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Marie-Theres Kroetz Relin
Muttern und "I´m walking on Zahnfleisch"
(erschienen in "Die Aktuelle" Heft 35 am 21.08.04)


"I’ m walking on sunshine, ohoh!" trällert Muttern und schlägt die Zeitung auf, der Milchkaffee dampft, sie auch: mit einer Zigarette in der Hand inhaliert sie die Morgenstille.
"Ich schenke Dir diesen Tag!" sagt Muttern feierlich zu sich selbst.
"Gratuliere, die Familie ist bei einen Tagesausflug gut aufgeräumt!" Sie grinst und genießt.
Das Haus gähnt vielversprechende Leere. Muttern fühlt sich unbeobachtet und glücklich.
Eine viertel, halbe, eine ganze Stunde lang passiert gar nichts, nur Buchstaben, Kaffeeduft, Vogelgezwitscher.
Doch langsam verwandelt sich die Leere des Hauses in lebende Vorwürfe:
die unaufgeräumte Küche sieht beleidigt aus, der überfüllte Wäschekorb erbricht schmutzige Socken, die Spinnenweben flattern wie Fahnen im Wind, das Badezimmer droht wegen fehlender Sauberkeit mit dem Zeigefinger, selbst die Blumen im Garten protestieren gegen die lieblose Pflegschaft. Muttern kapituliert, vorbei das Gefühl vermeintlicher Freiheit. Selbst der Milchschaum auf dem Kaffee erstarrt. "Immer lasse ich mich von schlechtem Gewissen überrumpeln! Warum nur? Als ob mein Ich nur beim Putzen zu spüren wäre!" ärgert sich Muttern, während sie sich tapfer in die Putzorgie begibt. Wenigstens hilft ihr besessener Putzteufel mit. "Bald komme ich auf dem Zahnfleisch daher, wenn ich mir keine Auszeit gönne!" Abends blitzt und blinkt das leere Haus und Muttern fällt erschöpft aufs Sofa. Sie schläft Fernsehen, bis Teenie sie zart weckt. "I’m walking on Zahnfleisch!" singt Muttern ziemlich benommen.
Oohoh, das Haus ist sauber, Muttern!