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Marie-Theres Kroetz Relin
Muttern und der tolerante Gartenzwerg
(erschienen in "Die Aktuelle" Heft 48 am 20.11.04)


"Mein Gott, wie ich diese spießige Nachbarschaft hasse, mit ihren wohl gestuften Hecken, den Gartenzwergen, dem "Samstag-8 Uhr-Rasenmäher-Sound" und dem Beton-Engelchen am Gartentor!" denkt Muttern, während sie auf die Klingel drückt.
Ihr Blick schweift durch den ordentlichen Vorgarten: nichts ist dem Zufall überlassen, alles hat seinen festen Platz. Das Tor springt auf und die Nachbarin ruft ihr schon entgegen: "Wie schön, dass Sie doch noch Zeit gefunden haben!" Muttern lächelt professionell, überreicht den mitgebrachten Blumenstrauß und folgt ins Haus. Fünf Damen sitzen in Reih und Glied an dem schön gedeckten Tisch, in der Mitte sind Unmengen von Kuchen geparkt und als Krönung wird der Kaffe erwartet.
Muttern schluckt. Nicht weil ihr das Wasser im Mund zusammenläuft, sondern wegen der bevorstehenden Konversation. "Guten Tag.", sie nickt in die Runde und verteilt im allgemeinen Blabla diverse Lobe. Muttern spielt ihre Rolle perfekt. "Ja," grunzt die Nachbarin zufrieden "Ich geb’ mir Mühe das Haus in Schwung zuhalten. Wenn nur die Kinder nicht immer alles liegen lassen würden!"
Hä? Muttern wundert sich, denn nichts in diesem Haus deutet auf "Gelebtes" hin: Alles hat seine Nische und selbst das Leben scheint gut aufgeräumt. Zwei Stunden schafft sie es, dem Kaffeeklatsch beizuwohnen, brav nach dem Gebot "Du sollst deinen Nächsten lieben".
Beim Abschied verharrt sie kurz im Garten und denkt: "Vielleicht bin ich ja die Spießige, weil ich meine Nachbarn auf Grund ihrer Lebensart verurteile?"
Ach Muttern, Du toleranter Gartenzwerg!