnen die Wandlung ankündigte und die Bierkrüge in greifbare Nähe rückte, verkündete der Priester den anwesenden Frauen ein heiliges Spiel. Es sollte am selben Abend im großen Saal zu ´Schwarzen Ochsen´ stattfinden. Die ´Reinigung des Tempels zu Jerusalem´ verhieß eine willkommene Abwechslung, und lange vor Beginn der Vorstellung war der Raum verhangen mit Rauchschwaden. Polternd grüßte man mit "Habe die Ehre!", aber man konnte genauso gut aneinander vorbeistieren, wenn man auf die Ehre verzichten wollte.

Maria und Josef kamen auf die Bühne, die an anderen Festtagen der Blaskapelle gehörte. Josef soll einen Hobel in der Hand gehalten haben, damit er sofort als Zimmermann erkannt werden konnte. Maria war als Jungfrau verkleidet. Beide nahmen an einem Tisch Platz und es wurde stiller als bei einer Beerdigung. Jeder wartete auf die Austreibung der Wechsler und Taubenkrämer, und man war gespannt, ob nach der Säuberung der Mördergrube wirklich Blinde und Lahme die Bühne stürmen würden. Nichts aber geschah. In die Stille hinein fragte Josef sein Weib: "Wo der Bub nur wieder bleibt." Noch heute wird glaubhaft versichert, daß Mutter Maria darauf keine Antwort geben konnte, und so beschloß der Zimmermann hinter der Bühne zu suchen.

Die Geduld der Bauern wurde auf eine arge Folter gespannt. Die ersten dachten wehmütig an die gemeindlichen Krippenspiele die zwar nicht spannender waren, bei denen man aber die eigenen Kinder als Engel oder auf dem Felde bewundern konnte. Seufzend fragte nun auch Maria, wo Bub und Ehemann wohl geblieben sein mochten, und auch sie verschwand durch einen seitlichen Vorhang.

Der Priester versuchte seine Schäfchen zu beruhigen. Zugleich fühlte er sich verpflichtet, die Heilige Familie zu suchen, die Schar der Hohenpriester und die anderen Bewohner der Mördergrube. Er kam zurück mit der Auskunft, die Schauspieler, dieses Natterngezücht, seien verschwunden und mit ihnen die Theaterkasse.

Wie selbstverständlich schob man in hitzigen Debatten, die bis weit in die Nacht hinein das Geschäft des Ochsenwirtes anheizten, der verkleideten Maria Diebstahl und Schuld zu. Darüber hinaus ist aber bis heute nicht geklärt, ob die Thyrnauer die Wahrheit sagen, wenn sie behaupten, die ganze Sache sei in Hauzenberg passiert. Die Hauzenberger ihrerseits schwören bei ihrem Schutzheiligen nur die Leute von Raßbichl, Sonnen oder Bischofsmais seien so dumm, daß sie sich auch am Palmsonntag ausnehmen lassen würden wie die Weihnachtsgänse.



Zu Wolfgang Sréter :

Geboren in Passau. Lebt als freier Autor in München.
"Der falsche Fräser", Erzählung, lichtung verlag, Viechtach ISBN 3 - 929517 - 55 - 8