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Marie Theres Kroetz Relin

Künstlerische Heimat
Eine Liebeserklärung an den Circus Roncalli


November 1981:

Ein junges Mädchen sitzt auf kreisrund gestreuter Sägespäne, gedankenverloren in ihren Träumen. Es macht ihr nichts aus, dass es zu schneien beginnt, im Gegenteil: die Schneeflocken sind wie Konfetti vom Himmel, ein letzter Gruß vom Circus Roncalli, der seine Zelte abgebrochen hat und weiter gezogen ist.
Nur das Mädchen sitzt noch auf der verlassenen Sägespäne, auf diesem Parkplatz in der Münchner Innenstadt, da wo heute die Neue Pinakothek steht, und lässt sich von den treibenden Schneeflocken umarmen. In ihrem Kopf tanzen Gedanken und Erinnerungen aus den letzten drei Monaten: Sie war auf der Suche und sie hat gefunden. Sie, die sich immer vehement wehrte Künstlerin, besser Schauspielerin zu werden, hatte zum ersten Mal ihr Artistenblut in sich pulsieren gespürt.

"Seltsamer Plan: sich zu träumen, diesen Traum greifbar zu machen, um dann wieder zum Traum zu werden, in anderen Menschen." (Jean Genet)
So stand es im Programmheft des Circus Roncalli und es wurde ihr Traum: die Circus-Musik, die lachenden Menschen, der Geruch von Popcorn, die Fanfaren, Konfetti, die gemalten Herzen auf den Wagen, die Artisten, die Sägespäne, der ewige Abschied, das Weiterziehen und der Neuanfang, der Wienerwalzer am Schluss und viele Freunde.
Tränen kullerten über ihre Wangen. Sie vermisste jetzt schon "ihren“ Circus, ihre neuerwählte Welt (aber nicht lange, denn sie reiste ihm nach): Bernhard Paul, der seinen Traum "Roncalli“ nun endgültig zum Leben erweckt hatte, den Clown Pic mit seinen Seifenblasen, seiner Poesie und seinen schwarzen Augen, die Musikanten, die Artisten und das Leben auf dem Circusplatz.

Montelang war sie direkt nach der Schule Richtung Roncalli gestiefelt, hatte jede Vorstellung besucht, kannte jedes Wort und jeden Artisten auswendig. Sie wurde eine Art Maskottchen für den Circus und übte sich in ihren ersten hausfraulichen Tätigkeiten, denn das leibliche Wohl "ihrer“ Artisten sollte doch ab und zu von ihr gepflegt werden.
Jede freie Minute verbrachte sie im Circus und selbst das harte Artistenleben, geprägt von Disziplin und kleinen Wohnwägen, schreckte sie nicht ab. Sie war angekommen in ihrer künstlerischen Heimat und man liebte sie für das, was sie war und nicht, weil sie die Tochter von irgendjemandem war.
Ihr Entschluss stand fest: Sie wollte Pantomime werden und wollten sich in die Artistenfamilie einreihen. Wenn’s sein musste, wollte sie auch durch Disziplin lernen, zusammenzuhalten, um irgendwann Traum zu werden in anderen Menschen und ihnen ein Lächeln zuschenken.


August 2004:

Ich besuche mit meiner Familie die Premiere des Circus Roncalli. Professionell stelle ich mich dem Blitzlichtgewitter das eher meinem Göttgatten gilt, na ja, vielleicht auch ein wenig mir. Schließlich bin ich ja die stolze Herausgeberin meiner drei Kinder und eines Buches. Und während ich brav fürs Familienphoto lächle, saugt mein Innerstes die Circus-Musik und den Popcorngeruch ein.
Meine Kinder ergattern begeistert ihre Plätze im Circuszelt und meine Augen suchen nach den Freunden aus vergangenen Tagen. Zwei sind übrig geblieben: Bernard Paul und... mein Blick schweift zum Orchester, Georg Pommer. Unsere Blicke kreuzen sich, wir winken uns zaghaft zu und die Vorstellung beginnt. Nun werden also meine Kinder in die Poesie des Roncalli entführt und ich beobachte ihre leuchtenden Augen.
Nach der Vorstellung fallen wir "Übriggebliebenen“ uns in die Arme, voll Freude über das Wiedersehen und präsentieren gegenseitig unseren Nachwuchs. Im Artisten-Café plaudern wir über die vergangenen Tage und die Zukunft und mit Freude stelle ich fest, dass wir noch immer die gleiche Sprache sprechen. Zwanzig Jahre sind kein Tag.
Meine Kinder werden gleich den Artisten vorgestellt, Künstlern aus Ländern wie Portugal und Spanien. Sprachgewandt wie meine Drei nun mal sind, plappern sie munter mit der Circusfamilie drauf los. Nur logisch, dass ein dreifacher Entschluss feststeht: Sie wollen zum Circus! Artistenblut eben.

Es war schön, heim zu kommen an die Wurzeln der Jugend, der ersten Suche.
Das Suchen ist geblieben, der Weg auch.
Ein letzter Blick auf die Lichter der Circus-Stadt, gefüllt mit Erinnerungen, Menschen, Düften, Träumen unterm Sternenhimmel.
Aber Wege kreuzen sich immer mehrmals und eins verspreche ich Dir, Roncalli:
Ich kehre so oft wieder auf meinen Weg zum Ziel, bis ich "Die Reise zum Regenbogen“ überschreite und fliegende Schweine das Unmögliche möglich machen:
Den Einzug ins "Teatro Paradiso“ - mit Musik, versteht sich!
Oder?


Weitere Infos unter:
www.roncalli.de

...und für die Musik:
www.gpm-records.com